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Robert Bosisio im Finale

Porträt eines afrikanischen Albino von Robert Bosisio: Es geht um die Unverfügbarkeit des Menschen.

Für den Trudner Maler Robert Bosisio ist das Coronajahr ein Höhenflug: Er steht im Finale des renommierten Portrait Award der National Gallery in London, er ist Künstler des Jahres in Südtirol und seine Bilder werden auf Auktionen hoch gehandelt.

„Ich hasse Wettbewerbe, ich habe noch nie an einem teilgenommen, aber jetzt freut es mich schon sehr, ins Finale gekommen zu sein“, sagt der Trudner Maler Robert Bosisio. Das Finale ist nicht irgendeines, sondern das des Portrait Award der National Gallery in London, der als der wichtigste Wettbewerb für Porträtmalerei weltweit gilt. Ausgerichtet von der National Portrait Gallery fördert er seit bald 50 Jahren das Genre der Porträtkunst, das im Laufe der Jahrhunderte wechselnde Konjunkturen erlebt hat. Fotografie hin, Selfie her – das Porträt ist immer noch eine Königsdisziplin der Malerei, ist es doch getrieben von der ewigen Frage, was das Individuum ausmache.

Die überragende Bedeutung des Wettbewerbs lässt sich an den jährlichen Teilnehmerzahlen ablesen. 1.981 Einreichungen von Malern aus aller Welt hatte die Jury heuer zu begutachten, 48 davon haben es ins Finale geschafft. Der erste Preis ist mit 35 000 Pfund dotiert, das Siegerbild bleibt in der Galerie – in Gesellschaft von Größen wie Francis Bacon.  Sämtliche Finalisten werden in einer Ausstellung in der Londoner National Portrait Gallery präsentiert, anschließend wandert die Schau nach Edinburgh und Belfast. Die Ausstellung, die regelmäßig ein Publikumsmagnet ist und eine Viertel Million Besucher anlockt, fällt heuer aufgrund des Coronavirus aus, virtuell jedoch kann die Ausstellung besucht werden.

Robert Bosisio: „Ich hasse Wettbewerbe“

Die Einschreibung und die ganze Bürokratie hat ein Freund für Bosisio erledigt, von selbst hätte er sich nicht dazu aufraffen können. Die erste Nachricht aus London erreichte ihn, als er ins Semifinale aufstieg: „Ich musste das Werk nach London bringen und in einem persönlichen Gespräch erklären. Man wollte, dass ich den Namen des Porträtierten preisgebe, aber das kann ich nicht. Der muss anonym bleiben.“

Ins Finale des Portrait Award gebracht hat ihn Porträt eines afrikanischen Albino. Das kleinformatige Bild aus Acrylharz, Öl und Pigmenten auf Holztafel zeigt das verschwommene Antlitz eines  Mannes, dessen Identität kaum einzuordnen ist. Auf den ersten Blick ist es ein weißer Mann, höchstens an den Lippen erkennt man, dass es sich um einen Afrikaner handeln könnte. Aber es gibt keinen eindeutigen Hinweis, geschweige denn einen Beweis. „Es ist ein Mensch“, sagt Bosisio.

Die malerische Unschärfe entzieht den Porträtierten jeglicher Fass- und Festlegbarkeit. Paradigma ist die Landschaftswahrnehmung, die im Nebel verschwimmende Ferne, an der Bosisio in den 1990er Jahren gearbeitet hat. Die Figur ist zu gleichen Teilen an- und abwesend, exakt an deren Umschlagpunkt verharren seine Porträts. Wo ist die Grenze, hinter der ein „Ich“ aufhört, „Ich“ zu sein, fragt Milan Kundera in einem Text über den Maler Francis Bacon.  Es geht um die Unverfügbarkeit des Menschen. Das ist der Grundakkord von Bosisios Bildern.

Kennengelernt hat er den Albino auf einer Afrikareise, als er in sozialen Angelegenheiten unterwegs war.  Das Schicksal der  Albinos, die durch einen Gendefekt an einem Mangel des Farbstoffs Melanin, der Haar, Haut und Augen ihre Farbe verleiht, leiden, berührt ihn auch persönlich. In Afrika sind sie schwersten Bedrohungen ausgesetzt. Der Aberglaube, wonach Körperteile von Albinos heilende Kräfte besitzen sollen, macht sie nicht selten zu Opfern von Ritualmorden.

In Afrika hat er zeichnerische Studien des Mannes angefertigt, gemalt hat er das Bild in seinem Atelier in Truden. Eine größere Variante davon, für die er auch Fotos aus dem Internet zu Hilfe genommen hat, war bei einer Ausstellung in der Galerie Doris Ghetta zu sehen, später auch in Holland, in Berlin und in Karlsruhe.

Der Einzug ins Finale in London ist nicht der einzige Erfolg von Bosisio im laufenden Jahr. Der Künstlerbund und der HGV hat  ihn zum heurigen Künstler des Jahres erkoren. Und bei einer Auktion in Deutschland landete ein Bild von ihm aus dem Jahr 1989 auf dem Versteigerungstisch. Ausrufungspreis; 1.200 Euro. Versteigert wurde es um mehr als 8.000 Euro. (sh)

 

 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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