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„Öffnet die Betriebe“

Tony Tschenett

ASGB-Chef Tony Tschenett fordert die Öffnung der großen Unternehmen, kritisiert die Familienpolitik von Staat und Land – und besteht auf eine Fehler-Analyse in Krankenhäusern und Altersheimen.

Tageszeitung: Herr Tschenett, ein Großteil der Handwerker darf wieder arbeiten. Sind Sie einverstanden mit dem Südtiroler Sonderweg einer schrittweisen Öffnung?

Tony Tschenett: Die Erlaubnis für die Handwerker ist sicher positiv, aber auch die großen Unternehmen müssen unbedingt geöffnet werden. Bei den Handwerkern gibt es die 5-Mitarbeiter-Regelung, aber bei größeren Unternehmen ist die Fläche größer. 100 Prozent geht sowieso noch nicht, aber es braucht eine schrittweise Öffnung. Wir haben mit Unternehmer- und Handwerkerverband ein Abkommen zum staatlichen Sicherheitsprotokoll mit zusätzlichen lokalen Maßnahmen unterzeichnet. Die Betriebe wenden das auch an.

Wann sollen die Betriebe im Handel und im Tourismus aufsperren dürfen?

Als Gewerkschaften haben wir mit Handel und Tourismus bereits mündlich besprochen, ebenfalls ein Sicherheitsprotokoll auszuarbeiten, um diese Bereiche schrittweise wieder öffnen zu können. Die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter muss auf jeden Fall garantiert werden.

Wer wird wohl als Letztes aufsperren?

Schwer zu sagen. Bei Bars – vor allem kleineren – werden sicherlich Umbauarbeiten notwendig sein, weil die Abstände viel zu klein sind. Auch Restaurants werden Umbauarbeiten machen müssen bzw. Tische reduzieren. Die Geschäfte werden sich – wie jene, die schon geöffnet sind – an die gesamten Bestimmungen halten müssen. Wer zum Schluss drankommt, kann ich nicht sagen. Für mich ist wichtig: Große Unternehmen müssen jetzt starten. Das ist mein Appell an den Landeshauptmann. Die Flächen sind in großen Betrieben auch für 50 oder 70 Mitarbeiter groß genug, um sich an die Abstände und anderen Bestimmungen halten zu können.

Was erwarten Sie für die Zukunft des Tourismus angesichts Corona?

Für diesen Sektor wird es äußerst schwierig. Auch wenn die Hotels aufgetan werden, werden die Gäste eher abwarten und kurzfristig buchen, wenn Ruhe eingetreten ist. Auch werden die Touristen eher dorthin gehen, wo sie die größte Sicherheit haben. Ich erwarte mir, dass das Arbeitslosengeld verlängert wird, damit die betroffenen Mitarbeiter eine Absicherung haben. Schrittweise müssen sicherlich auch die Hotels auftun, auch wenn es anfangs schwierig wird und weniger Personalbedarf ist. Deshalb braucht es zusätzliche Abfederungsmaßnahmen.

Allgemein stehen etwa Österreich und Deutschland deutlich besser da als Südtirol: Der Lockdown kam dort später und jetzt kommen die Lockerungen früher. Was ist bei uns falsch gelaufen?

Ich möchte jetzt niemandem Fehler vorwerfen. Wir alle sind unvorbereitet überrumpelt worden und jeder hat versucht, das Beste zu machen. Sicher würde man hinterher einiges anders machen, aber man soll nicht schauen, wie es im Ausland ist, sondern wie es in Südtirol weitergeht. Dass die Abfederungsmaßnahmen von Staat und Land endlich greifen. Und dass die Betriebe schrittweise auftun können. Das wäre enorm wichtig für die Unternehmen und die Mitarbeiter, weil die Betriebe großteils in Konkurrenz mit dem Ausland stehen und jedes verlorene Projekt zu einem Verlust an Steuergeldern führt und womöglich auch zur einen oder anderen Entlassung führen könnte.

Zu den Hilfsmaßnahmen: In Südtirol werden den Familien unter anderem günstige Kredite, eine Soforthilfe und Sondermietbeiträge geboten. Können die finanziellen Probleme durch die verschiedenen Hilfsmaßnahmen abgefedert werden?

Die Maßnahmen für die Familien sind zu überarbeiten. In die Covid-Soforthilfe etwa fallen nur sehr wenige Leute rein. Die Idee war gut, aber an der Ausführung mangelt es. Die Mietbeiträge im Falle von Lohnausgleich oder Arbeitslosigkeit gehen absolut in Ordnung, aber wir müssen auch etwas für diejenigen tun, die eine Wohnung gekauft haben. Sie können zwar die Darlehen aufschieben, aber sie brauchen eine zusätzliche Unterstützung. Insgesamt ist im Bereich Familie zu wenig geredet worden. Man hat noch nichts gesehen. Auf Staatsebene gibt es zwar die 15 Tage Elternzeit, aber die sind bei weitem schon aufgebraucht. Wenn die Schulen nicht geöffnet werden, muss man zusätzliche Tage kriegen. Auch das Land muss noch finanzielle Unterstützungen geben, weil das Geld nicht ausreicht. Und wir müssen schon weiterdenken, was im Sommer passiert.

Inwiefern?

Wenn die Schulen nicht mehr öffnen, ist der ganze Sommer abzudecken. Es braucht endlich Klarheit, wo berufstätige Eltern ihre Kinder hintun sollen. In Bezug auf Familien haben Staat und Land noch viel zu wenig getan. Weiters hatten wir 2019 rund 6.000 Sommerpraktikanten. Da die Betriebe kaum wieder voll arbeiten können, werden sicher weniger Praktikanten angestellt. Wir müssen deshalb für die Jugendlichen Möglichkeiten finden, damit sie im Sommer eine Beschäftigung haben. Ich erwarte mir, dass viel mehr geredet wird und mit Gewerkschaften und Familienverbänden ein Programm für die kommenden Monate erstellt wird.

Ärzte und Krankenpfleger werden jetzt als Helden gefeiert, aber nach der Corona-Krise droht Mehrarbeit zum Abbau der steigenden Wartezeiten. Wird die Wertschätzung für das Personal an der Corona-Front nicht lange anhalten?

Wenn Corona vorbei ist, muss man sich – was Krankenhäuser und Altersheime betrifft – mit allen Beteiligten zusammensetzen. Es ist viel Positives zu sagen, aber auch einiges danebengegangen, vor allem was die Sicherheitsbestimmungen betrifft. Man muss Klarheit schaffen, bevor man wieder zur Tagesordnung übergeht. Und es braucht eine langfristige wirtschaftliche Wertschätzung und Aufwertung für das gesamte Gesundheits- und Altersheimpersonal. Auch über zusätzliche Urlaubstage ist zu reden. Sowie über Arbeitszeiten, Turnusse und Qualität – vor allem in den Altersheimen. Wenn alles vorbei ist, muss man zusammen alles aufarbeiten und nicht einfach weitermachen wie davor.

Sie haben zuletzt harte Kritik an den Zuständen in den Seniorenheimen geübt. Hat Ihr lautstarker Protest etwas bewirkt?

Man beginnt jetzt mit flächendeckenden Tests bei Betroffenen und Personal. Das ist dringend erforderlich. Einige Altersheime haben sicher gut gearbeitet, bei anderen hat es nicht funktioniert. Man wird analysieren müssen, was nicht in Ordnung war. Man darf nicht alle in den gleichen Topf tun, aber ich habe von vielen Pflegern gehört, die sich alleine fühlten, weil zu wenig Unterstützung da war. Der Protest hat den Beginn der Tests bewirkt. Jetzt sind noch Sicherheitsprotokolle und Risikobewertungen zu machen, die schon verpflichtend gewesen wären. Und man kann nicht weiter sagen „ihr seid die Helden“, wenn danach nichts herausschaut. Da muss etwas passieren.

Interview: Heinrich Schwarz

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