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„Die Schockstarre beenden“

Der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger kritisiert das panik-getriebene Krisenmanagement der Regierung und zeigt auf, wie ein Exit Plan aussehen könnte.

Im Vergleich zu unseren Nachbarn in Österreich und Deutschland herrschen in Italien – durch den verschiedenen Umgang mit der Covid Krise – beängstigende Zustände. Und dies sowohl in sozialer, demokratischer, psychologischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht. Verursacht durch einen völligen Lockdown und eine Quarantäne die mittlerweile seit einem Monat das Land lähmt, sagt Paul Köllensperger.

Diese Schockstarre gelte es nun zu beenden, „wenn wir nicht in eine dramatsiche Rezession schlittern wollen“, so der Landtagsabgeordnete weiter.

Die Frage ist nur: Wie soll ein Exit Plan aussehen?

Darüber hat sich Paul Köllensperger konkrete Gedanken gemacht.

Der Landtagsabgeordnete plädiert für einen mehrstufigen Plan:

„Wir haben einen mehrstufigen Exit Plan entworfen, auch auf Basis der Erkenntnisse des deutschen Ethikrates, des IFO und der Arbeitsgruppe Public Health. Ich akzeptiere nicht, dass hier Gesundheit, Wirtschaft und Demokratie gegeneinander ausgespielt werden. Für alles muss und kann Platz sein, in einem ganzheitlichen Ansatz.

Ausgehen muss man dabei von einem einheitlichen Test- und Monitoring System mit Testkapazitäten, die so ausgebaut werden müssen, dass die meisten Kontaktpersonen von Infizierten innerhalb eines Tages gefunden werden. Und uns einen statistischen Schnitt gibt, um zu wissen wo wir mit der Infektion stehen, wie viele Menschen schon immunisiert sind.

Außerdem haben die Leute ein Recht zu wissen, ob sie die Krankheit haben oder hatten – und zumindest eine Zeitlang immun sind. So wie Südkorea es am Anfang der Krise so erfolgreich vorgemacht hat. Risikogruppen müssen weiterhin konsequent geschützt werden. Das Kontaktverbot bleibt bestehen, die Masken Pflicht ebenso. Doch die Quarantäne, der totale Lockdown der Gesellschaft samt unseren demokratischen Grundrechten muss jetzt ein Ende finden. Wir müssen uns eine Strategie zulegen, wie wir mit dem Virus zusammenleben können, bis es einen Impfstoff in ca. 12 Monaten geben wird.

Und da jedem klar sein sollte, dass der Lockdown bis dahin niemals bestehen bleiben kann, muss man damit JETZT anfangen. Und das öffentliche Leben, die Arbeitswelt, die Bewegungsfreiheit (vor allem der Kinder!) wieder hochfahren, samt einer schrittweisen Wiederöffnung von Schule und Kinderbetreuung (die mit dem Wiedereintritt in die Arbeit einhergehen muss). Dann ein Wachstumsprogramm aufsetzen, das nicht nur kreditbasiert ist, sondern ein echtes Konjunktur-Programm.

In Deutschland es gibt keine oder kaum Ausgangssperren, sondern lediglich ein Kontaktverbot. Doch die Familien und Kinder, alle jene die zu einem gemeinsamen Haushalt gehören, dürfen hinaus. Bei uns gibt es hingegen Hausarrest – und der kann offenbar gar nicht hart genug sein, viele Leute schreien sogar nach mehr und denunzieren den Nachbarn der endlich einmal Luft schnappen geht. Wohl ohne sich der Konsequenzen dieses Lockdowns völlig bewusst zu sein. Bozens Bürgermeister meint sogar besonders zu brillieren, indem er die Spaziergänge auf 200 Meter rund ums Haus beschränkt (obwohl das in eklatantem Widerspruch zum Distanzhalten steht…).

Dabei hat Italien – endlich, aber auch nicht anders zu erwarten nach einem Monat Quarantäne für alle – rückläufige Zahlen bei der Epidemie. Soweit man halt aus den täglich vorgekauten unzulänglichen Daten überhaupt etwas herauslesen kann. Einzig belastbare Daten sind die belegten Betten in den Intensivstationen, dort jedenfalls sind die Zahlen eindeutig rückläufig. Durch die Masken Pflicht und das Kontaktverbot sind Neuinfektionen eindeutig erschwert. Aber trotzdem will diese Regierung in Rom an einem Lockdown bis 3. Mai festhalten.

Mit dieser Art von panik-getriebenem Krisenmanagement riskiert sie, dass ab heute die wirklich schweren Schäden vielmehr durch ihre Maßnahmen als durch den Virus selbst entstehen. Durch den panischen Umgang und die Hysterie, welche offensichtlich über die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des „shutdowns“ hinwegsehen lässt. Doch die Umfragewerte geben Conte Recht – ich will nicht denken, dass er sich in seinem Handeln von Umfragen leiten lässt, aber eines ist klar: die harte Quarantäne für alle ist aus Sicht des Premiers die sicherste Entscheidung. Bei einer – mutigeren, möglichen und mittlerweile nötigen – Entscheidung für einer Lockerung würde ihm jeder Tote unter die Nase gerieben. So hingegen kann er sich bald als Retter der Nation feiern lassen, und mit eigener Liste zu den nächsten Wahlen antreten. Offenbar ist den Menschen „ein starker Führer in der Not“ wichtiger als die Freiheit. Auch das ist für mich ein Anlass zu großer Sorge.

Wenn die italienische Regierung nicht bald reagiert, wird ein Scherbenhaufen hinten bleiben. Jede weitere Woche ist eine Hypothek auf unsere Zukunft.

Italien hat am Anfang der Krise zu spät reagiert, falsche Entscheidungen getroffen, und durch nachlässiges Testen es versäumt, die Infektion am Anfang einzudämmen. Man hat den Patienten 1 nie gefunden. Nun reagiert man schon wieder zu spät, indem man die Versäumnisse des Anfangs versucht in panischer Übertreibung wett zu machen, was natürlich nicht funktioniert, aber uns teuer zu stehen kommen wird. Und das zu Tode gesparte Gesundheitssystem wird morgen auch nicht besser, wenn Italien nun in eine Rezession schlittert und die Steuereinnahmen ausfallen.
Während Österreich und sogar Spanien (!) wieder langsam hochfahren, verharrt Italien in seiner Schockstarre. Und versäumt es gleichzeitig, in sträflicher Manier, den Familien und den zwangs-geschlossenen Betrieben ausreichend zu helfen. Die römische Bürokratie und ein obsoleter, schwerfälliger Staatsapparat machen den Rest. Man siehe nur die Auszahlungen der CIG / Lohnausgleichskasse. Oder das INPS Desaster. Ein mir bekannter Unternehmer aus Deutschland hat mir vor 2 Tagen geschrieben: am Freitag per online Formular Anfrage auf Kapital Beitrag gestellt, am Dienstag 15.000 Euro auf dem Konto.

Wir sollten in Südtirol unsere Stimme erheben. Wir zahlen heuer weiterhin 476 Mio. an Rom aus dem Finanzabkommen, aber die Steuereinnahmen werden dramatisch einbrechen. Unsere Betriebe sind weiterhin gezwungen geschlossen zu bleiben, als „Gegenleistung“ des Staates dürfen sie sich nun für ca. 400 Mrd. Euro privat verschulden (großzügigerweise vom Staat garantiert), samt Zinsen (ob derer man bei einer 100% staatlichen Garantie nur den Kopf schütteln kann), und als Dankeschön oben drauf gibt es dann gleich nach der Krise so gut wie sicher neue und höhere Steuern, weil der Staat dringend Geld brauchen wird – und Europa zuschaut wie Italien den Bach hinunter geht. Die deutschen Unternehmen werden morgen auf billige Shopping Tour in Italien gehen können. Und die Menschen dürfen sich über noch weniger Kaufkraft freuen, wenn die wohl unausweichliche MwSt.- Erhöhung kommt, vielleicht noch mit ein paar anderen neuen Steuern. Aber davon redet Conte nicht. Andrà tutto bene? Wohl kaum. Noch kann das schlimmste vermieden werden, aber es ist höchste Zeit zu reagieren.“

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