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Allein im Kreißsaal

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Marina Frey hat vergangene Woche ihr Kind zur Welt gebracht. Im Interview berichtet sie über die Ängste, die sie wegen dem Coronavirus hatte und warum sie letztendlich dennoch froh war, die Geburt, ohne ihren Mann zu erleben.

Tageszeitung: Frau Frey, wie fühlt sich eine frischgebackene Mutter?

Marina Frey: Ich fühle mich großartig. Meine Tochter Carlotta schläft bereits jetzt vier Stunden am Tag durch. Das habe ich insbesondere der guten Beratung im Krankenhaus zu verdanken. Sie haben sich sehr viele Gedanken gemacht und uns viele Tipps gegeben.  Durch die Quarantäne kann mein Mann jetzt auch sehr viele emotionale Momente miterleben. Er kann sich einbringen. Das wäre so nicht möglich.

Sie haben Ihr Kind am 27. März zur Welt gebracht, mussten also ohne Ihren Mann die Geburt erleben. Für viele werdende Mütter ist das ein Horrorszenario. Ging es Ihnen in den Tagen vor der Geburt ähnlich?

Ja, durchaus. Carlotta ist unser erstes Kind. Es stand bereits Tage zuvor fest, dass mein Mann bei der Geburt nicht mit dabei sein wird.  Zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich das allein schaffen werde, ich hatte keine Ahnung was mich erwartet. Wir haben uns so sehr über dieses Erlebnis gefreut, weil wir elf Jahre lang darauf gewartet haben. Durch eine künstliche Befruchtung bin ich schwanger geworden. Mein Mann war die ganze Zeit über an meiner Seite, einige Dinge hat er sogar besser verstanden als ich. Für uns war es also auch selbstverständlich, dass er bei der Geburt mit dabei sein wird. Mir war klar, dass alles gut werden wird, solange er dabei ist. Ich konnte aber nichts anderes tun, als mich mit dem Gedanken abzufinden. Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto weniger Angst hatte ich.

Warum?

Das wichtigste ist ohnehin, dass es dem Kind gut geht. Ich als Mutter bin ohnehin bei der Geburt dabei. Ich habe realisiert, dass ich die Geburt so gestalten kann, wie ich es will. Ich kann mich voll und ganz auf mich konzentrieren. Am 23. März hatte ich dann den Geburtstermin, bei der Visite haben wir dann aber beschlossen, die Geburt später einzuleiten.

Wann wurde die Geburt eingeleitet?

Die Geburt wurde am 26. März im Krankenhaus Bruneck eingeleitet. Die Ärztin hat auf die Gefahr einer Infektion hingewiesen. Ich hätte auch nur eine Erkältung bekommen können, ohne zu wissen, ob es sich um den Virus handelt. Für mich war das aber ohnehin kein Problem, mir war es nur recht.

Hatten Sie Angst, sich im Krankenhaus mit dem Coronavirus zu infizieren?

Gewisse Bedenken hatte ich schon, deshalb war auch das Verständnis für die Maßnahmen größer. Es erschien mir nur richtig, dass mein Mann nicht dabei sein durfte. Ich habe sofort gesehen, dass alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Wir waren zu zweit auf dem Zimmer und mussten wie das Personal immer Mundschutz tragen. Daran haben wir uns aber schnell gewöhnt.  Dadurch habe ich mich sehr sicher gefühlt.

Wie kamen Sie im Krankenhaus zu Recht?

Die Betreuung im Krankenhaus war ideal. Ich hatte ständig jemanden um mich. Ich hatte immer eine Person, die sich nur um mich gekümmert hat. Ich konnte auf das Zimmer gehen, ich hätte aber auch in den Kreißsaal gehen, wenn es irgendein Problem gegeben hätte. Ich habe mich die ganze Zeit über sicher gefühlt. Für mich war es überhaupt kein Problem ohne Mann im Krankenhaus zu sein. Ich wurde nahezu verwöhnt. Die Hebamme ist voll auf meine Bedürfnisse eingegangen, ich glaube, mein Mann hätte das nicht so machen können. Ich hatte von allen Seiten eine herzliche Betreuung. Ich wurde beruhigt, mir wurde geholfen und man ist auf meine Wünsche eingegangen.

Wie verlief die Geburt an sich?

Ich habe zu diesem Zeitpunkt eine andere Hebamme bekommen, die mir ebenfalls viel Selbstvertrauen gegeben hat. Kurz bevor ich in den Kreißsaal kam, hatte ich nochmals sehr viel Angst. Die Hebamme hat mich aber immer wieder beruhigt und so konnte ich mich nur auf mich konzentrieren. Die Hebamme hat mir viel Ruhe und Liebe für die Situation gegeben.

Hätte es die Möglichkeit gegeben, mit Ihrem Mann zu sprechen?

Ja, ich hätte sogar mit meinem Mann videochatten können, wenn ich das gewollt hätte, wollte das aber nicht. Ich hatte das Gefühl, einzigartig zu sein. Man hatte trotz der Situation im Krankenhaus und der Ängste ständig ein Gefühl von Sicherheit.

Wie lange mussten Sie nach der Geburt im Krankenhaus bleiben?

Wir hätten eigentlich bald wieder nach Hause gehen dürfen, allerdings hat Carlotta so viel abgenommen, dass wir letztendlich doch noch im Krankenhaus bleiben mussten. Zu diesem Zeitpunkt war ich komplett fertig. Ich wollte unbedingt nach Hause, wollte zu meinem Mann, der das Kind zum ersten Mal in den Arm nehmen sollte. Aber auch in diesem Moment war das Personal unglaublich einfühlsam. Sie haben viel Verständnis gezeigt, mich aber zeitgleich beruhigt. Letztendlich konnten wir dann aber am Montag nach Hause gehen.

Sie durften die gesamte Zeit über keinen Besuch empfangen. Wie haben Sie mit Ihrer Familie und Ihren Freunden kommuniziert?

Wir haben über Whatsapp gesprochen. Mit meinem Mann habe ich zwei, drei Mal pro Tag gesprochen. Auch das war irgendwie interessant. An Freunde und Familie habe ich Fotos geschickt. Ich habe über 200 Nachrichten bekommen, auch von Leuten, mit denen ich weniger Kontakt habe. Viele Leute haben an mich gedacht und sich Sorgen gemacht. Ich habe mich wirklich sehr sicher gefühlt.

Marina Frey und ihre Tochter Carlotta

Wie hat ihr Mann die Zeit erlebt?
Natürlich tut es mir leid, dass mein Mann, die Emotionen, die man bei einer Geburt erlebt, nicht miterleben konnte. Er sagte mir aber, dass das einzige was zählt ist, dass das Kind gesund ist und es mir gut geht.

Auch jetzt dürfen Sie keinen Besuch empfangen. Wie kommen Sie damit zu Recht?

Auch hier helfen mir die sozialen Medien. Ich komme auf Ideen, die ich eigentlich nie hätte. Ich habe meinen Freunden beispielsweise ein Video geschickt, bei dem ich in der Wohnung „einkaufe“. Das sind Dinge, die ich ohne das Virus nie machen würde.

Rückblickend war es also nicht schlimm, dass sie bei der Geburt allein waren?

Nein, und das möchte ich auch den anderen werdenden Müttern unbedingt mit auf dem Weg geben. Die werdenden Mütter sollen sich nicht durch die Angst vor Corona in die Knie zwingen lassen. Die Geburt bleibt auch in dieser Zeit etwas Einzigartiges. Dieses Gefühl erhält man auch in der Krisenzeit im Krankenhaus. Man kann sich auf das Personal echt verlassen. Ich hoffe auch, dass die Krise jetzt bewirkt, dass soziale Berufe, insbesondere jene in den Krankenhäusern mehr geschätzt und von der Politik mehr gefördert werden. Das Personal muss immer 100 Prozent geben. Das sollte auch dementsprechend honoriert werden.

Interview: Markus Rufin

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