„An ein Ende ist nicht zu denken“
Die Barbianer Band „Stunde Null“ hat in der Quarantäne einen Song zur Quarantäne und darüber hinaus geschrieben: „Dieses Leben schreibt Geschichte“
Tageszeitung: Die Coronakrise ist ein geschichtsträchtiger Moment und Ihr habt gleich den Song dazu geschrieben. Ist „Dieses Leben schreibt Geschichte“ in der Quarantäne entstanden?
Stunde Null: Wir müssen ehrlich zugeben, vor einem Monat haben wir das Virus selber noch belächelt und es nicht ernst genommen. Als wir dann plötzlich beim Essen nicht mehr an einem Tisch sitzen durften, sich jeder aus dem Weg ging, plötzlich Läden schlossen und das gesamte gesellschaftliche Leben lahmgelegt wurde, bekam das alles für uns erst mal eine lähmende und schockierende Wirkung. Mit diesem Gefühl im Bauch mussten wir etwas schreiben und die verordnete Quarantäne gab uns die Zeit, das größte Projekt unserer Laufbahn zu starten. Die Arbeit gestaltete sich recht schwierig, da wir nur über FaceTime kommunizieren konnten und jeder seinen Part zu Hause aufnehmen musste, doch Gott sei Dank macht die Technik das möglich.
Wie findet man in so einer Situation die richtigen Worte?
Wahrscheinlich findet hier keiner die richtigen Worte, jedenfalls nicht für jeden, doch wir schrieben einfach unsere Gedanken nieder. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir auch diese Krise gemeinsam überstehen und hoffentlich bedachter und mit mehr Wertschätzung daraus hervor gehen.
Musikgrößen wie Chris Martin von Coldplay, Gianna Nannini oder John Legend verlagern ihre Konzerte ins Wohnzimmer. Wie verbringt ihr die Zeit in der Quarantäne?
Wie gesagt, die Zeit in Quarantäne bringt Zeit für Muse und so haben wir uns entschlossen unser neues Album zu produzieren. Zudem verbringen wir viel Zeit mit unseren Familien und genießen diese Zeit des Austauschs. Jeder hat Zeit zuzuhören, es gibt Spielabende und „Partys mit den Eltern“. Natürlich immer in den eigenen vier Wänden. Wer hätte sich so was vor einem Monat gedacht? Also wir nicht. 🙂
Normalerweise hetzen Band von Auftritt zu Auftritt. Ist die Corona-bedingte Entschleunigung die Gelegenheit mal in aller Ruhe kreativ zu sein?
Natürlich ist es auch für uns tragisch, denn zur Zeit kommen nur noch Absagen und keine neuen Anfragen ins Haus, aber wir machen das Beste daraus. Alles wurde entschleunigt, das Telefon klingelt nicht im 5 Minuten-Takt und so arbeiten wir mit viel mehr Liebe zum Detail an einzelnen Takten. 🙂
Habt ihr das Gefühl, dass mit der Corona-Pandemie quasi eine neue Zeitrechnung beginnt? Ändert sich alles? Und wenn ja, wie? Zum Guten oder zum Schlechten?
Unser Name steht symbolisch für diese Zeit. Tausend Wege, tausend Lichter, doch keiner weiß, wohin sie führen. Wir für unseren Teil haben bemerkt, dass wir durch die aktuelle Situation das Leben bewusster wahrnehmen und dankbarer sind. Es wird für viele eine harte Zeit, nicht nur gesundheitlich, sondern psychisch und finanziell und wir hoffen, dass wir in dieser Zeit vielleicht wieder einen Schritt zurück gehen, regionale Produkte schätzen, lieber im kleinen Laden in der Stadt einkaufen als online beim Großkonzern und so gemeinsam auch diese Zeit überstehen.
Der Song ist ein sehr melodischer Appell an den Zusammenhalt und die Menschlichkeit. Habt ihr das Gefühl, dass die Menschen jetzt mehr zusammenhalten?
Im Allgemeinen scheint es so, jedoch können wir das nicht beantworten. Wir selber spüren einen stärkeren Zusammenhalt, sei es zu Hause aber auch unter uns, obwohl wir uns nicht sehen. Der Mensch wächst an seinen Herausforderung und jede Krise bringt auch neue Chancen.
Mit Tracy Merano, Martin Perkmann, Philipp Burger, Matthias Rabensteiner, Philipp Trojer, Nicole Uibo und Andrea Rabensteiner habt ihr zahlreiche Gastsänger in das Projekt miteinbezogen. Habt ihr dabei an an Lionel Richies „We are the World“, gedacht der momentan eine Neuauflage seines Songs plant?
„We are the world“ ist ein unglaublich schönes Projekt und ein Song, der Generationen überdauert. Beim Songwriting haben wir nicht daran gedacht, als es dann zur Umsetzung des Videos kam, haben wir uns dieses Meisterwerk sicher 100 mal angeschaut, um uns zu inspirieren. Es kam dann doch ganz anders, aber sicherlich hat er zur Entstehung beigetragen.
Stunde Null hat vor Jahren selbst einmal eine Stunde Null durchlebt. Die Band war am Ende. Was ist damals passiert?
Wir hatten bereits vor Stunde Null eine Band die auch relativ erfolgreich war, doch wir gingen alle in verschiedene Richtungen, als wir uns dann noch von unserem Sänger trennen mussten war die Luft komplett raus. Ratlos und ohne Plan setzten wir uns an einen Tisch und beratschlagten bis spät in die Nacht wie es weiter gehen soll. Jeder hatte Lust was Neues zu starten, ganz von vorne und trotzdem erbaut durch die Erfahrungen, die wir gesammelt hatten. Als die Augen dann ganz klein waren – und das Bier alle (lacht) – entschieden wir uns für unsere Stunde Null. Der Name kam dann später, aber die Idee war geboren.
Der Bandname soll ausdrücken, dass eine Stunde Null auch ihr Gutes hat, wenn man nicht resigniert. Ihr seid das lebende Beispiel dafür.
Ja genau, dieses Leben schreibt Geschichte und auch wenn vieles auf den ersten Blick nur negative Seiten hat, kann man bei genauem Betrachten von allem was mitnehmen und wird dadurch stärker.
Euer Debütalbum „Vom Schatten ins Licht“ schaffte es gleich in die Top 100 der deutschen Albumcharts, das Nachfolgealbum „Alles voller Welt“ auf Platz 17. Das Konzertleben steht aber momentan still. Habt ihr schon Absagen zu verkraften?
Die aktuelle Situation macht es auch uns nicht einfach. Wir bekommen wie gesagt im Moment nur Absagen und es kommen keine neuen Festivals dazu, wir hoffen das ändert sich bald wieder und vielleicht freuen sich die Leute dann umso mehr auf diese Festivals. Wir tun es und freuen uns schon auf die Festivals, die dann hoffentlich im Sommer stattfinden. Auch auf die heimischen, die wir in diesem Jahr wieder als Gäste besuchen werden.
Viele Bands fürchten durch die Zwangspause um ihre Existenz. Müssen wir uns Sorgen um „Stunde Null“ machen?
Das Jahr 2020 wäre konzerttechnisch für uns ohnehin viel ruhiger geben als die letzten Jahre, also trifft es uns finanziell wahrscheinlich nicht so hart wie andere, aber natürlich haben auch wir mit diesen Konzerten gerechnet und müssen für uns erst feststellen wie hart es uns trifft. An ein Ende ist aber nicht zu denken. Wir arbeiten an unserem neuen Album, welches wir jetzt schon lieben. Eigentlich wollten wir uns bedeckt halten, aber wahrscheinlich wird es früher als geplant neues Material geben. Wir nutzen diese Zeit als Chance und hoffen, dass es uns viele so nachmachen.
Interview: Heinrich Schwazer
Link zum Video: https://youtu.be/g2slUUywwtM
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