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Am Hungertuch?

In Südtirol wird ein großer Ansturm auf die Lohnausgleichskasse erwartet. Doch werden die Geldmittel ausreichen? Und wie soll man in Südtirol mit 1.000 bis 1.200 Euro brutto leben?

Tageszeitung: Herr Landesrat, der Staat hat Südtirol für die Lohnausgleichskasse jetzt 14 Millionen Euro zugewiesen. Ist das vorerst ausreichend?

Philipp Achammer: Es handelt sich um die erste Tranche, bei der wir im Vergleich zum Trentino aber nicht schlecht ausgestiegen sind. Das ist fürs Erste positiv. Insgesamt sind für den Lohnausgleich national fünf Milliarden Euro zugesagt worden. Jetzt werden 1,3 Milliarden ausgezahlt. Wir werden bei den nächsten Tranchen sicher noch mehr berücksichtigt werden.

Wer hat nun Anspruch auf diese Geldmittel?

Falls ein Betrieb schon in einen Fonds eingezahlt hat, wird der Lohnausgleich über diesen ausgezahlt. Für jene, die keine Einzahlungen getätigt haben, gibt es einen Rettungsschirm über den außerordentlichen Lohnausgleich, der alle auffängt – unabhängig vom Sektor und der Betriebsgröße. Das wird in Südtirol über den lokalen Solidaritätsfonds abgewickelt. Dieser erhält die zugewiesenen 14 Millionen Euro.

Betriebe ab fünf Mitarbeitern sind bereits über den lokalen Solidaritätsfonds abgedeckt. Reicht für sie das Geld?

Wir werden als Land für den lokalen Solidaritätsfonds bürgen. Das heißt: Wenn die Mittel nicht ausreichen, werden wir ihn sicherlich zusätzlich speisen. Ich kann zusichern: Die Diskussion, ob genügend Geld drin ist, wird nicht kommen! Wir brauchen die Zuwendung des Staates, aber es wird auch eine zusätzliche Zuwendung des Landes geben.

Wie viele Betriebe haben schon für Lohnausgleich angesucht bzw. mit welchem Ansturm rechnet man?

Im Moment erkundigen sich die Betriebe erst, weil noch nicht gänzlich Klarheit besteht. Wir arbeiten intensiv daran. Es ist schon damit zu rechnen, dass der Ansturm relativ groß sein wird. Denn in vielen Sektoren haben Betriebe keine Einnahmen, müssen aber trotzdem laufende Kosten schultern und versuchen deshalb, die Lohnkosten zu reduzieren. Das ist absolut verständlich. Und Lohnausgleich ist für viele überhaupt die einzige Möglichkeit. Der Ansturm wird sicher groß sein, aber ich wage keine Schätzung.

Woher will das Land das Geld für eine zusätzliche Finanzierung nehmen, wenn die Steuereinnahmen sinken?

Wir werden das innerhalb der Landesregierung klären, aber das Land muss sicherlich für verschiedene notwendige Maßnahmen zusätzliches Geld in die Hand nehmen.

Das Land denkt auch an Vorschüsse, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer monatelang auf den Lohnausgleich warten müssen…

Daran arbeiten wir intensiv. Laut ersten Ankündigungen sollen die Prozeduren sehr vereinfacht und deshalb zügig abgewickelt werden können. Sollte dem aber nicht so sein, müssen wir auf jeden Fall gewährleisten, dass diejenigen, die in den Lohnausgleich kommen, die Mittel schnell kriegen. Denn wir können niemandem zumuten, auch noch Monate auf das Geld warten zu müssen. Ich bin beauftragt, Alternativen zu finden – auch Vorschussregelungen, wo anschließend kompensiert werden kann.

Der Lohnausgleich macht rund 1.000 bis 1.200 Euro brutto im Monat aus. Wie soll man damit in Südtirol leben?

Das ist absolut verständlich. Alle sind in eine schwierige Situation versetzt worden. Wir versuchen so gut es geht, Kosten zu senken und Zahlungen zu verschieben, damit die Familien nicht auch noch durch alles andere belastet werden. Mir ist völlig bewusst, dass viele mit dem Geld aus dem Lohnausgleich in eine schwierige Situation versetzt werden.

Müsste man das System nicht grundsätzlich ändern und den Lohnausgleich an die Lebenshaltungskosten anpassen? 1.000 Euro sind in Süditalien ja etwas anderes als in Südtirol…

In einer sehr guten wirtschaftlichen Situation, in der wir uns befunden haben, hat man mit so einer unmittelbaren Krisensituation vielleicht leider zu wenig gerechnet. Das heißt: Wir brauchen für die Zukunft sicher territoriale Abfederungsmaßnahmen. Das sollte die Lehre aus der ganzen Situation sein. Aber jetzt müssen wir unmittelbar Antworten geben. Daran arbeiten wir.

Interview: Heinrich Schwarz

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