Keine Fußfesseln
Wurde Barbara Rauch vor ihrem Stalker nicht gut genug geschützt? Rechtsanwältin Julia Unterberger erklärt, welche Gewaltschutzmaßnahmen es gibt, warum Fußfesseln kaum eingesetzt werden und was der neue „Codice rosso“ vorsieht.
von Lisi Lang
Dass Barbara Rauch von ihrem Stalker trotz mehrere Anzeigen und sogar einem Näherungsverbot (welches mittlerweile nicht mehr aufrecht war) getötet wurde, sorgt in Südtirol für Unverständnis und Verärgerung. Wie kann das passieren? Sind die Gesetze nicht streng genug? Oder hat die Justiz versagt?
„Grundsätzlich kann jemand nur inhaftiert werden, wenn er verurteilt wurde“, schickt die Senatorin und Frauenrechtlerin Julia Unterberger voraus. „Aber wenn schwerwiegende Schuldindizien und Wiederholungsgefahr bestehen, dann können gewisse vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden.“ Diese reichen von einem Näherungsverbot über den Hausarrest bis zur Untersuchungshaft. „Beim Stalking wird ein mutmaßlicher Täter erst verwarnt und dann werden Gewaltschutzmaßnahmen eingeleitet“, erklärt Julia Unterberger.
Die Senatorin weiß aber auch, dass es für die Justiz nicht immer einfach ist, Entscheidungen zu treffen. „Es gibt extrem viele Fälle von Bedrohungen, Stalking und Misshandlungen in der Familie – es ist dann oft schwierig einzustufen, wer wirklich gefährlich ist und weggesperrt werden müsste“, erläutert die Rechtsanwältin. Zudem könne man nicht a priori alle Stalker einsperren.
Das Gericht geht daher meist graduell vor: „In diesem aktuellen Fall wurde ein Näherungsverbot ausgesprochen, aber da sich der Mann während dieser Zeit scheinbar gut verhalten hat, wurde es wieder aufgehoben“, so Julia Unterberger.
Die Rechtsanwältin möchte aber auch unterstreichen, dass die Aufrechterhaltung dieses Näherungsverbotes die Tat nicht unbedingt hätte verhindern können. „Wenn jemand die kriminelle Energie hat, jemanden zu erstechen, dann hätte er sich wahrscheinlich auch nicht an das Näherungsverbot gehalten“, meint Unterberger. „Diese Person hätte man – im Nachhinein betrachtet – in Untersuchungshaft nehmen oder mit einer Fußfessel ausstatten müssen.“
Hier stehen wir aber bereits vor dem nächsten Problem. Das erste Sicherheitsdekret des ehemaligen Innenministers Matteo Salvini sieht zwar die theoretische Möglichkeit vor, dass Fußfesseln eingesetzt werden können, praktisch wurde diese Bestimmung in Italien aber kaum umgesetzt – „es gibt nach wie vor fast keine Fußfesseln in ganz Italien“, kritisiert die Senatorin.
Zudem spricht man bei Gewaltschutzmaßnahmen immer von Maßnahmen auf Zeit. „Es handelt sich hierbei um Vorbeugemaßnahmen, die im Normalfall aufrecht bleiben, bis es ein Urteil gibt – allerdings kann die Situation auch neu bewertet und die Vorbeugemaßnahmen gelockert werden“, weiß Unterberger.
Aus Erfahrung kann die Rechtsanwältin aber auch sagen, dass in letzter Zeit, aufgrund der vielen Frauenmorde, Gewaltschutzmaßnahmen, sofern diese beantragt werden, relativ rasch verhängt werden. Zudem sieht der neue „Codice rosso“ vor, dass Opfer von Gewalt eine Vorzugsschiene erhalten. „Die Opfer müssten nach einer Anzeige innerhalb von drei Tagen von der Staatsanwaltschaft angehört werden“, erläutert die Senatorin.
Im Fall von Barbara Rauch ist der „Codice rosso“ allerdings nicht zur Anwendung gekommen, da die Anzeige vor der Einführung des neuen Gesetzes (der „Codice rosso“ ist im August 2019 in Kraft getreten) hinterlegt wurde. Im Mai 2020 hätte die Vorverhandlung stattfinden sollen.
Die Rechtsanwältin appelliert aber auch an die Gesellschaft: „Sicher braucht es strengere Gesetze, aber es muss auch in der Gesellschaft ein Umdenken stattfinden: Warum bringen nach wie vor Männer Frauen um, Frauen aber fast nie Männer? Die Rollenbilder müssen stärker hinterfragt und das Männerbild bereits im Kleinkindalter anders übermittelt werden“, unterstreicht Julia Unterberger.
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Kommentare (5)
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exodus
@emma Ihre Ironie ist fehl am Platz. Es wäre an der Zeit etwas Hirn einzuschalten!!