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„Wir haben wenige Tage Zeit“

Markus Falk

Der aus Bruneck stammende Biostatistiker Markus Falk zeichnet ein besorgniserregendes Szenario: Falls es nicht gelingt, die Übertragungswege des Coronavirus für mindestens zwei Wochen zu unterbrechen, könnte die Zahl der Infizierten dramatisch ansteigen – auch in Südtirol.

von Artur Oberhofer

Markus Falk bringt die Ist-Situation sehr plakativ auf den Punkt: „Wichtig wäre, dass den Leuten nahe gebracht wird, dass es nun tatsächlich um die Wurst geht und somit jeder gefordert ist.“

Auch er selbst, sagt der aus Bruneck stammende Biostatistiker, sei der Meinung gewesen, dass die Aussagen des Sanitätsbetriebes, wonach man gegen das Coronavirus gerüstet sei, stimmen würden. „Mir war klar, dass sich ein Gewitter zusammenbraut, ich wusste dass es stark regnen wird, aber ich dachte, dass das Dach locker für alle reichen würde.“

Dem sei aber definitiv nicht mehr so. „ Nachdem sich in den letzten Tagen in Norditalien die Zahl jener vervielfacht hat, die ein Intensivbett benötigen, war klar, dass das Dach bei weitem nicht ausreichend sein wird“, sagt Markus Falk. „Die einzige Chance, die man derzeit noch hat, um von den Risikogruppen Schaden abzuwenden, und nur um diese geht es nach wie vor, ist der nun versuchte Reset, indem man die Übertragungswege für mindestens zwei Wochen unterbricht.“

Italien, so Falk, wolle derEpidemie nun Einhalt gebieten, und zwar mit Mitteln aus dem Mittelalter. Das sei gut so. Denn Alternativen zur Quarantäne gebe es keine mehr, so Falk.

Es gehe jetzt schlichtweg darum, Zeit zu gewinnen, da das Gesundheitssystem früher als erwartet in die Knie gegangen sei. „Die Aussage, die man auch in Südtirol seitens der Gesundheitsbetriebe oft hörte, dass man gut vorbereitet sei, war eine komplette Fehleinschätzung, denn diese laufen bereits jetzt auf Überlast (Wartezeiten) und halten keine Zusatzlast aus, wie sich nun zeigt. Wieso hat China in einer Woche ein neues Krankenhaus gebaut?“, fragt der Biostatistiker.

Man habe endlich erkannt, dass ein exponentielles Wachstum innerhalb von Wochen tödlich ist.

Markus Falk kleidet das beklemmende Phänomen Coronavirus in Zahlen:

„Ausgehend von 10.000 Infizierten – dies entspricht (Stand: Mitte der Woche, Anm. d. R.)  in etwa dem aktuellen Stand der insgesamt bisher gemeldeten Fälle – kann man bei sofortiger Isolation (#iostoacasa) die Anzahl der künftig Neuerkrankten in Abhängigkeit von R0 berechnen.

Ist die Basisreproduktionszahl R0 gleich 1.3, wie dies derzeit aus den Meldedaten hervorgeht, dann würde man in 3-4 Tagen ein Maximum von 15.000 Infizierten erreichen mit einer anschließenden raschen Abnahme, sodass nach insgesamt 2 Wochen die Lage unter Kontrolle wäre, vorausgesetzt die Isolation klappt.

Bei R0 = 2 wird eine Spitze von 90.000 Infizierten in einer Woche erreicht und bei R0=3 (wie publiziert) wären es gar 3 Millionen in zwei Wochen. Diese Zahlen waren von Anfang an klar. Neu ist, dass unsere Gesundheitssysteme keine Zusatzlast aushalten und dies war die gravierende Fehleinschätzung, auch von mir!

Man sieht also, dass Gefahr in Verzug ist und deshalb diese drastische Maßnahme. Leider ist alles weder durchdacht noch ausgereift. Aus diesem Grund werden wir nun improvisieren müssen.“

Wenn nun ganz Italien zur Sperrzone geworden ist (und die Maßnahmen noch weiter verschärft werden), dann – so Falk – sei dies kein Übereifer mehr, auch keine Idiotie, sondern die pure Flucht nach vorne.

Markus Falk macht ein weiteres eindrucksvolles „Zahlenspiel“:

„Sämtliche Versuche, das Virus aufzuhalten, waren bislang erfolglos. Auch die Abschottung selbst zeigte in den betroffenen Gemeinden keine Wirkung. Ausgehend von den Fällen zu Anfang dieser Woche habe ich eine Prognose für die Anzahl der Fälle für die nächste Woche erstellt. 
Wenn die Entwicklung so fortfährt wie bisher, dann müsste man allein für die nächste Woche mit mindestens 20.000 neuen Fällen rechnen und eine Gesamtzahl von bis zu 50.000 Erkrankten wäre nicht abwegig, sondern mehr als realistisch. Allein für die Lombardei wären dann eine weitere Woche später bereits mehrere hunderttausend Fälle zu erwarten.

Was die Regierung weiß, wir aber nicht wissen, ist, wie es um das Gesundheitssystem nun tatsächlich bestellt ist.

Die Lombardei ist bereits auf den Knien.

Die befürchtete Anzahl von 50.000 COVID-Fällen in einer Woche würde Italien in das Chaos stürzen und vermutlich deshalb nun die Notbremse, denn so bescheuert kann keine Regierung der Welt sein.

Man hofft, dass die Italiener zuhause bleiben, sich hierdurch die Übertragungswege unterbrechen und damit die weitere Verbreitung des Virus gestoppt werden kann. Dies kann sogar gelingen, wenn tatsächlich alle mitmachen würden. 

Man gewinnt hierdurch aber höchstens etwas Zeit, denn das Virus ist bald über die Hintertüre wieder zurück. Erst wenn der Großteil immun ist, vermutlich reichen zwei Drittel der Bevölkerung hierfür, dann wird auch Italien wieder Ruhe haben.“

Stellt sich die Frage: Was bedeutet dies nun für Südtirol?

Markus Falk hat eine Modellrechnung angestellt, schickt aber voraus, dass „niemand heute sagen kann, wie viele Personen in Südtirol schlussendlich erkranken werden“.

Allerdings:
Nehme man eine homogene Durchseuchung von 50 Prozent an, dies besagt, dass alle Altersgruppen gleichermaßen infiziert werden, dann seien – so der Biostatistiker – unter der Anwendung der Raten vom ISS [1] fast 27.000 Erkrankungs- und 770 Todesfälle allein in Südtirol zu erwarten.

„Keiner wird heute sagen können, ob es sich tatsächlich so realisieren wird und über welchen Zeitraum wir sprechen werden. Die Zahlen seien aber Warnung genug!“, so Falk, außerdem habe Südtirol noch ausreichend Zeit, sich vorzubereiten. „Zeit darf aber keine mehr vergeudet werden.“

Was rät der Markus Falk der Bevölkerung und den Verantwortlichen in Südtirol?

Markus Falk:

„Gefragt ist jetzt Zusammenhalt, sich gegenseitig zu unterstützen und mit äußerster Disziplin auf Abstand zu bleiben. D.h. die Kontakte auf ein Minium herunterfahren. Das Wichtigste ist aber die Sachlage nicht zu unterschätzen, einen klaren Kopf zu behalten und den Mut nicht zu verlieren.

Was gilt es nun aber zunächst zu tun?

1) Bleiben Sie zuhause, und zwar ab sofort!

2) Gesunde haben gar nichts zu befürchten, und dies gilt für Erwachsene wie für Kinder. Gesunde müssen sich somit vor einer Ansteckung gar nicht fürchten.

3) Bei engem Kontakt beträgt das Ansteckungsrisiko 30% und sonst nur 1%. Aus diesem Grund können all jene, die benötigt werden, weiterhin eingesetzt werden. Der Rest sollte hingegen zuhause bleiben.

4) Man muss sich nun auf Gemeindeebene organisieren und dies liegt in der Hand der Bürgermeisterinnen. Welche Betriebe müssen noch offenhalten, welche sollen zusperren? Wer bleibt zuhause und wer wird für die Versorgung benötigt, z.B. auch für die Versorgung der Risikogruppen.

5) Je schneller wir alles umsetzen, desto besser und wir haben etwa drei Tage Zeit alles vorzubereiten.

Und hier noch eine aktualisierte BERECHNUNG von Markus Falk:

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (42)

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  • criticus

    Ja, leider hat man die Sanität schon vor Jahren totgespart. Oder, wie sehen Sie das Frau Stocker? Und die Politiker, die damals auch fleißig dafür waren, rühmen sich mit dem Schild „Südtirol hält zusammen“.
    Auf einmal sind die solidarisch mit den Sanitätsangestellten!
    Zum Kotzen! Wendehals nennt man so was!
    Die Tapferen von damals waren die Innicher und besonders die Sterzinger mit ihrem Bürgermeister Fritz Karl Messner, die für ihre Krankenhäuser auf die Straße gegangen sind.
    Herr Schuler, auch Sie haben damals für den Krankenhausabbau gestimmt, und bitte bereiten Sie sich das nächste Mal bei Anrufbeantwortungen in einer Rai-Sendung besser vor. Hoffentlich schätzt man die Sanität nach diesen „Corona-Virus“ mehr.

    • steve

      @criticus so ein Blentn: was hat das hier mit Geburtenstationen zu tun? Gespart wurde nicht es gibt zu wenig Personal! Traurig wenn man diese Krise für andere Zwecke missbraucht…

      • criticus

        @steve
        bevor Sie aggressiv antworten, informieren Sie sich bitte vorher. Es waren nicht nur die Geburtsstationen sondern auch Unfallstation und der Bettenabbau. Bruneck und Brixen sind ja nicht weit weg, sagte man damals. Und wenn Sie in einem Krankenhaus Abteilungen schließen, dann bleiben Ärzte auch weg. Personalmangel gab es damals noch nicht wie heute. Im Gegenteil, ich kenne Sanitätspersonal, die damals in die Schweiz gegangen sind, weil man mit hier nur Monatsverträge für sie hatte. Aber es ist immer so, bei den Wasserköpfen nach oben hat man nie gespart, bei den Arbeitern unten schon.

  • criticus

    @gestiefelterkater,
    so kann man es auch sehen.
    Warum hat Italien in diesen Tagen so viele Tote zu beklagen? Man hat die Sanität seit Jahren als „notwendiges Übel“ gesehen und gespart wo es ging. Nicht der Virus ist in Italien aggressiver, es fehlen der Sanität die Mittel. Sicherlich ist diese Grippewelle für jeden Staat und Sanität eine Herausforderung. Die Politiker Italiens bekommen jetzt die Quittung ihrer besonderen Unfähigkeit. Man hat die Sanität totgespart!
    Der Biostatistiker Markus Falk hat recht. Wir müssen die Anordnungen zu Hause zu bleiben einfach strikt befolgen. Nur so bekommen wir diese Situation in Griff.

  • george

    Jetzt fallen sie sich wieder um den Hals, diese Herren „criticusse“ und übertragen das COVID-19 Virus anderen, anstatt selber auch aktiv mitzuarbeiten und zumindestens positive Gedanken zu entwickeln. Nein, sie kritisieren alles und alle, die an vorderster Front hier handeln müssen, nur nicht sich selber stehen sie kritisch gegenüber.

  • gredner

    „Sämtliche Versuche, das Virus aufzuhalten, waren bislang erfolglos. Auch die Abschottung selbst zeigte in den betroffenen Gemeinden keine Wirkung“ und sowas schimpft sich „Biostatistiker“?!? Eine Schande für die wissenschaftliche Berufsgemeinschaft. Weiss man doch, dass die Wirkung der Maßnahmen nicht sofort eintritt, sondern eben bis 2 Wochen vergehen, da die Inkubationszeit ja solange dauert, nicht jeder Symptome zeigt oder zum Arzt läuft. In Codogno gab es gestern Null Neuerkrankuingen und auch in Wuhan ist die Anzahl auf dem niedrigsten Stand. Will er diese Erfolge leugnen?!?

  • pingoballino1955

    Sowas passiert leider,wenn arrogante Manager am Werk sind,und nicht „Mediziner und Virologen“ die die Situation zumindest annähernd rechtzeitig hätten einschätzen können. Verzögerungstaktik,war hier wohl absolut“fehl am Platz“ ,das sieht man jetzt am Ergebnis. Vorbereitet auf was???? auf den „CRASH“??

  • george

    Ach tut ihr doch alle supergescheit hier in euren Kommentaren, aber Wissen dazu und positiv dagegen agieren scheint euch nicht gegeben zu sein. Eure unnützen „Belehrungen“ sind hier fehl am Platz.

  • george

    @leserle
    Auch diese Aussae ist falsch. Richtig ist einzig, dass wir jedes Jahr mindestens eine Grippewelle haben, einmal stärker-einmal schwächer. Das sagt moch gar nichts aus, woher die rührt und wie sie verläuft. Wie oberflächlich ihr doch alle hier urteilt, ohne jemals in die Tiefe zu gehen und auch einmal, wenn ihr nichts davon oder nur wenig wisst, darüber zu schweigen, anstatt ein Bla, Bla zu verbreiten, weil ihr euch wichtiger als andere fühlt.

    • leser

      Obo jergile
      Bist doch du einer det schreiberlinge hier der das gras wachsen hört
      Ich hab dir hier schon vor 2 wochen geschrieben dass das im maximalen fall eine etwas stärkere groppe ist
      Politik und presse beschwört eine hysterie herauf
      Wir werden in den nächsten monaten sehen und erleben was sie bezwecken wollen
      Vielleicht suchen sie ja auch einen um die tatsache zu verdrehen dass politik und finanz den karren weltweit an die wand gefahren haben
      Aber corona hin oder her wir werden es die nächsten monate sehen und spûren sowieso mit und ohne quarantäne

  • george

    Korrektur: Auch diese Aussage ist falsch!

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