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Das Geschäft mit dem Klima

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Gekaufte Wissenschaftler, pseudo-wissenschaftliche Studien und gezielte Desinformation: Wie das Netzwerk der Klimawandel-Leugner funktioniert – und wer dahinter steckt.

Tageszeitung: Frau Huth, Sie haben sich undercover in die Szene der Klimawandel-Leugner begeben. Was haben Sie dabei herausfinden können?

Katarina Huth (Journalistin bei „Correctiv“): Genau. Ein Kollege und ich haben uns für drei Monate undercover in diese Szene eingeschleust. Dabei haben wir seltene Einblicke aus erster Hand erhalten, nämlich wie einfach es ist, pseudo-wissenschaftliche Studien zu kaufen, die den menschengemachten Klimawandel leugnen. Und wie sie gezielte Meinungsmache betreiben. Mit dem Begriff Klimaleugner meine ich Personen oder Institutionen, die Zweifel am menschengemachten Klimawandel säen und diesen auch ganz klar abstreiten. Sie schreiben Papers und Zeitschriften, veranstalten Konferenzen und machen Lobbyarbeit.

Und wie habt ihr es geschafft euch einzuschleusen?

Wir haben uns als Mitarbeitende einer PR-Agentur ausgegeben. Einer unserer Kunden, ein großer deutscher Automobilhersteller wollte angeblich anonym eine Menge Geld in die Szene schleusen. Wir haben eine Webseite aufgesetzt, haben LinkedIn-Accounts erstellt usw. Und dann haben wir uns zu einer Klimakonferenz in München angemeldet, die vom Verein „Eike“ organisiert wird. Das ist ein deutscher Verein, der den wissenschaftlichen Konsens darüber, dass die globale Erwärmung menschengemacht ist, ablehnt. Zudem versorgt er Klimawandelleugner in der Politik mit Argumenten gegen den Klimaschutz. Und dort haben wir dann James Taylor kennengelernt, den Chef des „Heartland Institute“ – das ist eines der einflussreichsten US-Institute in der Szene der Klimawandelleugner. Es kämpft in den USA und auch in Europa gegen Klimaschutz. Und von ihm haben wir ein Angebot bekommen, in dem stand, dass Aussagen von vermeintlichen Experten und Wissenschaftlern gekauft werden können.

Können Sie mir ein Beispiel nennen?

Zu uns hat er gesagt, wenn wir genug bezahlen würden, bekämen wir Statements von einem Arzt und einem Biostatistiker dazu, wie gering die gesundheitlichen Auswirkungen von Dieselmotoren sind. Oder sie würden auch in den Studien Argumente bringen, die belegen, dass der Mensch nicht den geringsten Einfluss auf den Klimawandel hat. Diese Studien würden dann im Internet publiziert werden. Außerdem wurde uns erklärt, wie sie Desinformation betreiben. Sie achten zum Beispiel genau darauf, wen sie zitieren, und schreiben Artikel so, als wären sie für eine professionelle Zeitung. Der Trick ist, dass Meinungsbeiträge nicht als solche zu erkennen sind, sondern nachrichtlich verfasst sind.

Man kann also Wissenschaft schlicht und einfach kaufen…

Ja, das hat man bislang zwar geahnt, aber wir haben nun Belege, dass das in diesen Kreisen Praxis ist. Zusätzlich war in diesem Angebot eine junge deutsche Youtuberin, die Videos in unserem Sinne machen könnte. Es wäre also gar kein Problem, dass wir ihr bestimmte Schlagworte vorgeben, die sie dann in ihren Videos bringt. Heartland lässt also auch klimawandelleugnende Thesen über eine junge Youtuberin verbreiten. Das ist schon gefährlich, weil hier gezielte Desinformation betrieben wird.

Klimaleugner arbeiten also auch mit Youtubern zusammen…

Ja, um auch die junge Zielgruppe zu erreichen. Denn diese informieren sich ja nicht über irgendwelche Fachzeitschriften, sondern über soziale Netzwerke wie Youtube, Facebook und Co. Und eine andere Strategie ist, alles zu hinterfragen. So nach dem Motto: „Ist der Klimawandel wirklich menschengemacht?“ „Ist er wirklich gefährlich?“ Alles Fragen, die nur dazu dienen, den Handlungsprozess zu verlangsamen und aufzuhalten. Und noch eine Strategie ist, an die Freiheit zu appellieren. Es kommt dann der Vorwurf, ihr wollt uns sowieso nur alles wegnehmen, ihr seid Ökosozialisten und so weiter.

Wie viel hättet ihr dann für diese vermeintlichen Wissenschaftler und diese Youtuberin bezahlen sollen?

500.000 Euro. Wir hätten nur zustimmen brauchen, und schon wären wir im Geschäft gewesen. Er hätte für uns eine Kampagne ins Leben gerufen.

Foto: Ivo Mayr

War es dann eigentlich schwer, das Vertrauen von diesem Klimaleugner zu gewinnen?

Nein, das ging wirklich sehr einfach. Wir sind hin, haben erzählt, dass wir investieren wollen und ohne mit der Wimper zu zucken, hat er Ja gesagt. Taylor wäre sofort bereit, gegen Geld Desinformation über den Klimawandel zu verbreiten. Das sei gar kein Problem. Er wusste auch sofort, wovon wir reden und was wir haben wollten. Das hat mich ehrlich gesagt, sehr überrascht. Diese Unverfrorenheit war schon beeindruckend.

Und wer profitiert von diesen Klimaleugnern? Wer bezahlt sie?

Die wichtigsten Geldgeber waren bisher die Öl- und die Kohleindustrie, die Rüstungsindustrie und Multimilliardäre wie Robert Mercer, ein amerikanischer Hedgefond Manager, der auch Trump und Cambridge Analytica möglich machte (Anm. d. Red.: Die ehemalige Analysefirma Cambridge Analytica hat sich 2018 missbräuchlich Daten von vielen Millionen Facebook-Nutzern beschafft).

Ihr ward ja eine lange Zeit in dieser Szene, habt mit vielen Menschen gesprochen. Was sind das für Leute, die den menschengemachten Klimawandel in Frage stellen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich kann erzählen, was für Leute ich bei den Konferenzen kennengelernt habe. Zu allererst kann ich sagen, dass die Szene der Klimawandelleugner vor allem männlich, etwas älter und weiß ist. Und ich hatte den Eindruck, dass es Menschen sind, die sich eventuell abgehängt fühlen, und auch kritisiert fühlen von der jungen progressiven Klimabewegung, die eben die Kohleindustrie, den Verkehr anprangert. Und Menschen, die ihr ganzes Leben lang in klimaschädlichen Industrien gearbeitet haben, sehen diese Kritik als ein Angriff auf ihr gesamtes Lebenswerk. Sie fühlen sich bedroht. Da gibt es dann auch viele, die dann sagen: „So ein Quatsch, das kann gar nicht sein.“

Wie groß ist diese Klimawandelleugner-Szene mittlerweile?

Das ist schwierig zu sagen. Wir bei Correctiv haben eine Faktencheck-Redaktion, die zum Beispiel Meldungen nach ihrem Wahrheitsgehalt überprüft. Dabei stellen auch wir fest, dass es vermehrt Artikel, Meldungen und Videos zu diesem Thema gibt. Es wird dann zum Beispiel behauptet, der Klimawandel ist nicht menschengemacht. Und da macht es den Anschein, dass dahinter eine ganze Armee von Leuten steckt, die solche falsche Meldungen streuen. Dabei wissen wir, dass sehr häufig Bots, also Computerprogramme dahinter stecken, die diese verbreiten. Dadurch gelangen sie auch an eine größere Zielgruppe und können mehr Menschen beeinflussen. Das macht es dann natürlich umso gefährlicher.

Interview: Eva Maria Gapp

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (18)

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  • unglaublich

    Die Informationsflut wird natürlich missbraucht, um den Menschen zu desinformieren. Das betrifft alle gesellschaftsrelevanten Bereiche, wo es vor allem um Profit geht.
    Dagegen hilft nur Vertrauen, und zwar auf den eigenen Hausverstand.

  • leser

    Ich bin froh hier kommentare zu lesen die voll von experten kommen und mit dem allerhöchsten hausverstand besetzt
    Es gibt ein sprichwort es gibt nichts gutes ausset man tut es
    Frage seid ihr dazu bereit oder schreibt lieber besserwisserkommentare

  • george

    Spaltet euren Spott doch für euch selbst. Mit eurer Polemik setzt ihr euch ohnehin schon in den Fettnapf.

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