Wie gefährdet sind Kinder?
Das Coronavirus bereitet vielen Eltern Sorgen. Doch der Virologe Christoph Steininger beruhigt: „Kinder sind weniger gefährdet.“
Tageszeitung: Herr Dr. Steininger, wie gefährlich ist das neue Coronavirus für Kinder?
Christoph Steininger: Kinder sind kaum gefährdet. Und selbst wenn sich Kinder anstecken, was ja in Europa extrem unwahrscheinlich ist, wenn man sich die derzeitigen Infektionszahlen ansieht, sind nur milde Verläufe bei Kindern zu beobachten. Sie entwickeln also in der Regel gar keine oder nur sehr milde Krankheitssymptome. Sie sind auch im Vergleich zu Erwachsenen viel seltener betroffen. Bisher deutet nichts darauf hin, dass das Coronavirus zu schweren Erkrankungen bei Kindern führt.
Warum ist das eigentlich so?
Weil Kinder ein gutes Immunsystem haben und das Virus nicht auf ein vorgeschädigtes Organsystem trifft. Ein Kind hat zum Beispiel keine Raucherlunge. Und es könnte an einer anderen Immunantwort bei Kindern gegenüber Erwachsenen liegen. Ihr Körper dürfte also schneller reagieren und eventuell rascher bestimmte Abwehrstoffe freisetzen. Zudem sehen wir auch bei anderen Virusinfektionen, wie etwa der Grippe, dass sie bei Kindern milder verläuft als bei Erwachsenen. Aber warum sie keine oder nur schwache Symptome entwickeln, kann noch nicht abschließend erklärt werden.
Kinder sind also weniger gefährdet als Erwachsene an Covid-19 zu erkranken…
Genau. Kinder sind weniger gefährdet als Erwachsene, vor allem als ältere Erwachsene.
Müssen sich Eltern deshalb weniger Sorgen machen?
Eltern müssen sich weder für sich noch für ihre Kinder Sorgen machen. Die Wahrscheinlichkeit, am Coronavirus zu erkranken, ist zurzeit deutlich geringer als die Ansteckung mit Erregern einer Influenza oder eines grippalen Infekts.
Warum werden dann gerade Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen?
Weil man weiß, dass viele Viren in Kindergärten und Schulen sind, weil sich dort viele Menschen auf engem Raum aufhalten. Das gilt genauso für öffentliche Veranstaltungen. Diese Orte sind ideal, um mit einem Infizierten viele Menschen anzustecken. Und was man nicht vergessen darf, Kinder können das Virus mit nach Hause bringen. Das heißt, sie könnten Eltern, Geschwister, aber auch Großeltern anstecken. Und wie wir wissen, sind gerade ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen besonders gefährdet.
Seit gestern sind wegen dem Coronavirus in ganz Italien Schulen, Kindergärten und Universitäten geschlossen. Ist das sinnvoll?
Das muss von Fall zu Fall bewertet werden. Generell Schulen zu schließen halte ich für nicht erforderlich. Außer es waren Kinder, Lehrer dort, die schon positiv auf das Coronavirus getestet wurden.
Warum nicht?
Es werden ja auch nicht im Winter alle Schulen geschlossen, nur weil Kinder die Grippe haben. Wir dürfen nicht vergessen: Jedes Jahr sterben weltweit hunderttausende Menschen an einer Influenza-Infektion. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass man vorsichtig ist und häufig seine Hände wäscht.
Warum dann hier diese ganze Aufregung?
Das Coronavirus ist völlig neu, das Grippevirus nicht. Das heißt: Jeder von uns weist deswegen einen bestimmten Grad von Immunität auf. Für das Coronavirus gilt das aber nicht, weil es keine verwandten Viren gibt. Keiner von uns hat Antikörper gebildet, wir haben derzeit noch keine Medikamente oder eine Impfung. Aus diesem Grund sollte man einfach nur vorsichtig sein. Aber es braucht niemand in Panik zu verfallen. Das Problem spielt sich gerade vor allem in den Köpfen ab.
Wie viele Menschen kann eigentlich ein Infizierter anstecken?
Man geht davon aus, dass ein Infizierter zwei bis drei Personen ansteckt. Die Infektiosität, also die Ansteckungsfähigkeit des Coronavirus ist damit vergleichbar mit der Grippe und deutlich weniger infektiös als beispielsweise die Masern.
Woran kann man erkennen, dass ein Kind mit dem Coronavirus infiziert ist?
Anhand der Beschwerden wie Fieber, Atembeschwerden und wenn das Kind in einem betroffenen Gebiet war oder mit jemanden von dort Kontakt hatte.
Und was sollen Eltern machen, wenn sie denken, ihr Kind könnte infiziert sein?
Zuerst einmal Ruhe bewahren und dem Kind keine Angst machen. Dann würde ich raten den Kinderarzt anzurufen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Ich rate aber davon ab, direkt zum Arzt zu gehen, weil sonst einfach die Gefahr zu groß ist, dass man andere ansteckt. Gleichzeitig ist in den Wartezimmern die Gefahr so etwas aufzuschnappen eher größer. Jetzt würde ich gerne mit Ihnen über das Coronavirus in der Schwangerschaft sprechen.
Wie gefährlich ist das Virus für Schwangere?
Dazu hat man noch keine Daten. Von der Grippe weiß man, dass sie das Risiko für eine Frühgeburt erhöht. Vermutlich ist es ähnlich mit dem Coronavirus. Ob es Fehlbildungen gibt, weiß man nicht. Das halte ich aber für eher unwahrscheinlich. Schwangere Frauen sind in der Regel in einem Alter, indem man fit ist. Diese Altersgruppe hat somit ein geringes Risiko für einen schwerwiegenden Verlauf. Insofern gilt auch hier, dass man sich keine großen Sorgen machen muss.
Können schwangere Frauen das Virus an ihr ungeborenes Kind weitergeben?
Ob schwangere Frauen das Virus an ihr ungeborenes Kind weitergeben können, ist zurzeit nicht abschließend geklärt. Die Datenlage ist noch zu dünn. Wenn aber eine schwangere Frau Fieber, Husten oder Atembeschwerden hat, sollten sie einen Arzt aufsuchen. Und natürlich sollten sie, wie alle anderen Menschen auch, die Hygieneregeln befolgen. Dazu gehört vor allem richtiges Händewaschen.
Kann eine Mutter ihr Baby stillen, wenn sie an dem Coronavirus erkrankt ist?
Für stillende Mütter gelten dieselben Möglichkeiten einer Menschzu-Mensch-Ansteckung. Bislang gibt es aber keinen Hinweis darauf, dass Coronaviren über die Muttermilch übertragen werden können. Aber auch dazu haben wir keine gesicherten Daten.
Kann man sich eigentlich mit dem neuen Coronavirus mehrfach anstecken?
Nein, man kann sich nicht mehrfach anstecken. Dieses Gerücht kam durch eine Fehlinterpretation einer wissenschaftlichen Arbeit zustande, die gezeigt hat, dass das Virus noch längere Zeit nach Ausheilung nachweisbar ist. Das sind aber Einzelfälle und es ist nicht ungewöhnlich, dass Virusbruchstücke auch noch einige Zeit nach Ausheilung der Infektion nachweisbar sind. Das bedeutet nicht, dass sich die Menschen noch einmal infiziert haben. Das ist eine klare Fehlinterpretation.
Jetzt abschließend noch eine Frage zur Impfung: Forscher auf der ganzen Welt suchen nach neuen Therapiemethoden und Impfstoffen. Sie haben letztens gesagt, Sie rechnen mit einem Durchbruch schon in den kommenden Monaten. Warum sind Sie sich so sicher?
Es gibt bereits zwei Impfstoffe, die derzeit untersucht werden auf ihre Wirksamkeit. Sie werden untersucht, ob man sie gegen das Coronavirus einsetzen kann. Eine Forschergruppe in den USA und eine in China arbeitet derzeit daran. Es ist also durchaus möglich, dass es im besten Fall in ein paar Monaten Impfstoffe geben könnte.
Wie sieht es mit Medikamenten aus?
Es werden mehr als 100 Medikamentenstudien gemacht, im Zuge derer die Wirkung von Medikamenten, die ursprünglich gegen andere Krankheiten entwickelt wurden, auch bei der Behandlung des neuartigen Coronavirus verwendet werden sollen. Medikamentencocktails, die auch bei der klassischen Grippe und in der HIV-Therapie zum Einsatz kommen. Hier müssen wir abwarten, wie es sich weiterentwickelt.
Interview: Eva Maria Gapp
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