Der Neonazi-Aufmarsch
Casapound-Mann Andrea Bonazza fällt im Bozner Gemeinderat mit geschichtsrevisionistischen Provokationen auf. Er selbst huldigt – bei einem Neonazi-Aufmarsch in Budapest – der SS.
Von Thomas Vikoler
Die Attacke des Gemeinderats, der nach Ex-Bürgermeister Giovanni Benussi das Wort ergreift, fällt auffallend heftig aus: „Ihr sollt euch schämen“, „ihr seid die ersten, die zum Kotzen sind, porco cane“, schreit Andrea Bonazza, Bozner Gemeinderat der faschistischen Casapound, ins Mikrophon. Auch „merde di partigiani“ ist auf der Videoaufnahme von der Sitzung zu hören.
Bürgermeister Renzo Caramaschi, den Bonazza ebenfalls attackiert hatte, wird rot im Gesicht und ruft zurück. Die grüne Verkehrsstadträtin Maria Laura Lorenzini fordert mit lautstarker Stimme „Respekt für die Institution“ ein. Bonazzas Antwort: „Sei still“.
Diese Szene spielte sich am Dienstagabend im Bozner Gemeinderat ab. Bonazza hatte kritisiert, dass die Gemeinde Veranstaltungen unterstützt habe, in denen Vertreter der Partisanenvereinigung ANPI aufgetreten waren. Veranstaltungen des Friedenszentrums der Stadt und an der Pascoli-Oberschule. „Für letztere ist das Land, Landesrat Giuliano Vettorato, zuständig“, stellt Bürgermeister Caramaschi klar.
Kurz: Bonazza beschuldigte die Gemeinde einer einseitigen Geschichtsaufarbeitung.
Dabei hatte die Gemeindeverwaltung am Montag, wie jedes Jahr, der Karsthöhlen-Opfer in Istrien gedacht. Wo die Täter sozialistische Brigaden des jugoslawischen Marschalls Tito waren.
Das Wortgefecht im Gemeinderat erhielt gestern zusätzliche Brisanz. Über das Netzwerk „Recherche Nord“ wurde bekannt, dass Bonazza am vergangenen Samstag in Budapest am sogenannten „Marsch der Ehre“ teilgenommen hatte. Eine geschichtsrevanchistische Veranstaltung, bei der Rechtsextreme aus mehreren Ländern jedes Jahr seit 1997 der deutschen Wehrmachtsoldaten, Angehörigen der Waffen-SS und kollaborierenden ungarischen Truppen „gedenken“, die am 11. Februar 1945 von der Roten Armee eingekesselt worden waren.
Am Samstag waren im Varosmajor-Park in Budapest mehr als 500 Rechtsextreme zugegen, von denen etliche SS-Uniformen trugen.
Mitten unter ihnen: Andrea Bonazza, der Bozner Gemeinderat.
Der Event wurde vom Netzwerk „Recherche Nord“ fotografisch dokumentiert. Bonazza ist zu sehen, wie er andächtig vor einem Friedhofskreuz mit Wehrmachtshelm steht.
„Faschisten, die an Neonazi-Märschen teilnehmen, dürfen nicht weiter dem Bozner Gemeinderat angehören“, erklärte Stadträtin Lorenzini auf Facebook: „Was am Dienstag im Gemeinderat passiert ist, war bereits inakzeptabel“.
Eine Aufforderung zum Rücktritt, die sich bald selbst erübrigen dürfte: Casapound will bei den Gemeinderatswahlen am 3. Mai nicht mehr antreten. Ein „Befehl“ aus Rom.
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Kommentare (49)
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esmeralda
Salvinis Männer fürs Grobe
george
‚watschi‘, ‚ waldi‘ u. co. und wie sie alle hier so heißen, die diesem Gedankengut Lob singen. Wenn man euch die Tatsachen vor Augen hält, dann werdet ihr noch engstirniger, noch sturer und gebt allen anderen die Schuld. Nur ihr wollt nicht die Augen öffnen und sehend werden. Rückt ab von diesem extremen Gedankengut, ob rechts- oder linksextrem, es war und ist immer menschenfeindlich Leid und Tod bringend. Also fördert es mindestens nicht.
artimar
Das passt zur Ansicht das verbrecherische, faschistische Italien (1922-1945) als unschuldiges Opfer darzustellen. Italien hat sich anders als Deutschland, wo es einen Nürnberger Prozess … gab nie mit seiner dunklen Vergangenheit nie auseineindergesetzt. Bis heute. Mehr noch: Seit 2004 gibt es in Italien gar eine ganz offizielle Instrumentalisierung des Gedenktages des faschistisch geprägten Begriffes „Foibe“, mit dem manche die italienische Schuld zu relativieren und eine Opfermentalität zu zelebrieren. Das Absurde ist dabei, dass das Bedauern über diese Opfer am Ende eines Krieges nun auch noch von Neo-Faschisten zu ihrem Zwecke genutzt wird.
Der Casapound-Mann ist hier kohärent, während Bozner Grüne, PD … hingegen nur den italienischen Geschichtsrevisionismus teilen. Vielleicht sollte man in Italien, aber auch in Ungarn … mal den Geist der (diesjährigen) Rede des Bundespräsidenten Steinmairs als anlässlich der Zerstörung Dresdens von 1945 nachlesen: https://www.dnn.de/Nachrichten/Politik/Bundespraesident-Steinmeiers-Gedenkrede-in-Dresden-im-Wortlaut Da ist nichts von Aufrechnung und Geschichtsrevisionismus.