Die Milchhof-Reform
Südtirols Milchhöfe könnten sich zusammenschließen müssen, um künftig in den Genuss lukrativer EU-Zahlungen zu kommen – ähnlich wie die Obstgenossenschaften.
von Heinrich Schwarz
Das Kirchturmdenken ist in Südtirol immer noch weit verbreitet. Zusammenschlüsse werden meist nicht gern gesehen und entsprechend blockiert. Winkt aber Geld, sinkt die Schmerzgrenze erheblich.
So könnte es in wenigen Jahren auch in der Südtiroler Milchwirtschaft sein. Sollte die neue EU-Agrarpolitik wie geplant umgesetzt werden, winken den Milchproduzenten neue Förderungen. Jedoch unter der Voraussetzung, dass sich die Milchhöfe neu organisieren.
„Nach dem Bereich Obst und Gemüse führt die EU jetzt die sogenannten Operationellen Programme in anderen Sektoren der Landwirtschaft ein – vor allem auch im Bereich Milch“, erklärt der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann.
In der Obstwirtschaft gibt es seit 1997 Operationelle Programme. „Diese werden zu 50 Prozent von der EU gezahlt und zu 50 Prozent von den Bauern selbst. Es ist aber nicht eine Förderung für Genossenschaften, sondern für sogenannte Erzeugerorganisationen“, so Dorfmann.
„Südtirols Obstwirtschaft“, weiß der SVP-Politiker, „war damals sehr vif und effizient und hat das System genutzt, indem sich die Genossenschaften zu insgesamt drei Erzeugerorganisationen zusammengeschlossen haben: VOG, VIP und VOG Products.“
Es geht um sehr viel Geld. Allein der VOG als größte Erzeugerorganisation des Landes erhält jährlich rund 17 Millionen Euro an Beiträgen im Rahmen der Operationellen Programme. Mit dem Geld werden unter anderem Investitionen in Strukturen der Genossenschaften und Marketingmaßnahmen finanziert.
„Wenn man die Beträge auf 20 Jahre hochrechnet, dann ist das nicht ganz wenig Geld, was sich die Südtiroler da abgeholt haben“, meint Herbert Dorfmann.
Bis auf eine geringe Menge Äpfel, die noch über private Händler verkauft werden, seien alle in diesem System der Operationellen Programme drin. „Was für uns logisch ein Vorteil ist“, sagt Dorfmann.
Im Bereich Milchwirtschaft wird es laut dem EU-Parlamentarier wohl eine etwas andere Regelung als bei Obst und Gemüse geben: „Die EU sagt zu den Mitgliedsstaaten, dass sie solche Operationellen Programme für andere Sektoren auflegen und dafür einen bestimmten Prozentsatz der Agrargelder verwenden können.“
Auch wenn noch nichts fix ist, geht Dorfmann fest davon aus, dass die Reform umgesetzt wird: „Wir sind auf EU-Ebene mitten in der Diskussion der neuen Agrarpolitik. Aber bei der ersten Abstimmung im Vorjahr hat die Ausweitung der Operationellen Programme niemand wirklich in Frage gestellt. Ich gehe davon aus, dass sie kommt. Italien wird dann überlegen müssen, in welchen Sektoren man das machen will. Bei der Milch ist es schon relativ naheliegend, weil sich der Sektor für eine Angebotsbündelung eignet, da die Produkte in den großen Handel kommen.“
Die Idee hinter dieser EU-Förderung sei nämlich: „Wenn sich der Lebensmitteleinzelhandel schon laufend konzentriert und es immer weniger Aufkäufer gibt, dann ergibt es keinen Sinn, wenn das Angebot fragmentiert ist. Das Problem, das wir etwa auch bei den Äpfeln hatten, lautet: Aldi, Lidl und Konsorten tingelten durch rund 30 Südtiroler Obstgenossenschaften auf der Suche nach den billigsten Preisen. Am Ende ist es vernünftiger, wenn zwei Organisationen im Land Äpfel verkaufen. Dann ist die Suche nach den billigsten Preisen zumindest in Südtirol etwas schwierig“, erklärt Herbert Dorfmann.
Nimmt Italien also auch die Milchwirtschaft auf, werden sich die Südtiroler Milchhöfe laut dem EU-Parlamentarier überlegen müssen, inwieweit sie ihre Struktur so organisieren können, dass sie in den Genuss der EU-Gelder kommen.
„Sie müssen sich überlegen, ob sie auch in irgendeiner Form eine Erzeugerorganisation machen oder ob sie verzichten. Es ist kein Muss, sondern die EU sagt – wie im Bereich Obst –, dass eine Bündelung des Angebotes sinnvoll ist. Südtirols Obstwirtschaft hat dieses Angebot damals auch angenommen und damit seither ordentlich Geld abgeholt“, so Dorfmann.
Der Sennereiverband als Interessensverband der neun Südtiroler Milchhöfe (siehe Infokasten) reiche in seiner jetzigen Form nicht aus. Dorfmann: „Es hängt davon ab, wie diese Erzeugerorganisationen definiert werden. Es wird sicher nicht möglich sein, dass sich der Sennereiverband einfach als Erzeugerorganisation deklariert. Im Bereich Obst und Gemüse etwa wurde sehr genau definiert, was eine Erzeugerorganisation tun muss. Das hat auch dazu geführt, dass die Äpfel in Südtirol heute de facto von den
Erzeugerorganisationen verkauft werden und nicht mehr nur von den Genossenschaften.“
Jetzt müsse man aber erst einmal abwarten, wie das Angebot auf italienischer Seite am Ende ausschaut. „Dann wird man sich Gedanken machen, inwieweit man überhaupt darauf eingeht“, so Herbert Dorfmann.
Die Umsetzung der neuen EU-Agrarpolitik soll Anfang 2022 erfolgen.
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