„Noch nicht alles vorbei“
Die Verbraucherzentrale hatte das Kartellverfahren gegen Raiffeisen ins Rollen gebracht. Was sie zum Urteil zugunsten von Raiffeisen und zum Thema Zinsuntergrenze sagt.
von Heinrich Schwarz
Südtirols Raiffeisen-Welt ist wieder in ruhigen Gewässern unterwegs. Die Raikas können einen Haftungsverbund bilden und müssen sich weder zu einer Landesgruppe zusammenschließen noch einer nationalen Bankengruppe anschließen – und das Kartellverfahren ist nun definitiv vom Tisch.
Wie berichtet, hat der Staatsrat entschieden, dass Raiffeisen durch den gegenseitigen Informationsaustausch kein verbotenes Kartell gebildet hat. Das Höchstgericht verweist auf die genossenschaftliche Zusammenarbeit und die lokale Verwurzelung der Raikas, die wettbewerbsrechtlich nicht in Konkurrenz zueinander stünden, sodass es keine marktschädigende Absprache gebe.
Vor vier Jahren hatte die italienische Wettbewerbsbehörde AGCM gegen 13 Raikas, die Raiffeisen Landesbank und den Raiffeisenverband Strafen in Höhe von insgesamt 26,3 Millionen Euro verhängt. Es seien sensible Informationen ausgetauscht worden, um die Marktpolitik zum Nachteil der Kunden zu koordinieren.
Ins Rollen gebracht hatte das Kartellverfahren die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS). In einem Vergleich von Wohnbaudarlehen der Volksbank, der Sparkasse und einiger Raikas hatte sie eine Übereinstimmung in der Preisgestaltung festgestellt: Die Banken wandten einen Mindestzinssatz von drei Prozent an. Die VZS hielt eine Absprache für möglich und meldete dies der AGCM.
Der Vorwurf der Absprache wurde von der Behörde nicht bestätigt. Sie nahm aber Ermittlungen gegen die Raiffeisen-Organisationen wegen des Informationsaustausches auf und verhängte die nun definitiv annullierten Strafen. Was sagt die VZS zum Urteil?
„Die treibende Kraft hinter dem Verfahren war die Wettbewerbsbehörde. Wir waren nach unserer Eingabe nur noch Zuschauer am Spielfeldrand. Aber mit dem Urteil haben wir kein Problem“, erklärt die neue Geschäftsführerin Gunde Bauhofer.
Ein Punkt sei jedoch anzumerken: „In der Urteilsbegründung heißt es, dass die Raikas nur 25 bis 30 Prozent des Marktes bedienen, also dass man sich sozusagen auch an die restlichen 75 Prozent wenden könnte. Laut unserer damaligen Erhebung wurde aber auch bei den anderen Banken vielfach die 3-Prozent-Zinsuntergrenze angewandt.“ Die VZS habe das Verfahren jedoch zur Kenntnis genommen und der Vorgang sei jetzt abgeschlossen.
Das gesamte Kapitel Zinsuntergrenze bei Darlehensverträgen sei hingegen noch nicht abgeschlossen: „Es sind noch kleinere Verfahren mit Musterfällen ausständig“, so Bauhofer, die erklärt: „Zum einen geht es um die Frage, ob eine Zinsuntergrenze nicht eine missbräuchliche Klausel ist, wenn sie nicht zugleich von einer Obergrenze begleitet wird. Die Bank verschafft sich nämlich einseitig einen Vorteil, den sie nicht auch der anderen Vertragspartei gibt. Zum anderen geht es um die Frage, ob eine Zinsuntergrenze technisch gesehen ein Optionsvertrag sein könnte, der als Finanzinstrument anders zu behandeln wäre als ein reiner Darlehensvertrag.“ Es gebe in diesen Verfahren noch keine Entscheidungen.
Zum Raiffeisen-Verfahren hatte Ex-VZS-Geschäftsführer Walther Andreaus vor drei Jahren, als bereits das Verwaltungsgericht die Strafen annullierte, gesagt, dass die Aktionen der VZS wesentlich dazu beigetraten hätten, dass zehntausende Südtiroler Familien jedes Jahr Tausende von Euro an Zinsen auf die Wohnbaudarlehen sparen. Man habe die Verbraucher für das Thema sensibilisiert und die Banken unter Druck gesetzt.
Ähnliches ist nun von Gunde Bauhofer zu hören: „Nach der Strafverhängung ist zumindest die Einheitlichkeit der Zinsuntergrenzen verschwunden, wenn sie nicht generell aus den Verträgen verschwunden sind. Fairnishalber muss man sagen, dass das Zinsniveau heute ganz anders ist als damals. Was sicher bewirkt worden ist: Die Familien sind bei den Darlehen wechselfreudiger geworden.“ Bauhofer erklärt: „Wenn es die Möglichkeit für ein besseres Geschäft gibt, gehen die Familien mit dem Darlehen zu einer neuen Bank oder verhandeln nach. Es gibt mehr Bewegung.“
Das Thema „teures Darlehen“ habe viel Aufmerksamkeit erhalten und die Sparmöglichkeiten, die es laut Bauhofer immer noch gibt, würden genutzt. „Diesen Vorteil kann man aus der ganzen Geschichte herauslesen“, sagt die Verbraucherschützerin.
Das Wichtigste für die Konsumenten sei denn auch, mithilfe der VZS immer zu wissen, was der Markt hergibt und was man tun kann, um Geld zu sparen. „Unser Anliegen ist, dass die Darlehensnehmer Instrumente haben, um gut zu verhandeln“, betont Gunde Bauhofer.
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