Ungerechtigkeiten
Wer gern online kauft oder Soziales für überflüssig hält, sollte zu Ken Loach ins Kino gehen.
von Renate Mumelter
„Sorry, We Missed You“ steht auf jenen Kärtchen, die Zusteller von online-Käufen dort lassen, wenn niemand zu Hause ist. „Sorry, We Missed You“ nennt Ken Loach seinen neuen Film.
Der 84jährige britische Regisseur kann Ungerechtigkeiten nicht leiden, unmenschliche gesellschaftliche Verhältnisse auch nicht. Daher sind seine Filme keine Wellnesskuren. Sein letzter ist besonders hart. Nicht etwa, weil der Altmeister unversöhnlicher geworden wäre sondern weil die Realität noch härter geworden ist. Es ist schwer auszuhalten, wenn man dabei zusehen muss, wie sich ein Ehepaar abrackert, um die kleine Familie durchzubringen. Ricky versucht durch Akkord-Arbeit in Franchising bei einem Kurierdienst aus der Arbeitslosigkeit zu kommen, er muss effizient, schnell und freundlich sein. Seine Frau Abbie hetzt sich in der Hauspflege ab und ist gezwungen die Betreuung so effizient wie möglich zu halten. Menschlich sein darf sie nur gratis.
Für Unvorhergesehenes bleibt keine Zeit, nirgends. Keine Zeit dafür, dass der pubertierende Sohn Seb auch einmal Mist baut oder für die brave Tochter Lisa Jane. Auch für Sex und Liebe bleibt weder Kraft noch Zeit.
Loach schaut sehr genau hin, schildert, was ist, und das ist so hart, dass es schwierig ist dabeizusein. Das Schlimme daran: Die Protagonisten hätten nichts anders machen können. Sie arbeiten. Die Verhältnisse sind so. Bleibt die Frage, ob wir alle wollen, dass die Verhältnisse so bleiben.
„Sorry, We Missed You“ (GB/FR/BE 2019), 100 Min., Regie: Ken Loach. Bewertung: Aufmerksam, hart, sehenswert (OmU, MO)
Was es sonst noch gibt: „Alkohol, der globale Rausch“ (SA, SO 15.30 BZ), „La Dea Fortuna“ (SA, SO), „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ (BZ, ME), „Herbert Pixner & the Italo Connection“ (Kaltern SA, SO), „Dio è donna e si chiama Petrunya“ (MI)
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