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Sabine Mayrs Buch über das andere Meran

Franz Kafka: Der Antisemitismus zeigt bei Tisch seine typische Unschuld

Literatur Lana stellt das jüngst erschienene Buch von Sabine Mayr vor, das sich um eine andere Sicht auf Meran und Tirol bemüht und untersucht, wie sich jüdische und konvertierte Autorinnen und Autoren im Zeitraum zwischen 1828 und 1927 mit ihrem Umfeld auseinandersetzen.

Die jüngst erschienene und notwendige Studie von Sabine Mayr wirft einen erhellenden, klugen Blick auf eine Geschichte Merans, die bislang unbeschrieben ist und weitgehend unerwünscht war. Wie schon die historischen Beiträge, die es untersucht, hat das Buch stets eine liberale und tolerante Gesellschaft im Visier, die es anstrebt.

Die interdisziplinär angelegte Darstellung eröffnet eine bislang vernachlässigte Sicht auf kreative Gegenentwürfe gegen das konservative, antiliberale und antisemitische Tirol, dessen südlicher Teil sich im Lauf des untersuchten Zeitraums von 1828 bis 1927 zunehmend nationalistisch gebärdet. Jüdische Autorinnen und Autoren wie Daniel Spitzer, Moritz und Nahida Lazarus oder Clara Schreiber setzten sich mit kreativen Mitteln für eine liberale und demokratische Entwicklung der Gesellschaft ein und wurden von den hiesigen, klerikal-konservativen Medien dafür diffamiert.
In ihrer Analyse deckt Sabine Mayr bislang übersehene, kritische Aspekte in der Literatur von Autorinnen und Autoren mit jüdischem Hintergrund auf, zum Beispiel in Daniel Spitzers Novelle „Das Herrenrecht“, in August Lewalds erstem Tirol-Reisebuch „Tyrol vom Glockner zum Orteles und vom Garda- zum Bodensee“, in den Stellungnahmen des Landesrabbiners von Tirol und Vorarlberg Aron Tänzer, der 1901 in Meran den ersten Synagogenbau Tirols eröffnet, oder in der expressionistischen Novelle „Im Sanatorium“ von David Vogel. David Vogel war in den Jahren 1925 und 1926 Patient im jüdischen Sanatorium, einer international bekannten Wohlfahrtseinrichtung der Königswarter-Stiftung in Meran.

Den aggressiven Antisemitismus kritisiert gerade auch Franz Kafka, während seines Aufenthalts in Meran, als er die Ausgabe des „Burggräflers“ vom 10. April 1920 las.Im April 1920 unterhielt sich Franz Kafka während seines Aufenthalts im Hotel Emma in Meran mit Robert Holtons Großvater Sabetay Gabay, schreibt er an Max Brod und Felix Weltsch. In einem Brief an Max Brod thematisiert Kafka den Antisemitismus seiner Tischgesellschaft in der Ottoburg und zeigt dabei, ähnlich Roland Barthes, die instrumentalisierte, vorgetäuschte Unschuld auf. „Trotzdem man also nicht viel Rücksicht auf mich nehmen mußte, zeigt der Antisemitismus bei Tisch seine typische Unschuld.“ Kafka befasst sich aber auch mit dem aggressiven Antisemitismus der in Bozen und Meran herausgegebenen klerikal-konservativen Medien: „Letzthin wollte ich Dir eine Nummer des hiesigen katholischen Blattes mit einem Leitartikel über Zionismus schicken, es schien mir aber damals zu langweilig,“ schreibt Kafka über „Den Burggräfler“ vom 10. April 1920, dessen Leitartikel er dumm und schrecklich nennt.

Sabine Mayr: „Von Heinrich Heine bis David Vogel. Das andere Meran aus jüdischer Perspektive.“ (Haymon Verlag 2019)

Termin: 22. Januar um 19.00 in der Synagoge Meran, Schillerstraße 14. Gespräch: Klaus Hartig und Christine Vescoli.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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