Die Komplott-These
Was im Rekurs von Alex Schwazers Anwälten steht, mit dem er beim Schweizerischen Bundesgericht die Revision und Aussetzung seiner Wettkampfsperre erwirken will. Eine erste Entscheidung soll innerhalb Jänner fallen.
Von Thomas Vikoler
Der erste Satz bringt den Fall Schwazer gleich auf dem Punkt: „Das Szenario erscheint unglaublich, leider aber hat die jüngste Realität bestätigt, dass die Welt des Anti-Dopings nicht vor Komplotten und Manipulationen auf höchster Ebene gefeit ist. Die neuen Umstände zeigen allerdings, dass Alex Schwazer Ziel eines erwiesenen Komplotts war, das ihm (weiterhin) einen schweren Schaden für seine Athleten-Karriere und für seine Image als Sportler verursacht“.
Am Mittwochabend wurde er über einen Korrespondenz-Anwalt am Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne hinterlegt, der Rekurs der Anwälte von Alex Schwazer (Gerhard Brandstätter, Karl Pfeifer, Thomas Tiefenbrunner und Antonio Rigozzi) zum CAS-Urteil vom Sommer 2016 mit der Acht-Jahre-Sperre.
Beantragt wird die Revision des CAS-Urteils und, zuallererst, dessen Aussetzung. Gelänge dies, könnte der Olympiasieger von 2008 wieder Wettkämpfe bestreiten. Einen genauen Comeback-Plan gibt es bereits (siehe Kasten).
Das Schweizerische Bundesgericht ist für Entscheidungen des Sportgerichtshofs CAS zuständig, der ebenfalls in Lausanne seinen Sitz hat. Im vergangenen Juli setzte das Bundesgericht beispielsweise ein CAS-Urteil aus. Es betrifft den Fall der südafrikanischen Mittelstrecklerin Caster Semenya, die gegen eine vom Leichtathletik-Weltverband IAAF verfügte Hormonkur-Pflicht für Läuferinnen mit intersexuellen Anlagen geklagt hatte. Semenya darf seitdem, in Erwartung des endgültigen Urteils, wieder Rennen bestreiten.
Der Fall Schwazer ist freilich wesentlich anders gelagert, wie Anwalt Gerhard Brandstätter bestätigt. Der Revisions-Rekurs zielt auf eine Formulierung in der Urteilsbegründung des CAS-Urteils, aus der hervorgeht, dass die damals von der Verteidigung vorgebrachte Manipulationsthese nicht gänzlich aus der Luft gegriffen war. Allerdings hatte sich CAS-Schiedsgericht nach „Abwägung der Wahrscheinlichkeiten“ dagegen entschieden.
Die „Wahrscheinlichkeiten“ haben sich aus der Sicht der Schwazer-Anwälte seit Juli 2016 eindeutig verschoben. Es gibt für sie „Neue Fakten“, die einen Revisions-Antrag eindeutig rechtfertigen. Auch ein „schützenswertes Interesse“ für dessen Zulassung.
Und dann folgt, auf 43 Seiten die komplette Komplott-Theorie, wie sie der Bozner Voruntersuchungsrichter Walter Pelino in seiner kämpferischen Verfügung vom 16. Oktober im laufenden Beweissicherungsverfahren zum zweiten Dopingfall Schwazer dargelegt hat. Pelino, der in diesen Tagen zum Einzelrichter bestellt wird (das Schwazer-Verfahren aber weiterführen wird, hält eine Manipulation von Schwazers Urin-Probe vom 1. Jänner 2016 für wahrscheinlich und plausibel.
Entsprechend stützt sich die Argumentation der Schwazer-Anwälte auf Pelinos Ausführungen und die bisherigen Gutachten von RIS-Chef Giampietro Lago: Die „anomale“ DNA-Konzentration der B-Probe, die dreimal so hoch ist wie die der A-Probe, obwohl beide dasselbe Urin enthalten müssten. Der E-Mail-Verkehr zwischen den Anwälten von IAAF und dem Kölner Labor für Biochemie mit der mittlerweile berüchtigten Frage, ob man sich im Kölner Labor bewusst sei, Teil eines „Komplotts gegen Alex Schwazer“ zu sein. Das potentielle Motiv für eine Manipulation, nämlich die belastenden Aussagen Schwazers im Bozner Prozess gegen die FIDAL-Sportärzte Giuseppe Fischetto und Pierluigi Fiorella und die Angriffe von Trainer Sandro Donati gegen die gedopten russischen Athleten. Dazu die unzähligen verdächtigen Fakten nach der Entnahme von Schwazers Urin mit der missachteten Anonymität („Racines“) und die unterbrochene Verwahrungskette.
Neu dazu gekommen sind hingegen die bei der Bozner Verhandlung am 12. September von den WADA-Anwälten hinterlegten Daten zur DNA-Konzentration einer am 27. Juni 2016 entnommenen, aber erst im Oktober 2017 getesteten Urin-Probe. Im Rekurs an das Bundesgericht heißt es dazu, die Welt-Doping-Agentur habe sich damit selbst entlarvt, denn im Oktober 2017 war im Beweissicherungsverfahren von DNA-Konzentration nicht die Rede.
Kommende Woche findet am Bozner Landesgericht auf Anordnung Pelinos eine Verhandlung statt, auf der die WADA-Verteidiger Details zu ihrer Defensiv-Ermittlung vorlegen müssen.
Zum Rekurs Schwazers an das Schweizerische Bundesgericht sollte laut Gerhard Brandstätter gegen Ende Jänner eine Entscheidung zum Aussetzungs-Antrag fallen. Eine Verhandlung ist nicht vorgesehen, mit ins Verfahren gerufen wurden neben der IAAF, der italienischen Antidoping-Agentur und der WADA auch der italienische Leichtathletikverband FIDAL.
Dieser hat sich zuletzt im Bozner Beweissicherungsverfahren sehr kollaborativ gezeigt. Müsste sich in Lausanne also auf die Seite Schwazers stellen.
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Kommentare (4)
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prof
@ohnehirnlebtmanbesser
Ohne Hirn schreibt man Scheisse !!