„Nicht mit der Brechstange“
SVP-Obmann Philipp Achammer fordert eine Ende der politischen Provokationen und sagt erstmals klar: Der Doppelpass sei ohne das Einvernehmen mit den Italienern nicht machbar.
TAGESZEITUNG Online: Herr Achammer, haben Sie den Schlagabtausch zwischen Michela Biancifiore und Vittorio Feltri auf La7 gesehen?
Philipp Achammer: Ja. Und so wie viele Menschen im Land habe auch ich mich gefragt: Ist das das Bild von unserem Land, das nach außen transportiert wird? Es muss endlich Ruhe sein mit den ständigen Provokationen! Die Fratelli d’Italia warten ja nur darauf, dass jemand einen Müllsack über den Grenzstein am Brenner stülpt, um dann ihrerseits politisches Kapital aus der Aktion schlagen zu können. Das kann es – erst recht 50 Jahre nach der Paketabstimmung – nicht mehr sein!
Was tun gegen dieses vergiftete Klima?
Es nützt das beste Autonomiestatut nichts, wenn nicht auch die Bevölkerung den Willen zum friedlichen Zusammenleben hat. Das Zusammenleben funktioniert nur, wenn man gegenseitig um Ausgleich bemüht ist und nicht ständig die eigene Gruppe mit Provokationen füttert und auf das Trennende geht. Wenn man will, dann kann man in jeder Ecke eine Provokation suchen und finden. Die Leute sollen hart streiten können, aber das Gemeinsame sollte im Vordergrund stehen.
Nun ist es aber so, dass auch die SVP in einigen Streitfragen ein nicht sehr glückliches Händchen hatte, sprich: selbst Öl ins Feuer gegossen hat, wie beispielsweise in der Alto-Adige-Debatte …
Ich weiß schon, dass einige auch den Doppelpass als Provokation empfinden. Aber das, was uns von den anderen Parteien oder Bewegung unterscheidet, ist: Wir haben nie die Konfrontation gesucht, sondern immer das Einvernehmen. Etwas gegen den Willen des Anderen durchzuziehen, dass kann nie funktionieren.
Damit sagen Sie: Der Doppelpass ist ohne das Einvernehmen der Italiener nicht machbar?
Der Doppelpass ist ein Ziel der SVP, aber er lässt sich nicht mit der Brechstange oder mit Konfrontation durchsetzen, sondern nur im Rahmen der Verständigung und des Ausgleichs.
Noch einmal: Sie sagen, der Doppelpass ist nur möglich, wenn Italien seinen Segen dazu erteilt?
Ich weiß schon, dass jetzt jemand sagen wird: Das wird nie möglich sein. Aber es kann nur so funktionieren! Man kann den Doppelpass nicht einfach ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen, denn der Schaden wäre immens.
Also gilt es, ein Modell zu finden, mit dem auch die Italiener leben können?
Auch Italien muss sich den Spiegel vorhalten und endlich sagen: Das mit der Doppelstaatsbürgerschaft haben wir ja in Istrien selbst gemacht! Wenn die italienische Seite die Bestrebungen für den Doppelpass ständig als separatistisch brandmarkt, dann ist das genauso falsch.
Wie meinen Sie das?
Wir sind keine Separatisten, wir haben als SVP immer betont, dass der Doppelpass für uns kein separatistisches Anliegen ist …
Für die Süd-Tiroler Freiheit sehr wohl?
Es gibt die, die gesagt haben: Zuerst der Doppelpass, dann der nächste Schritt … Wir haben aber immer klar und deutlich gesagt, dass der Doppelpass für uns ein europäisches Anliegen ist, also ein Anliegen der Verständigung und nicht der Trennung.
Wie erklären Sie sich den Umstand, dass eine Michela Biancofiore in Italien für ihre Thesen tosenden Applaus bekommt?
Wenn ein Bild von unserem Land gezeichnet wird, das Michela Biancofiore zu neuem Applaus verhilft, dann muss uns das sehr nachdenklich stimmen.
Warum haben viele Italiener so ein Südtirol-Bild? Sind viele Italiener in ihrem Innersten doch Faschisten?
Es wird ein Bild gezeichnet, von denen da oben, die den ganzen Tag über von den Italienern profitieren, die unverhältnismäßig viel bekommen, die aber von Italien weg wollen. Das ist ein abstruses Bild …
Wie kommt es zustande?
Eben durch diese Politik der Provokation und der Gegenprovokation. Diese Politik ist für Parteien wie die Fratelli d’Italia das gefundene Fressen. Das sollten wir nicht nähren. Wir sollten versuchen, diese Kräfte zu isolieren.
Tut sich die SVP auch deswegen schwer, weil ihr die volkstumspolitische Flanke weggebrochen ist?
Ich denke nicht. Wir haben eine autonomiepolitische Linie, die eine zutiefst heimatpolitische ist. Was uns von anderen Parteien unterscheidet: Uns geht es nicht um die einseitige Provokation, sondern die Autonomie ist ein Gut aller hier lebenden Menschen.
Wäre das nicht ein guter Zeitpunkt, die SVP für die Italiener zu öffnen?
Nein, wir bleiben nach wie vor eine Minderheitenpartei, die die Interessen der deutsch- und ladinischsprachigen Menschen im Lande vertritt. Aber das schließt nicht aus, dass wir eine Politik machen, die allen zugutekommt.
Wie kann man das verzerrte Südtirol-Bild korrigieren?
Wir sind alle gut beraten, die Situation wieder herunterzukühlen. Die Leute wollen, dass wir uns um die wesentlichen Themen kümmern. Die Leute wollen, dass die Sprachgruppen sich untereinander verstehen und verständigen.
Und was passiert, wenn so weitergezündelt wird?
Es kommt zu einer immer stärkeren Polarisierung, was für das ganze Land ein Schaden wäre. Auch die Italiener dürfen Parteien wie den Fratelli d’Italia nicht auf den Leim gehen. Die Italiener in unserem Land müssen ebenfalls zeigen, dass unser Land anders ist. Und sie müssen beweisen, dass auch sie im Grunde nur Ausgleich und Verständigung wollen.
Interview: Artur Oberhofer
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