„Es wird nicht leicht“
Die Comeback-Pläne von Alex Schwazer sind ein juristisch ein juristisch schwieriges Unterfangen. Es gibt aber einen rezenten Präzedenzfall – den der intersexuellen Läuferin Caster Semeyna.
Von Thomas Vikoler
Wer einen Zehn-Kilometer-Lauf in 31 Minuten zurücklegt, ist nicht außer Form. Im Gegenteil. Der Kalcher Olympiasieger Alex Schwazer schaffte diese hervorragenden Zeiten zuletzt bei Trainingsläufen. Das regte ihn an, über ein Comeback nachzudenken. Sein bereits zweites Comeback nach einer Dopingsperre.
Die Voraussetzung: Die zweite davon muss aufgehoben werden. Denn Wettkämpfe darf er laut der 2016 in Rio vom Sportschiedsgericht CAS ausgesprochenen achtjährigen Sperre nach dem positiven Testosteron-Befund bis 2024 keine bestreiten.
Schwazers Anwalt Gerhard Brandstätter will innerhalb November beim Schweizer Bundesgericht in Lausanne einen Antrag auf Aussetzung des CAS-Urteils im Dringlichkeitswege einbringen. Ein juristisch ein schwierig bis aussichtloses Unterfangen, wie Brandstätter einräumt. „Es wird nicht leicht“, lautet seine Definition.
Einen Fall wird sich der Verteidiger dabei besonders gut anschauen: Am 31. Mai hob das Schweizerischen Bundesgericht erstmals eine CAS-Entscheidung einstweilig auf. Es ist das Urteil zu einem Verfahren, das die 800-Meter-Olympiasiegerin Caster Semeyna (Südafrika) gegen die Einführung einer Testosteron-Obergrenze für die Teilnahme an Frauen-Wettkämpfen durch den Internationalen Leichtathletikverbandes IAAF angestrengt hatte. Dadurch sollten Athletinnen mit hohen Testosteron-Werten wie Caster Semeyna zu einer Hormonbehandlung gezwungen werden. Das Sportgericht, ebenfalls in Lausanne angesiedelt, wies die Klage der intersexuellen Athletin ab. Seit der Aussetzungsverfügung des Schweizerischen Bundesgerichts kann die Läuferin wieder bei Wettkämpfen starten (das endgültige Urteil steht aus).
Das Schweizerische Bundesgericht ist deshalb zuständig, weil das Sportgericht Schweizer Recht unterliegt. Es muss klären, ob in Urteilen das Prinzip des „ordre public“, der guten Sitten also, verletzt wurde oder nicht.
Im Fall Semeyna geht es um eine mögliche Verletzung von Persönlichkeits- und Menschenrechten, im Fall Schwazer in gewisser Weise auch darum, auch wenn im engeren Sinne eine achtjährigen Doping-Sperre angefochten wird – die mutmaßlich auf einer manipulierten Urin-Probe basierte. Dies hält der Bozner Voruntersuchungsrichter Walter Pelino in seiner Verfügung vom 16. Oktober jedenfalls für „wahrscheinlich“ – und die gehackten IAAF-Mails für „authentisch“.
Ob diese Feststellungen für eine Aussetzung – und somit für die Teilnahme an der Olympiade in Tokio 2020 – reichen, ist fraglich. Mit einer Entscheidung (ohne vorangegangener Verhandlung) ist rund sechs Wochen nach Einbringung der Klage zu rechnen. Bis dahin wird Schwazer fleißig trainieren.
Vor dem Schweizer Bundesgericht mit Beschwerden bzw. Aussetzungsanträgen gescheitert sind hingegen die deutsche Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (Dopingsperre) und der rumänische Fußballer Adrian Mutu, der sich gegen eine Schadensersatzklage des FC Chelsea nach einem positiven Dopingtest im Jahre 2004 wehrte. Beide reichten später auch Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Ohne Erfolg.
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