Windige Geschichte
Der Unternehmer Zhelyu Ganchev beschuldigt die Energiegesellschaft Alperia, die Unterschlagung von 40 Millionen Euro bei einer bulgarischen Tochtergesellschaft zugelassen zu haben. Doch dahinter steht offenbar ein anderes Ziel.
Von Thomas Vikoler
Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International lag das EU-Land Bulgarien im Jahre 2018 an 77. Stelle, hinter Surinam und vor Burkina Faso. Das war im Jahre 2006 ähnlich, als die Etschwerke unter dem damaligen Präsidenten Giuseppe Avolio ebendort ins Energie-Geschäft einstiegen. Sie erwarben Anteile an der PVB Power Bulgaria AD, die inzwischen fünf Wasserkraftwerke besitzt.
Dass nun ausgerechnet ein Unternehmer aus Bulgarien mit logistischer Basis in Trient einen vermeintlichen Millionen-Betrug in dem Unternehmen aufgedeckt zu haben meint – und nicht etwa die Teilhaber aus Südtirol, der inzwischen Alperia AG heißt -, ist bemerkenswert. Zhelyu Ganchev, so heißt der Unternehmer, breitete den Fall gestern mit der Hilfe einer Übersetzerin bei einem Termin im Hotel Laurin aus. Er spricht von „Drainage“, also unterirdischer Abzweigung. Nicht von Wasser, sondern von Geld.
Laut Ganchev wurden beim Bau von zwei Kraftwerken von Tochtergesellschaft der PVB Power Bulgaria (Maritsa und Svoge) zwischen 2003 und 2019 nicht weniger als 40 Millionen Euro unterschlagen. U.a. durch den Direktor namens Planem Dilkov, der nebenbei drei eigene Firmen betreibt. An sie sollen sogenannte Kommissionen im Ausmaß von zehn Millionen Euro von Firmen geflossen sein, welche für PVB Bulgaria und ihre Tochtergesellschaften technische Dienstleistungen erbrachten. „Die Rechnungen, die sie ausstellten, waren entweder um das Dreifache erhöht oder bezogen sich auf nicht erbrachte Dienstleistungen“, behauptet Ganchev. Solcherart sei im Laufe der Jahre auch ein großer Schaden für die öffentliche Hand entstanden.
An der bulgarischen Muttergesellschaft sind nämlich drei öffentlich kontrollierte Gesellschaften beteiligt: Die Dolomiti Energia SpA aus dem Trentino, die Südtiroler Alperia (jeweils 23,13 Prozent Anteil) und die Finest SpA aus Pordenone (11,66 Prozent). Der größte Anteilseigner ist ein Privater, die Firma PVB Italy aus Trient der Unternehmerfamilie Bortolotti, die 42,08 Prozent der Anteile an PVB Bulgaria hält. Im Mai dieses Jahres ist Zhelyu Ganchev, der in Bulgarien auf dem Lebensmittelsektor tätig ist und früher Ex-Staatsunternehmen übernommen hat, mit 40 Prozent bei PVB Italy eingestiegen.
Und er legte sofort los: Er unterbreitete den öffentlichen Teilhabern ein Übernahme-Angebot, wollte also 100 Prozent von PVB Bulgaria.
Es wurde vom Verwaltungsrat im Juni als zu niedrig abgelehnt.
Bald darauf ließ Ganchev seine „Bombe“ platzen. Er erstattete am 13. August Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Sofia. Am 25. Oktober folgte eine weitere Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Rom.
Ganchev wirft nun den übrigen Teilhabern von PVB Bulgaria vor, die „systematischen Unterschlagungen“, wie er sie nennt, toleriert bzw. die Augen vor ihnen zugemacht zu haben.
„Wir haben mit Sicherheit nicht geschlafen“, antwortet Wolfram Sparber, der seit 2016 für Alperia im Aufsichtsrat der bulgarischen Muttergesellschaft sitzt. Das Unternehmen arbeitete wirtschaftlich relativ erfolgreich, es sei „unmöglich“, dass im Laufe der Jahre 40 Millionen Euro abgezweigt wurden.
Ganchevs Vorwürfe hatten dennoch Konsequenzen: Im Juli wurde Direktor Dilkov, der in Trient Ingenieurswesen studiert hat, entlassen.
Seine Geschäftsgebarung wird derzeit von einem italienischen Controlling-Unternehmen durchforstet. „Herr Ganchev hat eine Kooperation zur Aufklärung seiner Vorwürfe verweigert“, sagt Aufsichtsrat Sparber. Er vermutet dahinter ein Manöver des bulgarischen Unternehmers, den Preis für die auf dem Markt befindlichen Anteile an PVB Bulgaria zu drücken. Im vergangenen Herbst hatten Dolomiti Energia, Alperia und Finest beschlossen, diese abzutreten.
In einer gemeinsamen Stellungnahme wiesen sie die Anschuldigungen Ganchevs zurück. Sagen aber auch, dass sie, sollten sich diese als zutreffend herausstellen, selbst Geschädigte wären. Und kündigen Maßnahmen zum Schutz der eigenen Reputation an.
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