Mit dem Selfie zum Chirurgen
Der plastisch-ästhetische Chirurg Philipp Agostini ist immer häufiger mit Jugendlichen konfrontiert, die Schönheitsoperationen wollen.
Tageszeitung: Herr Dr. Agostini, Sie sind nun schon seit vielen Jahren Schönheitschirurg in Bozen. Hat der Drang nach Perfektion zugenommen?
Philipp Agostini: Ja, vor allem merke ich das bei den jüngeren Generationen, die diesen Hang zur Perfektion haben und immer besser aussehen wollen. Während sich die ältere Generation eine Wiederherstellung einer früheren Situation wünscht, haben die Jüngeren primär das Ziel, ihren Status-quo zu verbessern. Sehen Sie das auch in Ihrer Arbeit? Ja, was mir schon länger auffällt, ist, dass immer mehr junge Menschen zu mir in die Praxis kommen, um sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen. Vor allem sind es junge Frauen. Dabei haben die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ganz genaue Vorstellungen davon, wie sie aussehen wollen. Das heißt, sie bringen Fotos von ihren Vorbildern mit und sagen dann, so möchte ich aussehen. Das ist ihr Schönheitsideal, dem sie nacheifern. Oft erzählen sie mir auch, dass sie im echten Leben so aussehen wollen wie ihr mit Software bearbeitetes Selfie. Auf Instagram können sie sich ja mit speziellen Filtern eine dünnere Nase machen, voluminösere Lippen und so weiter.
Also eine junge Frau bringt ein Foto von einer Influencerin oder von ihrem bearbeiteten Selfie mit und sagt dann, sie möchte genau diese Nase haben?
Genau. Sie drucken das Foto zu Hause aus und bringen es dann mit in die Praxis. Am häufigsten wünschen sie sich eine Brustvergrößerung oder Korrekturen im Gesicht, wie etwa eine Lippenvergrößerung. Junge Männer sind hingegen vermehrt an Eingriffe an Nase oder Brust interessiert. Das ist sicherlich ein Trend, der in den letzten Jahren dazugekommen ist. Das war früher nicht so.
Von welcher Altersgruppe sprechen wir hier?
Die meisten sind im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Es sind aber auch schon Minderjährige mit ihren Eltern in die Praxis gekommen. Erst vor kurzem kam ein Mädchen zu mir, weil sie eine Lippenvergrößerung machen wollte.
Warum wollen immer mehr junge Menschen Schönheitsoperationen? Ist das der Druck der sozialen Netzwerke?
Weil sich junge Menschen vermehrt an medialen Vorbildern und Schönheitsidealen aus dem Netz orientieren. Sie erhoffen sich dadurch auch so schön, selbstbewusst und erfolgreich zu sein. Das Problem dabei ist, dass sie sich an Ideale orientieren, die nichts mit der Realität zu tun haben. Die Bilder auf sozialen Netzwerken sind häufig nicht natürlich, sondern wurden mit Bildbearbeitungsprogrammen „aufgehübscht“. Es gibt auch zahlreiche Filter auf Instagram, mit denen man in kürzester Zeit aus einem grauen Entlein einen Superstar machen kann. Das Gefährliche daran ist aber, dass diese optimierten Bilder das Selbstwertgefühl junger Menschen beeinträchtigen, wenn sie dem in der Online-Welt suggerierten Idealbild nicht entsprechen. Daraus kann dann der Wunsch nach kosmetischen Korrekturen entstehen.
Fördert Instagram den Wunsch nach Schönheits-OPs?
Ja, Instagram kann sicherlich den Wunsch nach Schönheits-Operationen verstärken. Das ist problematisch, weil wir es hier mit gesunden jungen Menschen zu tun haben, bei denen es eigentlich keine medizinische Notwendigkeit für eine OP gibt. Doch die Jugendlichen fühlen sich immer unwohler in ihrer Haut. Eine italienische Untersuchung hat etwa ergeben, dass 78 Prozent der Mädchen und 54 Prozent der Jungen, mit ihrem Äußeren unzufrieden sind, und 3 von 4 Jugendlichen möchten ihrem Vorbild aus der Welt der Prominente ähneln.
Wenn eine junge Frau oder ein junger Mann dann wirklich den Entschluss gefasst hat, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen. Führen Sie den Eingriff dann auch durch? Wo liegt Ihre Grenze?
Grundsätzlich ist es so, dass Schönheitsoperationen unter 18 Jahren verboten sind. Mit der Zustimmung der Eltern ist es aber möglich, Eingriffe zu machen, sofern ein gesundheitliches Problem gelöst oder eine gravierende psychologische Belastung des Jugendlichen auf diese Weise behoben wird. Wenn sie volljährig sind, obliegt es meiner persönlichen Ethik, ob ich Ja oder Nein sage. Es ist schon öfters passiert, dass ich Eingriffe abgelehnt habe, weil sie zu unrealistisch waren. Dabei ist es nicht immer ganz einfach, das den Jugendlichen zu vermitteln. Weil viele kommen dann mit sehr vielen Fotos zu mir und haben schon ganz genaue Vorstellungen. Wenn ich ihnen dann aber sage, das geht nicht, bricht oft das Kartenhaus in sich zusammen. Da braucht es oft ein großes psychologisches Feingefühl, um sie zur Realität zurückzubringen.
Interview: Eva Maria Gapp
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