Der Kontroll-Wahn
Eine Beamtin der Gemeinde Meran, die während eines Dienstgangs einkaufte, wurde von dieser wegen erschwerten Betrugs angezeigt. Ein Beispiel von Kontroll-Wahn.
Von Thomas Vikoler
Öffentliche Verwaltungen, das ist gut und richtig, sind dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihr Personal sich an die Gesetze hält. Wenn sie das nicht tun, machen sie sich potentiell einer Amtsunterlassung schuldig.
Man kann dabei auch übertreiben, wie ein Beispiel aus der Gemeindeverwaltung Meran zeigt. Es riecht sehr nach Kontroll-Wahn und Denunziantentum und wirft die Frage auf, ob der Verwaltung dadurch nicht ein größerer Schaden entstanden ist als durch das, was sie eigentlich bestrafen wollte.
Es geht um eine Gemeindebeamtin, die im Verdacht stand, ihre Arbeitszeit auf Dienstgängen zu vertrödeln. Genauer: Für Dienstgänge von einem Amt ins andere nicht den kürzesten Weg (also den falschen) genommen zu haben. Und dabei – in mindestens einem Fall – einen Einkauf getätigt zu haben.
Der Verdacht der Gemeindeverwaltung war derart konkret, dass die Stadtpolizei Meran angewiesen wurde, die Verdächtige zu observieren.
Die Stadtpolizisten sammelten fleißig Beweismittel, die letztlich zu einer Anzeige der Gemeinde gegen die Beamtin führten. Wegen des Verdachts des erschwerten Betrugs und des Falschstempelns.
Die Stadtpolizisten hatten nämlich im Rahmen ihres Überwachungsauftrages herausgefunden, dass die Beamtin auf insgesamt vier Dienstgängen von einem Amt ins andere zeitlich überzogen hatte. Insgesamt 27 Minuten. Zweimal waren es sechs Minuten, ein anderes Mal sieben Minuten, einmal acht Minuten.
Aufgrund dieser Beweismittel erhob die Staatsanwaltschaft Bozen tatsächlich Anklage gegen die Beamtin. Wegen erschwerten Betrugs und Falschstempelns, denn die Betroffene hatte jeweils Dienstgänge gestempelt und nicht etwa die (vorgesehenen) zehnminütigen bezahlen Kaffeepausen.
Wie auch immer. Das Strafverfahren gegen die Beamtin ist nun von Vorverhandlungsrichter Peter Michaeler eingestellt worden. Nachvollziehbarerweise, denn der von ihr vermeintlich angerichtete Schaden liegt faktisch unter der Wahrnehmungsgrenze: Die Entlohnung für 27 Minuten Arbeit, also weniger als zehn Euro.
Die Zeit, welche die Stadtpolizei für die Überwachung der verdächtigen Frau aufwenden musste, verursachte zudem wesentlich höher Kosten.
Kommentare (11)
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