Wofür steht das Welterbe?
Eine engagierte und kritische Auseinandersetzung mit dem Welterbe war die Zielvorgabe beim DolomitesUNESCO Forum III am Montag in Sexten.
Eine Aufgabe, die von den zahlreichen renommierten Experten und Rednern im Pusterer Kongresszentrum prompt umgesetzt wurde. Eine Kernbotschaft hatten dabei alle Beiträge: die stärkere Miteinbeziehung aller Akteure, vor allem aber der lokalen Bevölkerung in alle Entscheidungsprozesse.
Die Agenda des Dolomites UNESCO Forum III im Haus Sexten warf zahlreiche brennende Fragen auf. Wofür steht das Welterbe? Wie erleben Einheimische die Dolomiten? Was schätzen sie daran, inmitten der Dolomiten zu leben und wo gibt es Kritik oder Vermeidungspunkte? Und vor allem: Inwiefern war die bisherige Tourismusentwicklung wünschenswert und wie soll diese in Zukunft gestaltet werden?
Auf diese und weitere Problematiken mussten die renommierten Expertinnen und Experten Antworten finden und praktische Lösungsansätze präsentieren. Eine Aufgabenstellung, die sie mit Bravour gemeistert haben. „Es braucht ein neues Verantwortungsbewusstsein für das Welterbe. Die internationalen Beispiele, die auf der Tagung vorgestellt wurden, haben gezeigt, dass allen voran die Naturparke eine noch wichtigere Rolle bei der Stärkung des UNESCO-Gedankens innerhalb der Bevölkerung spielen können. Sie sind die idealen Vermittler“, hob Harald Pechlaner, Leiter des Centers for Advanced Studies von Eurac Research hervor. „Die Dolomiten sind vor allem mit lokalen Identitäten und starken Marken aufgeladen. Hier muss weitergedacht werden und auch der globale Aspekt mit einbezogen werden“, betonte Pechlaner. Wichtig sei weiterhin die Jugendarbeit und die Erziehung, um Menschen zu einem achtsamen Umgang mit ihrer Umwelt zu bewegen.
Lebensraummarketing als Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung
„Wir müssen uns stärker auf Lebensraummarketing anstatt auf Tourismusmarketing konzentrieren. Weniger die Erlebnisqualität soll im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Lebensqualität in den Dolomitengebieten. Lebensraummarketing ist immer die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung, egal ob Regional- oder Tourismusentwicklung“, unterstrich Pechlaner.
Mit dem Welterbe gehe nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch eine freiwillige Verantwortung einher, das Welterbe zu schützen und dafür etwa auch auf Belohnungssysteme oder Kontingentierungen zurückzugreifen. Administrative Grenzen zwischen den Provinzen müssten überwunden werden. Dafür brauche es Kohärenz in der Organisation und in allenEntscheidungsprozessen sowie einen gemeinsamen Wertekodex als Grundlage.
Jenen Menschen, die vor Ort leben, kommt eine zentrale Rolle zu
Weniger Konsum und Marketing, dafür eine stärkere Anpassung an lokale Gegebenheiten und Traditionen um das Welterbe stärker in der Region zu verankern forderte Maria Hochgruber Kuenzer, Landesrätin für Raumordnung und Landschaftsschutz.
Die stärkere Miteinbeziehung aller Akteure, vor allem aber der lokalen Bevölkerung in alle Entscheidungsprozesse war zentraler Punkt aller Beiträge beim Dolomites UNESCO Forum. „Auf administrativer Ebene können Ziele gesetzt werden. Ob diese jedoch umgesetzt werden, können zuallererst jene Personen überwachen, die vor Ort leben und täglich mit dem Welterbe in Kontakt sind. Ihnen kommt eine zentrale Rolle zu“, betonte Keynote-Speaker Takamitsu Jimura, Dozent für Tourismus an der Liverpool John Moores University.
Nur wenn man eine aussagekräftige Datengrundlage habe und stetes Monitoring betreibe, könne man effektive Maßnahmen, etwa zur Besucherlenkung setzen, betonte auch Kelly Bricker von der University of Utah, die sich vor allem mit der Nutzung des Yellowstone-Nationalparks als Freizeitdestination beschäftigt. Diesbezüglich nehme Südtirol bereits eine Vorreiterrolle ein, betonte Anna Scuttari, Senior Researcher am Center for Advanced Studies von EuracResearch. Gemeinsam mit weiteren 26 Destinationen, fünf davon in Europa, ist Südtirol Teil einer weltweiten Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus der Vereinten Nationen.
Bei der Tagung sprachen außerdem Waltraud Watschinger, Präsidentin des Tourismusvereines Sexten, Christoph Rainer, der Präsident von Sextenkultur, Marcella Morandini, die Direktorin der Dolomites UNESCO Foundation, Maria Carmela Giarratano, die Generalsekretärin des Ministeriums für Umwelt, Landschafts- und Meeresschutz, der Trentiner Vize-Landeshauptmann Mario Tonina und Cesare Micheletti, wissenschaftlicher Berater der Dolomiten UNESCO Foundation. Best Practice-Beispiele wurden von Roberto Cerrato (Paesaggi Vitivinicoli di Langhe-Roero e Monferrato) und Harald Marencic (Common Wadden Sea) vorgestellt.
Die Sextner Kamingespräche als „Aperitif“
In eine ganz ähnliche Richtung führte die Debatte bei den SextnerKamingesprächen 5, die am Sonntag und somit am Vorabend des DolomitesUNESCO Forum III stattfanden. Unter der akademischen Leitung von Harald Pechlaner diskutierten hier Eske Nannen, Erika Stefani, Walter Hirche und Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Das Dolomites UNESCO Forum III reihte sich ein in die zahlreichen Veranstaltungen, die 2019 im Zeichen des Jubiläumsjahresorganisiert wurden. Im Juli und August jährten sich zum 150. Mal die Erstbesteigung der Dreischusterspitze und der Großen Zinne durch das Dreigespann Paul Grohmann, Franz Innerkofler und Peter Salcher. Diese alpinistischen Meisterleistungen haben den Alpin-Tourismus in Sexten maßgeblich geprägt und zum weltweiten Renommee der kleinen Ortschaft im Herzen des Dolomiten UNESCO Welterbe beigetragen.
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