Olafur Eliasson im Schnalstal
Der dänische Forscher-Künstler Olafur Eliasson ist ein Superstar der Gegenwartskunst. Auf dem Schnalstaler Gletscher errichtet er ein Kunstwerk, das den Weg der Sonne um die Erde aus der Perspektive des schwindenden Hochjochferner darstellen soll.
Olafur Eliasson für ein Kunstwerk nach Südtirol zu locken, das braucht entweder sehr viel Geld, sehr viel Geduld, sehr viel Connections oder einen sehr guten Grund. Der dänische Kunst-Superstar mit isländischen Wurzeln ist kein einsamer Pinselarbeiter in einem noch einsameren Atelier, sondern ein Kunstunternehmer, der weltweitGroßprojekte umsetztund in einem ehemaligen Berliner Fabrikgebäude mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt.
Nur zwei Beispiele seien genannt: Für die Turbinenhalle des ehemaligen Tate-Kraftwerks in London kreierte er 2003 im „Weather Project“ eine glühende Sonne unter einer Spiegeldecke. Zwei Millionen Menschen besuchten die Ausstellung – ein Meilenstein der Gegenwartskunst. 2008 inszenierte er rund um die Brooklyn Bridge in New York mit vier Wasserfällen ein gewaltiges Naturspektakel, einen ähnlichen Wasserfall aus dem Nichts realisierte er 2016 im Park von Schloß Versailles.
Das Verhältnis von Mensch und Natur und die Zerbrechlichkeit letztererist sein Thema –und die Kunst ist sein Transportmittel. Die Stadt Goslar hat ihn dafür mit dem Kaiserring, einem der weltweit wichtigsten Preise für moderne Kunst,geehrt, die Jury würdigte ihn als Forscher-Künstler in der Nachfolge von Leonardo da Vinci.
Wasser ist in seinem Werk ein zentrales Element, ebenso sein Engagement für das Klima und die dahinschmelzenden Gletscher. Zusammengenommen sind das die Gründe, warum einer der Superstars der Gegenwartskunst sich bereit erklärt hat, ein Projekt für den Schnalstaler Gletscher zu entwerfen. Überzeugt hat ihn Ui von Kerbl, der vor zweieinhalb Jahren den Verein „TalkingWaters“ gegründet hat mit dem Ziel,Klima-, Umwelt- und insbesondere Wasserprojekte zu fördern. Die Philosophie des Vereins lautet: „Wir können anfangen, die Erde zu retten, indem wir aufhören, sie zu zerstören.“ Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ hat Ui von Kerbl Eliasson alle Zeit der Welt gegeben und den „Meister des Lichts und der Elemente“ für das Schnalstal-Projekt gewonnen.
Was plant Eliasson auf dem Gletscher?
Nichts weniger als ein Kunstwerk, das den Weg der Sonne um die Erde aus der Perspektive eines schwindenden Gletschers, des Hochjochferners, darstellt. Auf einem schmalen Grat führt ein Weg von 410 Metern Länger dem Ferner entgegen, der einen Zeitraum von 2,4 Milliarden Jahren Klimageschichte darstellt. Dieser Lehrpfad ist eine Meditation über die Zeit, das Eis, die Umwelt, den Klimawandel. Neun Tore markieren den Beginn und das Ende von fünf Eiszeiten, die die Erde für Millionen Jahre im Griff hatten und sie mindestens einmal in einen Schneeball verwandelten. Anstelle des zehnten Tores betritt man eine phantastische Skulptur. Sieben Hemisphären, mit 47 Grad Neigung über einem Horizontspalt angeordnet, zeichnen den Weg der Sonne nach, vom Höchststand im Sommer über die Tag‐ und Nachtgleiche im März und September bis zum tiefsten Stand im Dezember. Wer die kreisrunde Plattform über dem Abgrund betritt, kann aus der Perspektive des Gletschers durch unterschiedlich stark gefärbte Gläser, von zartem Hellblau bis zu tiefstem Azur, im himmlischen Wechselspiel den Weg der Sonne im Viertelstunden‐Takt, vom Aufgang bis zum Untergang, inmitten einer großen Sonnenuhr verfolgen.
Der erste Spatenstich sollte vorgestern von Sebastian Behmann, Head of Design Studio Eliasson, gesetzt werden, doch der erste Schnee machte einen Strich durch die Rechnung. 800.000 Euro soll das Werk kosten, ein Klacks, wenn man bedenkt, dass die Stadt New York 15 Millionen für ein temporäres Kunstwerk wie die Wasserfälle ausgegeben hat. Die Eröffnung ist für den 20. Juni kommenden Jahres geplant. Karl Josef Rainer, Bürgermeister von Schnals, freut sich schon.
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