„Wir wurden beleidigt“
Ex-Senator Hans Berger verteidigt das Abstimmungsverhalten der SVP in Rom: Wer einen Funken an Ehrgefühl habe, könne der (linkslastigen) Regierung nicht das Vertrauen aussprechen.
Tageszeitung: Herr Berger, wie beurteilen Sie die Entscheidung der SVP, sich bei der Vertrauensabstimmung über Ministerpräsident Giuseppe Conte der Stimme zu enthalten?
Hans Berger: Ich teile die Entscheidung voll und habe dies dem Obmann mitgeteilt. Meine fünf Jahre im Parlament reichen aus, um sagen zu können, dass wir dieser Regierung niemals das Vertrauen aussprechen können. Der PD, der seine Autonomiefreundlichkeit bereits unter Beweis gestellt hat, genießt unser Vertrauen. Doch in dieser Regierung werden die Grillini, die proportional am stärksten vertreten sind, den Ton angeben. Auch der Ministerpräsident wird dieser Bewegung zugeschrieben. Wenn irgendjemand behauptet, dass der M5S autonomiefreundlich sei, braucht er sich nur die Protokolle der Senatssitzungen der letzten Legislatur durchzulesen, um sich eines Besseren zu belehren. Die Grillini waren kein guter Partner für Südtirol, sondern unsere Gegner. Wir waren ständigen Attacken ob unserer Autonomie, unserer Sprache und unserer Sonderrolle ausgesetzt. Unser Fraktionsvorsitzende Karl Zeller wurde aufs Übelste beleidigt und als Wasserträger von politischen Interessenvertretern beschimpft. Die wüsten Attacken sind nachlesbar, genauso wie Zellers Antworten, die inhaltlich nicht gerade auf eine künftige Partnerschaft ausgerichtet waren. Auch in den 14 Monaten dieser Legislatur hat sich das Verhalten der Grillini nicht gebessert. Wer einen Funken Ehrgefühl hat, kann dieser Regierung nicht das Vertrauen aussprechen.
Die SVP könnte ob der knappen Mehrheitsverhältnisse das Zünglein an der Waage sein und Vorteile für Südtirol herausholen …
Unsere Enthaltung ist ein Vertrauensvorschuss gegenüber dem PD. Wir werden die Maßnahmen der Regierung bewerten und von Fall zu Fall entscheiden, ob wir diese mittragen. Wenn wir das Zünglein an der Waage sind, dann werden wir auch dementsprechend beworben und umworben. Dann wird man mit uns in Verhandlung treten und uns Gegenleistungen anbieten. Dafür brauchen wir uns nicht jetzt schon festlegen. So war es auch in der abgelaufenen Legislatur, wo wir als geschlossene Gemeinschaft in der Autonomiefraktion sehr viel für Südtirol rausholen konnten.
Bedauern Sie das Ausscheiden der Lega aus der Regierung?
Ich hätte mir eine Regierung gewünscht, die stärker in der Mitte und nicht so weit links angesiedelt ist. Mit Nicola Zingaretti ist der PD weit nach links gerückt. Zudem wird die Mehrheit von Liberi e Uguali, also der ganz extremem Linken, unterstützt. Es erstaunt mich, dass der Staatspräsident den Unsicherheitsfaktor akzeptiert, dass der M5S noch auf seiner Rousseau-Plattform abstimmen lässt. Damit könnte die wochenlange Arbeit zunichte gemacht werden. Mir erscheint dies ein unwürdiges Schauspiel in einer ohnehin schon schwierigen Situation.
Interview: Matthias Kofler
Kommentare (19)
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