Südtirol auf der Suche nach Identität
Die Regisseurin Birgit-Sabine Sommer fragt zum 100. Jahrestag des Vertrages von St. Germain, 80 Jahre Südtiroler Option und zum Paketabschluss vor 50 Jahren nach der Südtiroler Identität
100 Jahre nachdem Südtirol Italien zugesprochen wurde, gilt es als Modell für eine funktionierende Autonomie. Doch wie steht es mit dem Zusammenleben der unterschiedlichen Sprachgruppen? Ein Film macht sich auf die Suche nach der Südtiroler Identität der Gegenwart und zeigt auf, wie die jungen Bewohner Südtirols von der wechselvolle Geschichte geprägt werden und ihre Zukunft gestalten wollen.
Von „Los von Italien!“ bis „Hier sind wir was Besonderes, das wären wir in Österreich nicht“ reichen die Meinungen zur Positionierung Südtirols als autonomer Region Italiens. Diese Sonderrolle hat Südtirol reich gemacht: Der Tourismus boomt, namhafte internationale Unternehmen haben sich zwischen Brenner und Salurner Klause angesiedelt, die Arbeitslosigkeit tendiert Richtung Null, die Mehrsprachigkeit der Bevölkerung wird – zumindest von außen – als Glücksfall angesehen.
Doch trotzdem: Noch 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und neuer Grenzziehungen zwischen Österreich und Italien polarisiert das Thema der nationalen Identität gerade hier die Menschen und es wird befeuert durch Populisten und Nationalisten überall in Europa. Dazu blickt der Film zurück.
2019 jähren sich drei Ereignisse, die für Südtirol von historischer Bedeutung sind. Mit dem Friedensvertrag von St. Germain, unterzeichnet am 10. September 1919, wurde Südtirol der Siegermacht Italien zugesprochen. 20 Jahre später, bis Ende 1939, mussten sich die Südtiroler entscheiden, im italienischsprachigen Südtirol zu bleiben oder ins Deutsche Reich auszuwandern. Diese sogenannte Option, ein Pakt zwischen Hitler und Mussolini, hinterließ wie der italienische Faschismus tiefe Spuren innerhalb der Familien, die bis heute nachwirken. Ende November 1969 wiederum wurde das sogenannte Paket angenommen, dem jahrelange zähe Verhandlungen zwischen Österreich und Italien und auch Jahre des Terrorismus vorausgegangen waren. Die Vereinbarung mit insgesamt 137 Maßnahmen zum besseren Schutz der Minderheit leitete schließlich die Südtiroler Autonomie ein, die heute weltweit als vorbildhaft bezeichnet wird.
Aber wie erleben die Südtirolerinnen und Südtiroler selbst ihre Autonomie? Dazu kommen im Film vor allem junge Leute und ihre Familien zu Wort. Das Filmteam besucht dazu Südtirolerinnen und Südtiroler in den Dolomiten, im städtischen Industrie- und Arbeiterviertel, auf ihrem idyllischen Bergbauernhof und bei der Apfelernte. Die filmische Dokumentation nimmt die Argumentation der verschiedenen Meinungsgruppen auf und beleuchtet ihre historischen Hintergründe.
Was bedeutet Nationalität in dieser Region, die so klare österreichische Wurzeln hat und doch schon immer mediterran-italienisch beeinflusst ist? Wie stehen die Südtirolerinnen und Südtiroler zur Machtausübung politischer Kräfte, denen sie in der Vergangenheit ausgesetzt waren? Und welche Rolle kann Südtirol, können die Südtiroler spielen in einer Zeit, in der überall in Europa Nationalisten an Stammtischen wieder Grenze und Herkunft als Kriterien predigen?
Der Film von Regisseurin Birgit-Sabine Sommer, das Drehbuch stammt von Thomas Hanifle, will zum 100. Jahrestag des Vertrages von St. Germain, 80 Jahre Südtiroler Option und zum Paketabschluss vor 50 Jahren seinen Beitrag für den europäischen Geist im kleinen-großen Raum leisten. Produziert wurde die Dokumentation von Langbein & Partner aus Wien, die Service-Produktion leistete ammira Film aus Meran.
Der Film feiert seine Premiere am 29. August um 20:30 Uhr im Filmclub Bozen, außerdem wird er am 30. August um 20:00 Uhr in der Volkshochschule Urania Meran und am 5. September um 20:30 Uhr im Kolpinghaus von Bruneck gezeigt. Nach den Filmvorführungen finden Diskussionsrunden statt.
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Kommentare (2)
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meinemeinung
und mir Vinschger kenne sich den Film denken, Danke