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„Weitere Ausbeutung?“

Foto: Alpenverein/Benedikter

Die Kampagne #unserealpen geht in die nächste Runde: Bei einer internationalen Pressewanderung erläuterten die Alpenvereine die umfangreichen Wasserkraft-Pläne in den Stubaier Alpen.

„Gut fürs Klima, schlecht für die Natur?“ In der aktuellen Ausgabe 8/2019 bringe das Magazin GEO sehr treffend auf den Punkt, was viele Naturschutzverbände derzeit umtreibe, schreibt der Alpenverein in einer Aussendung. Denn die Alpen seien doppelt so stark vom Klimawandel betroffen wie der globale Durchschnitt.

„Gleichzeitig lastet auf den Alpen im Hinblick auf die Energiewende ein riesiger Erwartungsdruck. Der Konflikt ist offensichtlich: Einerseits gibt es große Potenziale zur Ausschöpfung der Wasserkraft, andererseits sind die alpinen Ökosysteme be- sonders wertvoll und empfindlich“, so der Alpenverein.

„In welcher Welt wollen wir leben?“

Für die Alpenvereine ist eine Auseinandersetzung mit diesem Konflikt existenziell wichtig – „und zwar nicht morgen oder übermorgen, sondern jetzt, wo die Klimakrise endlich ganz vorne auf der Agenda der Weltöffentlichkeit angekommen ist.“

Es gelte, Antworten zu finden auf Fragen wie diese: Wird uns die Energiewende in eine weitere Ausbeutung ökologischer und landschaftlicher Ressourcen treiben? Sind Konzepte wie „Renewable Alps“ und „klimaneutrale Alpen“ überhaupt realisierbar? In welcher (Alpen-)Welt wollen wir leben?

Der Wert der Alpen

„Einfache Antworten“, so der Alpenverein, „wird es nicht geben, das dürfte auch bei den Diskussionen im Rahmen der internationalen Pressewanderung deutlich werden, die am 22. und 23. August in den Stubaier Alpen stattfand. Wie viele andere Naturschutzverbände wissen die Alpenvereine um die Wichtigkeit der Energiewende. Ihre tiefe Überzeugung ist es aber auch, dass die Alpen einen unersetzbaren ökologischen und sozialen Wert haben. Seien also Eingriffe in die alpinen Ökosysteme noch so legitim: Die Alpenvereine sehen es als ihre Pflicht, die Öffentlichkeit über die Konsequenzen solcher Eingriffe zu informieren und für den Schutz der Alpen einzutreten. Dazu dient die Kampagne #unserealpen.“

Die aktuellen Aktionen

Zum Start der Kampagne im Dezember 2018 ging es vor allem um drohende Skigebietserschließungen in den Alpen. Und darum, die neue Kampagne bekannt zu machen. Mit drei gleichzeitig in Innsbruck, Bozen und München stattfindenden Pressekonferenzen haben die Alpenvereine im Dezember den internationalen Charakter der Kampagne deutlich gemacht.

In der zweiten Kampagnenwelle im Mai 2019 stand die europäische Dimension der Alpen Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Probleme in den Alpen europäischen Ursprungs sei, haben die Alpenvereine im Vorfeld der Europawahl klare Forderungen in Richtung Brüssel geschickt.

Foto: Alpenverein/Neuner

Sehr prominente Unterstützung kam dabei vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Bei einer gemeinsamen Wanderung im Mai sagte er mit Blick auf den alpinen Naturschutz: „Hier spielt der Deutsche Alpenverein zusammen mit den Partnerverbänden in Europa eine große Rolle. Das Stichwort heißt ‚Unsere Alpen‘!“

Ergänzend zur politischen Kommunikation starteten die Alpenvereine im Zuge der zweiten Kampagnen-Welle eine Mitmachaktion für Bergsportlerinnen und Bergsportler. Unter dem Hashtag #unserealpen waren sie aufgerufen, ihren Blick auf die Alpen zu teilen. Alleine bei Instagram sind mittlerweile mehr als 5.300 Fotos zusammengekommen.

Diese Fotos werden nun in der aktuellen dritten Kampagnenwelle im August und September 2019 in mehreren auflagenstarken Publikationen als Mosaik veröffentlicht. Die vierte Welle wird im Dezember 2019 starten und erneut Skigebietserschließungen im Fokus haben. Außerdem wird #unserealpen als Podcast erscheinen.

Der Alpenverein liefert Zahlen und Fakten über die Alpen:

  • 500 Millionen Übernachtungen jährlich im gesamten Alpenraum, die von 150 Millionen Gästen gebucht werden
  • 160 Millionen Skitage in den Alpen jährlich, das sind 43 Prozent der weltweiten Skitage.
  • 39 Prozent aller Skilifte weltweit stehen in den Alpen.
  • 10,4 Millionen Lkw-Fahrten wurden 2016 im alpenquerenden Straßengüterverkehr gezählt. Das ist ein Anstieg um 66 Prozent im Vergleich zu 2007. Damals waren es 6,06 Millionen Lkw-Fahrten.
  • 1.019 Wasserkraftwerke mit einer Leistung von mehr als fünf Megawatt gibt es in den Alpen. Daraus resultiert ein jährliches Erzeugungsvermögen von 166 Terawattstunden. Die gesamte Stadt München verbraucht etwa 7,5 Terawattstunden pro Jahr. Die Alpen sind die wichtigste Wasserkraftregion in Europa.
  • 128 Meter hat das Vilgratenkees in der Venedigergruppe im Sommer 2018 an Länge ein- büßt. Es war damit laut dem Gletscherbericht des ÖAV der österreichische Rekordhalter eines ohnehin rekordverdächtigen Jahres, in dem die alpinen Eismassen durchschnittlich 17,2 Meter an Länge verloren.
  • 2 Grad Celsius ist es heute in den Alpen im Jahresmittel ungefähr wärmer als Ende des 19. Jahrhunderts. Damit stiegen die Temperaturen im Alpenraum in diesem Zeitraum ungefähr doppelt so stark an wie im Vergleich zum globalen Mittel.
  • 13.000 Pflanzenarten kommen in den Alpen vor, neben 30.000 Tierarten. Laut WWF machen die in den Alpen beheimateten Gefäßpflanzenarten 39 Prozent der europäischen Flora aus. Selbst in den unwirtlich wirkenden hochalpinen Graslandschaften wachsen auf 100 Quadratmetern bis zu 80 Arten.
  • 8 europäische Staaten haben einen Anteil an den Alpen. Eine gemeinsame Strategie ist in der Alpenkonvention formuliert. Dieses Übereinkommen haben alle Alpenstaaten und die EU „zum umfassenden Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Alpen“ unterzeichnet.
Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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