„Klartext reden“
Warum Julia Unterberger einer Regierung der Proeuropäer gegen die Souveränisten gerne zustimmen würde. Und: Was aus dem Capitano in der Opposition wird.
Tageszeitung: Frau Unterberger, werden sich die 5-Sterne-Bewegung und der PD zusammenraufen?
Julia Unterberger: Ich bin optimistisch, dass eine neue Regierung aus PD, 5-Sternen und anderen Kräften des Mitte-Links-Lagers zustande kommt. In den von beiden Parteien vorgebrachten Punkten finden sich sehr viele Gemeinsamkeiten und ich hoffe, dass auch die Fähigkeit besteht, in den strittigen Punkten Kompromisse zu finden.
Aktuell steht die Idee im Raum, dass eine Frau das Ruder übernehmen könnte…
Das würde mich natürlich besonders freuen, auch wenn ich es schade finde, dass der PD ein Veto gegen Giuseppe Conte eingelegt hat. Man kann Conte sicher vorwerfen, einige umstrittene Maßnahmen mitgetragen zu haben, andererseits hat er aber den Schaden, den beide Parteien in vielen Fällen angerichtet hätten, begrenzt. Auch auf dem europäischen Parkett hat er eine gute Figur gemacht: Er hat zweimal ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien verhindert, er hat die 5-Sterne dazu gebracht, Ursula von der Leyen zu unterstützen und sich so auf die Seite der proeuropäischen Kräfte zu schlagen. Conte wäre meines Erachtens auch weiterhin ein Garant für Stabilität gewesen. Dazu kommt, dass es jetzt nach knapp eineinhalb Jahren international schon wieder einen neuen Ansprechpartner geben wird – das schadet Italien ganz sicher.
Parteiobmann Philipp Achammer hat erklärt, dass die SVP einer Regierung PD-5-Stelle nicht das Vertrauen aussprechen wird. Könnten Sie sich vorstellen, eine derartige Regierung, möglicherweise mit einer Frau an der Spitze, zu unterstützen?
Ich halte mich natürlich an die Parteilinie, auch wenn ich zugeben muss, dass ich einer solchen Regierung gerne zustimmen würde. Schließlich handelt es sich um eine Regierung der Proeuropäer gegen die Souveränisten. Es stimmt, dass es in den Reihen der 5-Sterne einige Minister gab, die autonomiefeindlich eingestellt sind, aber ich hätte einfach abgewartet, wer die neuen Akteure sind und wie sich diese zu Südtirol positionieren.
Am Dienstag wird der Staatspräsident eine neue Konsultationsrunde starten. Wie wird sich die Autonomiegruppe positionieren?
Bis auf die drei Senatoren der SVP wird die Autonomiegruppe voraussichtlich für die neue Regierung stimmen. Wir werden mit dem Staatspräsidenten Klartext reden, aber Mattarella hat bereits angedeutet, dass ihm eine Unterstützung der Autonomiefraktion wichtig wäre.
Glauben Sie innerparteilich überwiegt die Freude, dass Matteo Salvini in die Grube gefallen ist, die er selbst geschaufelt hat oder die Enttäuschung, dass man in Rom mit der Lega einen guten Partner verloren hat?
In der SVP sind sicher beide Meinungen vertreten. Ich wage jedoch die Behauptung, dass die meisten mit vielem was Salvini ausmacht, nicht einverstanden sind: sein Verhalten gegenüber Europa, sein Versuch der Annäherung zu Russland… Und ich glaube auch, dass die meisten Mitglieder der SVP seine Äußerungen über Migranten, Nomaden und andere Minderheiten nicht teilen können. Ein anderes Thema ist die Autonomiefreundlichkeit der Lega, welche natürlich die gesamte Partei, einschliesslich mir, anerkennt. Zur Gesamtbewertung kommt es dann darauf an, ob der Pragmatismus oder die Wertehaltung überwiegt.
Der Landeshauptmann hat Salvini als Hassprediger mit Rosenkranz bezeichnet. Hat er Recht?
Ja, hat er! Viele Journalisten und politisch Andersdenkende haben Salvini so oder ähnlich auf den Punkt gebracht. Es ist ganz offensichtlich, dass dieser einen Widerspruch verkörpert: Hasstiraden gegen Migranten mit dem Rosenkranz in der Hand oder der Dank an die Muttergottes für die unmenschlichen Sicherheitsdekrete. Sogar die katholische Kirche distanziert sich von ihm und der Papst will ihn nicht empfangen. Unser Landeshauptmann ist also in bester Gesellschaft.
Viele Beobachter dachten, dass Salvini, wenn er erst an der Regierung ist, entzaubert wird. Das genaue Gegenteil ist aber passiert. Was bedeutet eine Rückkehr in die Opposition für ihn?
Salvini ist erst durch das Amt des Innenministers so beliebt geworden. Die Italiener scheinen offensichtlich großen Bedarf an einem starken Mann zu haben und der Capitano hat dieses Bedürfnis gut stillen können. Dabei sind ihm Utensilien wie Polizei–T-Shirts, Autos, Hubschrauber und die anderen vielen Symbole, die er als Innenminister uneingeschränkt nutzen konnte, sehr hilfreich gewesen. Er hat den Eindruck vermittelt, als würde er für die Sicherheit der Italiener garantieren – und das hat den Italienern gefallen. Ich glaube, wenn Salvini dieses Spielzeug nicht mehr zur Verfügung steht und er keine Schiffe mehr blockieren kann, dann wird auch sein Glanz verblassen. Es kommt aber natürlich auch sehr darauf an, wie sich die eventuelle neue Regierung bewährt – wenn sie scheitert wird Salvini noch stärker.
Interview: Lisi Lang
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Kommentare (16)
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jennylein
…und die ganze Scheisse, die die 5stelle Minister verzapft haben, hat Frau Unterberger schon wieder vergessen. Hauptsache die linkslinken kommen wieder an die Macht und die Häfen werden wieder geöffnet.
Dass das Salvini in die Karten spielen wird, versteht sie nicht.
morgenstern
So gesehen ist das was aktuell politisch zelebriert wird ein Glücksfall für Salvini denn das neue Zweckbündnis aus PD und 5* muss die MwSt. erhöhen und wird weiterhin Schiffe einlaufen lassen bis es nach kurzer Zeit in sich zusammen fällt und Neuwahlen anstehen.
Was dann kommt wird die EU durchschütteln wie bei einem Erdbeben..
andreas
Wieder mal ein Kapitalfehler Achammers sicb vorab festzulegen, dass die SVP dem PD und M5S nicht zustimmt.
Wann wird der Typ endlich in die Wüste geschickt?
diegonicolini
Ich kann es nie genug wiederholt haben: Die 5-Sterne-Bewegung ist keineswegs ein Feind der Autonomie, sondern ein starker Unterstützer. Kein 5SB-Minister hat unsere Autonomie angegriffen, sondern Privilegien, Ungerechtigkeiten, Illegalität. Die SVP, die Achammer repräsentiert, ist die SVP, die unsere Autonomie missbraucht und vergewaltigt. Diese SVP will die Interessen aller Südtiroler überhaupt nicht schützen: Sie zeigt mit dem Finger auf die eine Seite, damit sie auf der anderen Seite ihre Geschäfte machen und für einige wenige ein System der Privilegien aufrechterhalten kann. Diejenigen, die sich von dieser Lüge täuschen lassen, sind für ihr eigenes Übel verantwortlich.