Perchiner Warnschuss
600 Bürger hatten am Sonntag die Straße bei Percha blockiert. Warum der Stau absichtlich provoziert wurde. Was man von der Landesregierung erwartet. Und warum der Bürgermeister tatsächlich aus der SVP ausgetreten ist.
von Silke Hinterwaldner
Stefan Podhajski hat immer gern in Südtirol Urlaub gemacht. Aber am Sonntag hat sich das grundlegend geändert: Am Vormittag steckte er plötzlich im Stau, mit an Bord seine schwangere Lebensgefährtin.
Grund für den Stau war die Kundgebung für den Bau der lang ersehnten Umfahrung von Percha. Von der Auffahrt Bruneck West bis Percha, sagt Urlauber Podhajski, habe er „ganze zwei Stunden und 15 Minuten auf 6,4 Kilometer an Lebenszeit verloren“. Er zeige zwar Verständnis für die Bedürfnisse der Bürger von Percha, aber kein Verständnis dafür, dass die Aktion nicht wie angekündigt eine Verzögerung von 20 Minuten, sondern weit mehr Zeit in Anspruch genommen habe. Seinen Unmut machte Stefan Podhajski in einem Brief an den Bürgermeister von Percha Luft.
Joachim Reinalter hat eine andere Sicht auf die Dinge. „Die Kundgebung war ein Riesenerfolg“, sagt der Bürgermeister, „es gab tolle Rückmeldungen von den Leuten.“ Beim Mobilitätstag am Sonntag hatten sich in Percha an der Straße rund 600 Bürger versammelt, mit Spruchbändern und Schildern ausgestattet, auf denen man lesen konnte: „Wir haben genug!“, „Wir wollen sicher über die Straße kommen!“ oder „Mehr Lebensqualität für Percha“. Wegen der Kundgebung bei Percha musste die Straße für rund 40 Minuten gesperrt werden, in der Folge gab es in beide Richtungen für mehrere Stunden Stau.
Dass sich die PKW im Hochsommer Stoßstange an Stoßstange durch das Dorf reihen, ist mittlerweile Alltag. Im Jahresdurchschnitt fahren auf diese Strecke täglich 19.000 Autos, an Spitzentagen im August können es auch über 30.000 sein. Dabei gibt es für Percha schon lange einen Plan für den Bau einer Umfahrung. Nur mit der Umsetzung hapert es. Als die Landesregierung im Juni per Beschluss die für die Planung vorgesehenen Gelder kurzfristig umgebucht hat, riss den Gemeinderäten in Percha der Geduldsfaden: Man beschloss eine Kundgebung zu organisieren. Und die SVP-Räte kündigten den Austritt aus der Partei an.
„Die Situation an der Straße wird jedes Jahr schlimmer“, sagt Bürgermeister Reinalter, „deshalb mussten wir darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, dass endlich etwas weitergeht.“ Das Verkehrsproblem an der Pustertaler Straße betrifft aber freilich nicht nur Percha, sondern das gesamte Einzugsgebiet: Auch der Bürgermeister von Rasen Antholz und Gemeindevertreter aus Olang und Niederdorf waren deshalb am Sonntag nach Percha gekommen, um Solidarität zu demonstrieren.
Aber, was bringt das alles? Wie geht es jetzt weiter? Joachim Reinalter hat in wenigen Tagen einen Termin beim Landeshauptmann. Dabei soll vor allem ein weiterer Termin festgelegt werden: Jener für die Bürgerversammlung in Percha innerhalb September, bei dem Arno Kompatscher sein Konzept vorstellen soll. Erst dann wird sich zeigen, ob die Perchiner mit der Verkehrspolitik vor allem in Bezug auf die eigene Umfahrungsstraße einverstanden sind.
Davon wird wohl auch abhängen, wie es mit der Volkspartei in Percha weitergeht. „Wir müssen das Vertrauen der Bürger wieder gewinnen“, sagt Bürgermeister Reinalter, „ansonsten hat die SVP in Percha ohnehin keine Chance. Als kleiner Gemeindepolitiker fühlt man sich nicht gerade bestärkt, wenn man nicht weiterkommt.“ Von Jahr zu Jahr habe man die Leute vertröstet und immer wieder Versprechen abgegeben, die schlussendlich nicht gehalten wurden. Deshalb ist Reinalter ausgetreten – und mit ihm der Großteil der Gemeinderäte. „Ich bin im Moment nicht Mitglied der SVP“, sagt er. Ob er es je wieder werden wird, lässt Joachim Reinalter offen.
Die Freiheitlichen in Percha haben dieses Problem nicht. In einem Aufruf an den Landeshauptmann sagen sie: „Es sollte Ihnen nun klar sein, dass nicht nur der Gemeinderat, Gemeindeausschuss und der Bürgermeister den baldigen Bau der Umfahrung fordern. Auch die Vereine der Gemeinde, die Kirche und zu guter Letzt die Bevölkerung haben unmissverständlich klar gemacht, dass es nun genug ist mit vertrösten und hinauszögern. Im September bei der Bürgerversammlung haben Sie die Möglichkeit, das Vertrauen wieder herzustellen.“
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