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„Hassprediger mit Rosenkranz“

Arno Kompatscher

LH Arno Kompatscher rechnet mit den „Römern“ ab: Matteo Salvini habe das Klima in Italien vergiftet, die Grillini seien unfähig. Und mit dem heillos zerstrittenen PD sei auch kein Staat zu machen.

TAGESZEITUNG Online: Herr Landeshauptmann, spinnen sie, die Römer?

Arno Kompatscher: Eine Regierungskrise kommt nie zum richtigen Zeitpunkt, sondern ist immer ein Problem, weil sie bedeutet Instabilität. Die Zinsen steigen. Die Wirtschaft wird geschwächt. Aber da die Regierung nur am Streiten und nicht am Regieren war, gab es eh keinen Ausweg.

Kam es für Sie überraschend, dass Matteo Salvini ausgerechnet zu Ferragosto die Reißleine gezogen hat?

Nein, diese Entscheidung lag in der Luft. Salvini hat jede Möglichkeit der Provokation gesucht, die 5-Sterne-Bewegung hat zu seinem Leidwesen alles geschluckt, was er ihr vorgeschmissen hat (lacht). Irgendwann hat Salvini dann selbst die Krise ausgerufen, nachdem die andere Seite den Fehdehandschuh nicht angenommen hat. Das eigentliche Ziel war ja, dass die 5-Sterne-Bewegung mit der Lega bricht …

Momentan ist in der römischen Politik kein Stein mehr auf dem anderen. Gehen Sie von Neuwahlen aus?

Das ist immer noch eine wahrscheinliche Variante. Es gibt natürlich auch andere Vorstellungen. Man will Salvini das Feld nicht kampflos überlassen.  Der ehestmögliche Zeitpunkt für Neuwahlen ist der bestmögliche für Salvini. Alle anderen Kräfte sind unvorbereitet und/oder in der Krise. Der PD steckt in einem innerparteilichen Zwist, deshalb würde man gern Zeit gewinnen, wobei 5-Sterne und PD auch zwei Argumente haben, die nachvollziehbar sind, die Frage ist nur, ob sie damit durchdringen …

Diese Argumente wären?

Da wäre einmal, dass eine technische Regierung oder eine Übergangsregierung  ein ordentliches Haushaltsgesetz verabschiedet. Und das zweite und schlagende Argument wäre, zunächst noch die Verfassungsrechtsreform zu verabschieden und die Zahl der Parlamentarier drastisch zu reduzieren. Das wäre eigentlich der Wunsch aller Parteien und auch der Wunsch der Bevölkerung gewesen. 

Sie waren nie ein großer Freund einer Koalition mit der Lega auf Landesebene. Hoffen Sie insgeheim, dass sich das Problem jetzt von alleine löst?

Die wahrscheinliche Variante ist, dass es nach den Wahlen eine Mitte-Rechts-Koalition gibt, wobei dann auch Rechtsaußen-Positionen mit drinnen sein werden und eine faschistische Ideologie mit Einzug halten wird …

… Sie sprechen die Fratelli d’Italia an …

… was für Südtirol sicher nicht in Ordnung wäre. Bei der Lega ist es so, dass sie in Sachen Autonomie auf jeden Fall südtirolfreundliche Positionen einnimmt, im Gegensatz zu den Vertretern der 5-Sterne, die nicht nur ahnungslos waren, sondern auch noch stets zentralistische Positionen vertreten haben. Künftig wird man zwei Seelen haben: Das eine sind die föderalistischen Wurzeln der Lega, das andere ist der Sovranismus, sprich: Nationalismus. Das „Prima gli italiani“ spießt sich halt mit Sonderregelungen für Minderheiten, das müssen auch die großen Salvini-Fans, die es auch in Südtirol gibt, erkennen. Es gibt in der Lega immer noch viele Autonomisten, aber das, was Salvini propagiert – „Prima gli italiani“ –, ist mit Minderheitenschutz und Vielfalt schwer zu vereinbaren. 

Eine Regierung mit Frau Meloni wäre für Südtirol ein Problem?

Ob eine Regierung mit Frau Meloni noch autonomiefreundlich wäre, da hätte ich große Zweifel.

Was halten Sie generell von der Art Salvinis Politik zu machen?

Der Salvini-Auftritt auf dem Spatzen-Fest

Was soll man sagen zu einem Innenminister, der in der Polizeiuniform durch ganz Italien zieht und das Thema Migration und Sicherheit zum einzigen Thema macht? Um Missverständnisse zu vermeiden: Das ist ein wichtiges Thema, das die Politik anzugehen hat. Aber dass man es gleichzeitig zulässt, dass der Movimento-5-Stelle den Karren völlig an die Wand fährt und man sich um alle anderen Fragen – die sozialen Fragen, die Frage der Infrastruktur, die Finanzpolitik, die Staatsverschuldung usw. – überhaupt nicht kümmert, ist mehr als nur fahrlässig.

Halten Sie Salvini für gefährlich? Es gibt Beobachter, die prophezeien, dass Italien unter Salvini aus Europa fliegen und zu einem Klein-Russland wird …

Salvini bedient die niederen Instinkte, er präsentiert einen Sündenbock: die Ausländer! Schuld sind immer die anderen: die Ausländer, die EU! Damit lenkt man von den eigenen Hausaufgaben ab, die mitunter sehr schmerzhaft wären. Auch müsste man sich von einigen Dingen verabschieden, wie beispielsweise vom italienischen Schlendrian. Die einfachen Botschaften Salvinis kommen an. Was mich besorgt, ist der Hass, der mitschwingt …

Karl Zeller hat in einem TAGESZEITUNG-Interview gesagt, Salvini habe Italien bösartiger gemacht …

Salvini wirkt manchmal wie ein Hassprediger mit Rosenkranz.

Geben Sie einer Renzi-PD-Regierung mit der 5-Sterne-Bewegung eine Chance?

Für mich wäre eine weitere Regierungsbeteiligung der 5-Stelle genauso keine gute Perspektive. Man muss sich nur die Positionen einer Gesundheitsministerin Grillo oder die absurden Geschichten rund um das Bürgereinkommen ansehen. Für eine Regierung zwischen PD und 5-Stelle gibt es zu diesem Zeitpunkt keine ausreichende Legitimation.

Was würden Neuwahlen für Südtirol bedeuten?

Für uns relativ wenig, denn seit Montag gibt es eine klare Positionierung von Rechts bis Rechtsaußen zum einen und von Links bis Linksaußen auf der anderen Seite. Da wird die SVP wohl nichts anderes tun können und wollen, als eine Position der Mitte einnehmen.

Mit welchem Partner würde die SVP in Neuwahlen gehen?

Wir brauchen nicht unbedingt einen Partner, wobei ich jetzt nicht den Entscheidungen meiner Partei vorgreifen möchte. In einer Situation, wo sich die zwei Blöcke, mit denen die SVP zum Teil ideologisch nichts anfangen kann, erscheint es mir ein richtiger Zugang, sich außerhalb dieser beiden Blöcke zu positionieren. 

Sie gehen aber eher von Neuwahlen aus?

Ja, wenn man jetzt eine Übergangsregierung machte, würde dies den Anschein haben, dass man an den Sesseln festhalten will. Sprich: Dass Renzi nicht wählen lassen will, weil er seine Mehrheit innerhalb des PD halten will und dass die Grillini gegen Neuwahlen sind, weil die Hälfte der Parlamentarier nicht mehr gewählt würden. Auf diese Weise würde man am Ende nur Salvini stärken. Der Staatspräsident gibt sich sicher nicht dafür her, eine neue Mehrheit im Parlament zu suchen. Ideal wäre, wenn es wirklich eine Einigung quer durch alle Parteien – einschließlich Salvini – für eine Übergangsregierung mit einem klaren Auftrag gäbe, die zwei Dinge zu machen: ein sauberes Haushaltsgesetz und die Reduzierung der Anzahl der Parlamentier.

Wie steht Italien wirtschaftlich da nach anderthalb Jahren Regierung Lega-5-Sterne?

Schlechter als zuvor, und es war vorher nicht gut. Wir nähern uns langsam dem Griechenland-Niveau, das Vertrauen der Märkte ist verloren gegangen. Die Zinsen sind wieder deutlich gestiegen. Es gibt Verunsicherung, man traut auch dieser Regierung nicht zu, Italien aus der Krise zu führen. Die Stimmung ist allgemein aggressiver geworden, die Sprache radikaler. Es gibt neben dem Thema Migration kaum Debatten über die großen anstehenden Fragen. Und es gibt vor allem eine Parteienlandschaft, der man es absolut nicht zutraut, Alternativen aufzuzeigen. Das sage ich jetzt aus der Erfahrung der letzten anderthalb Jahre heraus, wo es mit Ministerien, die von der Lega geführt sind, durchaus eine gute Zusammenarbeit gegeben hat. Das gilt für die Ministerin Stefani oder für Unterstaatssekretär Giorgetti. Das sind Leute, die Verwaltungserfahrung haben und mit denen man absolut gut zusammenarbeiten kann. Aber dieser aggressive Politikstil des Capitano war ein Problem, das andere waren die komplette Ahnungslosigkeit der 5-Sterne-Leute und die Zerstrittenheit des PD.

Mit der 5-Sterne-Bewegung gehen Sie hart ins Gericht …

Tut mir leid, aber es schaut teilweise so aus, dass der Minister wurde, wer gerade Zeit hatte. Die haben ihre Leute per Mausklick rekrutiert. Beim PD ist man heillos zerstritten, da geht es um interne Machtkämpfe, das ist auch ein erbärmliches Schauspiel. Es hat schon bessere Zeiten in der Politik gegeben, ich hoffe, es kommen wieder bessere.

Und für die Landesregierung sehen Sie keine Probleme?

Wir haben lokal eine Situation, wo sich die beiden Landesräte sehr gut eingearbeitet haben. Es hat sich ausgezahlt, dass wir hart verhandelt, haben, wir haben eine klare Regierungsvereinbarung, die arbeiten wir ab …

Die Regierung wird fünf Jahre lang halten.

Davon gehe ich aus.

 

Interview: Artur Oberhofer

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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