Tatverdacht: Porno-Rache
Wenige Tage nach Inkrafttreten des „Codice rosso“ zum Schutz von Opfern sexueller Gewalt geht am Bozner Landesgericht die erste Anzeige zum neuen Strafbestand der Porno-Rache ein.
von Thomas Vikoler
Was bisher in strafrechtlicher Hinsicht als Belästigung oder Verletzung des Datenschutzes eingestuft wurde, ist seit vergangener Woche ein eigener Strafbestand: Porno-Rache, also das rechtswidrige Verbreiten von intimen Videos und Fotos. Gegen den Willen der dort dargestellten Personen.
Am 9. August ist der sogenannte „Codice rosso“ in Kraft getreten, eine Reihe von Bestimmungen zum Schutz von Opfern sexueller Gewalt. Dazu gehört Artikel 612ter, worauf ein Strafrahmen von einem bis sechs Jahren Haft und eine Geldstrafe von 5.000 bis 15.000 Euro steht. Die Strafen werden erhöht, wenn die Datenträger mit sexuellem Inhalt vom Ehemann oder Ex-Ehemann und von früheren Partnern der betroffenen Person verbreitet werden. Ebenso wenn das Opfer psychisch beeinträchtigt oder schwanger ist.
Was genau in der Anzeige steht, welche eine Südtirolerin Anfang dieser Woche bei der Staatsanwaltschaft Bozen erstattet hat, ist nicht bekannt. Auf jedem Fall handelt es sich um den ersten Fall am Landesgericht, zu dem eine Ermittlung zum neuen Tatbestand Porno-Rache nach Artikel 612ter aufgenommen wird. Der Namen des Tatverdächtigen wurde ins Ermittlungsregister eingetragen, der Fall wird von der Arbeitsgruppe betreut, welche sich mit sexueller Gewalt, Misshandlung in der Familie, Stalking und Delikten im Gesundheitsbereich befasst. Die so genannten „verletzbaren Kategorien“.
Die Arbeitsgruppe, die von der stellvertretenden Staatsanwältin Luisa Mosna koordiniert wird, hat zwischen 2013 und 2018 insgesamt 600 Ermittlungsverfahren eingeleitet, also um die hundert pro Jahr. Tendenz leicht steigend. 15 bis 20 Prozent der Anzeigen betreffen Sexualdelikte. In rund der Hälfte der Fälle wurden im Laufe der Verfahren Zwangsmaßnahmen gegen Tatverdächtige verhängt, wie die Entfernung aus der Familie, Annäherungs- und Kontaktverbote. In 20 Prozent der Fälle wurden die behördlichen Vorschriften verletzt, die Personen, denen sie galten, hielten sich nicht daran.
Diese Quote dürfte mit dem Inkrafttreten des „Codice rosso“ sinken, den ein Verstoß gegen die Zwangsmaßnahmen ist nunmehr ein eigenes Strafdelikt mit einem Strafrahmen zwischen sechs Monaten und drei Jahren Haft. Um eine Einhaltung von Annäherungs- und Kontaktverboten durchzusetzen, können die Behörden ab nun auch elektronische Fußfesseln anordnen. Die Betroffenen sind dann rund um die Uhr überwacht.
Eine weitere Neuerung der verschärften Bestimmungen: Personen, welche nach einem Sexualdelikt eine Aussetzung der Strafe erhalten wollen, müssen vorher einen Anti-Gewalt-Kurs absolvieren.
Insgesamt Maßnahmen, mit denen der Gesetzgeber der in Italien grassierenden Gewalt gegen Frauen mit zahlreichen durch (Ex)Partner begangenen Morden entgegenwirken will. Südtiroler war im Jahre 2018 in dieser Statistik ganz vorne: Es gab nicht weniger als sechs Morde, bei denen Frauen die Opfer waren. Und in keinem der Mordfälle hatten die Opfer vorher Anzeige gegen ihre Partner/Ehemänner erstattet.
Deshalb die Empfehlung von Staatsanwältin Luisa Mosna: „Anzeigen, anzeigen, anzeigen“.
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