„Ein sehr aufreibender Beruf“
Nicht nur in Südtirol werden Krankenpfleger immer rarer. Andreas Dorigoni, Landessekretär des ASGB-Gesundheitsdienstes, erklärt, wieso dieser Beruf für viele Menschen so unattraktiv erscheint.
Tageszeitung: Herr Dorigoni, wieso gibt es so wenig Leute, die den Beruf der Krankenpflege ausüben wollen?
Andreas Dorigoni: Das ist sicherlich eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Die ganze Problematik wird von mehreren Faktoren bestimmt, die ineinander spielen. Ein grundlegendes Problem, welches wir als Gewerkschaften auch beeinflussen können, sind die Lohnelemente, die Wirtschaftlichkeit und die Behandlung am Arbeitsplatz. Es ist mittlerweile allen bewusst, dass es dort Aufholbedarf gibt. Ich glaube aber auch, dass dies nicht der alleinige Grund dafür sein kann, dass dieser Beruf, vielen Menschen so unattraktiv erscheint. Die Lohnerhöhung allein würde dieses Problem nicht beheben. Fakt ist ja auch, dass dieses Berufsfeld in ganz Europa eher rückläufig ist. Nicht nur die des Krankenpflegers sondern auch der Ärzte. Diese Berufsfelder sind in ganz Europa gerade Mangelware. Grund hierfür sehe ich in der Arbeitsintensität und in der körperlichen und psychischen Belastung, die für die Menschen sehr aufreibend sein kann. Es wird mit Patienten in teilweise sehr schweren gesundheitlichen Situationen gearbeitet, was natürlich schwieriger ist, als wenn ich einen ganz normalen Bürojob nachgehe.
Wie ist die Situation in Südtirol? Verdient man in den Nachbarländern besser?
Das ist sicher einer der vielen Gründe. Ich sehe es jetzt aber nicht als einen der Hauptgründe. In Österreich und in der Schweiz wird es sich schon ein wenig besser verdienen lassen, ich finde aber, dass diese Problematik ein wenig hochgeschaukelt wird. Es gibt sicher einige Südtiroler die aus diesem Grund ins Ausland gehen, vor allem in die Schweiz. Man kann dem Phänomen aber sicherlich nicht die Hauptschuld geben.
Es spielen also mehrere Faktoren eine Rolle…
Genau. Ein Faktor ist natürlich das Wirtschaftliche. Dazu kommt, dass es ein sehr aufreibender Beruf ist, körperlich wie auch psychisch.Es ist für viele Menschen nicht einfach damit umzugehen. Man muss einfach für diesen Beruf gemacht sein.
Glauben Sie, dass besonders junge Menschen damit zu kämpfen haben?
Es ist vielleicht jetzt ein schwarzer Fisch und nicht einfach zu dokumentieren, aber vielleicht liegt es ja auch einfach an der Mentalität der jungen Leute, die sich in dem Bereich ein wenig verändert hat. Es kann ja sein, dass die Bereitschaft unter den jungen Leuten einfach im Rückgang ist, einen so aufopfernden Beruf ausüben zu wollen. Das könnte vielleicht auch eine Rolle in der ganzen Problematik spielen.
Was halten Sie davon, dass Krankenpfleger für den Beruf auf Social-Media werben?
Ich glaube, jeder Versuch ist es Wert durchgeführt zu werden. Ich glaube, von vornerein zu sagen: „Das bringt nichts“, wäre falsch. Wie viel es letzten Endes bringt, ist natürlich schwer zu sagen. Ich bin aber davon überzeugt, dass jede noch so kleine Aktion die Gesamtsituation verbessern kann.
Welche Maßnahmen müssten sonst noch ergriffen werden, um den Beruf attraktiver zu gestalten?
Ein wesentlicher Bestandteil in der Verbesserung der Gesamtsituation ist natürlich die Lohnanpassung. Es braucht aber sicherlich mehr als das. Eine wichtige Maßnahme besteht in der Entlastung der Mitarbeiter. Zusätzlich zu den schon vorhandenen Entlastungsmöglichkeiten, müssen neue eingeführt werden. Dementsprechend ist es auch wichtig, diese auf jedes Feld im Berufszweig der Pflege auszuweiten. Es ist wichtig, den Mitarbeitern entgegenzukommen. Sei es in der Form von mehr Urlaubstagen, oder in weniger Arbeitsstunden. Gerade ab einem gewissen Alter ist es wichtig das Personal zu entlasten. Wie wir alle wissen, müssen wir mittlerweile überall länger arbeiten und es macht da natürlich einen Unterschied, ob man dies in einem Pflegeberuf oder einem weniger belastenden Beruf tut.
Das wird natürlich schwer, wenn kein Personal vorhanden ist, das die Arbeitszeiten ausgleichen kann…
Es geht ja vor allem darum, den Beruf durch solche Maßnahmen generell attraktiver zu machen, damit der Personalnotstand auf langer Sicht auch ausgeglichen werden kann.
Interview: Maximilian Steffen
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Kommentare (7)
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andreas
Die Bezahlung für Pflegekräfte ist unter aller Kritik und die Arbeit mit z.B. alten Leuten ist nun mal streng und manchmal an der Grenze des Zumutbaren.
Wer lässt sich schon gerne für nicht mal 1.500 Euro 12 Stunden am Tag gerne beschimpfen, bedrohen oder teilweise betatschen?
Da es in Südtirol zur Zeit über 100.000 Menschen gibt, welche älter als 65 Jahre sind, wird das Problem in Zukunft noch größer werden. Dass die Jugend nicht interessiert wäre, habe ich nicht den Eindruck, doch eigentlich sollte man jedem abraten, wenn man sich Lohn- und Arbeitsbedingungen ansieht.
Es gibt wohl nur 2 Möglichkeiten, entweder die Arbeitsbedingungen massiv verbessern, weniger Stunden und mehr Lohn oder aus dem Ausland rekrutieren und diese so lange „ausnutzen“, bis sie auch verstanden haben, dass diese Konditionen unzumutbar sind.
Mit der Einstellung von Herrn Dorigotti, dass sich die Jugend anscheinend nicht „aufopfern“ will, wird sich auch nichts ändern. Es liegt nicht an der Jugend, es liegt an den unzumutbaren Zuständen, für welche auch er verantwortlich ist. Es ist wohl leichter, mal anderen die Schuld zu geben…..
Was heißt eigentlich „Es ist vielleicht jetzt ein schwarzer Fisch…“ ?
george
‚andreas‘, er heißt Dorigoni und nicht „Dorigotti“. Mit Oberflächlichkeit ändert man auch nichts. Mit „kann, dürfte, vielleicht, ich glaube usw.“ wird man wenig ändern können. Es sind in den einzelnen Bereichen klare Feststellungen und Nachweise zu erbringen und darzulegen, dass die Arbeitsbedingungen und die Lohnelemente verbessert werden müssen und wo unmittelbar dazu die Maßnahmen zu setzen sind, dass Verbesserungen unmittelbar greifen. Zudem müssen auch die Anstellungsmöglichkeiten, die amtliche Anerkennung des Berufes, die Einstufung, die Verankerung in derGesellschaft, die Möglichkeiten des Ausgleichs und der Teamarbeit verbessert werden. Schon allzulang wird über diese Sachbereiche nur herumgeredet und geschrieben, aber nicht gehandelt.
andreas
Dein Kommentar ist eigentlich dasselbe schwammige Gerede wie das von Herrn Dorigoni, welchen ich fälschlicherweise Dorigotti genannt habe, was aber am Sachverhalt, dass die Bezahlung mies und die Belastung enorm ist, nichts ändert.
Ein großer Teil der Lohnerhöhung der Landesangestellten sollte eigentlich in diesen Bereich gehen.
george
Du bestätigst mit diesem Kommentar eigentlich nur dich selber darin, dass du Texte weder konkret zu unterscheiden noch inhaltlich zu werten weißt, sondern es dir nur darum geht dich selbst hochzuspielen und andere zu degradieren, die deinem Narzissismus nicht Genüge tun.
andreas
@george
Vielleicht liegt der Grund für die momentane prekäre Situation im Umstand, dass die Leute in den verantortlichen Posten nicht Roß und Reiter nennen, sondern, ähnlich wie du, philosophiosche Vorträge halten, ohne auf den Punkt zu kommen.
Schlechte Arbeitsbedingungen und eine miserable Bezahlung schrecken natürlich jeden Jugendlichen ab.
Das hat nichts mit deren Mentaliät zu tun und es ich auch absurd von Jugendlichen zu erwarten, „aufopferungsvolle“ Berufe zu ergreifen, nur weil wir als Gesellschaft nicht bereit sind, diese angemessen zu entlohnen.
george
Habe genauso wie du die schlechten Arbeitsbedingungen, die geringe Entlohnung und noch einiges mehr genannt. Wieso willst du nur bei dir konkrete Aufzählungen sehen, etwa weil du bestimmte weitreichendere Ausdrücke der deutschen Sprache nicht in ihrer tieferen Bedeutung kennst oder eventuell auch nur ein relativ enges Sprachpaket des überaus reichhaltigen Wortschatzes der deutschen Sprache beherrschst? Mir ist dieser Sachverhalt zu wichtig um mit dir am Thema vorbei darüber herum zu streiten. Bleib beim Ross und beim Reiter und seh dich nicht immer im Mittelpunkt, dann kannst du auch manch weiter reichende Argumente gelten lassen, die du sonst immer als rein „philosophisch“ abtust oder abwürgst, wenn du selbst damit nicht zurecht kommst und es zu bequem bist, dich damit etwas stärker auseinander zu setzen. Und genau dieser Sachverhalt wäre dann bei dir nicht nur mit „schlechten Arbeitsbedingungen und miserabler Bezahlung“ abgetan.