„Sacrificium“
Der Verein Kulturweg Gais hat im Sommer 2017 im Pfarrheim von Gais einen dreiteiligen Ausstellungszyklus begonnen, der die Werke der Gaisinger Bildhauer Heinrich und Franz Bacher in einen Dialog mit zeitgenössischen Südtiroler Künstlern bringt. Im nunmehr dritten Teil, der den Titel „Sacrificium“ trägt, werden ausgewählte Bacher-Plastiken großformatigen Skulpturen und Zeichnungen des Gadertaler Künstlers Lois Anvidalferei gegenübergestellt.
Die Werke der Gebrüder Bacher sind in Kunstkreisen sehr wohl bekannt, doch verdienen sie es nach Meinung des Vereins Kulturweg Gais, auch dem breiten Publikum näher gebracht zu werden. Die Holzplastiken von Heinrich Bacher (1897-1972) und Franz Bacher (1903-1981) stecken nämlich voller Widersprüche, die durch die Zeit bedingt sind, in denen sie entstanden sind – nämlich im Spannungsfeld zwischen der Wirtschaftskrise in den ausgehenden 1920er Jahren, dem Erstarken des Faschismus und Nationalsozialismus und der nicht minder schwierigen Nachkriegszeit. Als Künstler ist ihre Qualität kaum umstritten: Im Fahrwasser des Futurismus und der Neuen Sachlichkeit haben sie Kunstwerke von überregionaler Bedeutung geschaffen.
Jede Menge Opfer
In der diesjährigen Kunstschau unter dem Titel „Sacrificium“ (lateinisch: Opfer) geht es um ein zentrales Motiv der Kunstgeschichte, nämlich den leidenden Menschen in vielen Varianten. Bereits am Beginn der Menschheitsgeschichte – zumindest gemäß der christlichen Überlieferung – stand ein Brudermord: Kain erschlug Abel, um die Alleinherrschaft zu übernehmen. In der Folge gab es unzählige Opfer, etwa Jesus, der sich gleich für die ganze Menschheit hingab. In der Ausstellung wird die noch sehr konventionell gestaltete, aber nichtsdestotrotz beeindruckende Pietà von Heinrich Bacher gezeigt, die sonst in der Auferstehungskapelle von Gais zu sehen ist. Lois Anvidalfarei durchbricht diese Konvention: Bei ihm beweint der Sohn die Mutter, schließlich sind sie beide Opfer. Denn laut Neuem Testament ist beiden klar, welches Schicksal ihnen zugedacht ist, welche Rolle sie im „Heilsgeschehen“ zu erfüllen haben. Von Franz Bacher wird unter anderem der „Gehängte“ gezeigt – auch ein Opfer, sei es, dass er sich selbst gerichtet hat, sei es, dass er durch Staatsgewalt hingerichtet wurde. In Zeiten, in denen Südtirol eine der höchsten Selbstmordraten im Alpenraum aufweist, empfiehlt es sich zu erforschen, was uns die Kunst zu diesem Thema zu sagen hat. – Lois Anvidalfarei (Jahrgang 1962) lebt und arbeitet auf seinem Bauernhof in Abtei, der zugleich sein Atelier beherbergt, und zählt heute zu den wichtigsten Bildhauern Südtirols und der angrenzenden Regionen.
Die Ausstellung im Pfarrheim von Gais ist vom 2. bis zum 24. August zu sehen, jeweils von 10 bis 12 und von 16 bis 18 Uhr; der Eintritt ist frei.
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