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Die Boxerin

Magdalena Pircher aus Bozen ist Muay-Thai-Boxerin. Was eine junge Frau antreibt, eine der härtesten Kampfsportarten der Welt auszuüben.

von Eva Maria Gapp

Während sich andere nach der Arbeit einen gemütlichen Abend machen oder sich mit Freunden treffen, geht Magdalena Pircher trainieren. Sechs Mal die Woche – und das bei Sonnenschein oder Regen. Die 21-jährige ist eine taffe Frau. Das weiß auch ihr Trainer Franz Haller: „Magdalena ist sehr zielstrebig. Sie sieht aus wie ein zartes Mädchen, innerlich ist sie aber sehr stark. Das darf man nicht unterschätzen. Sie kann auf alle Fälle Karriere machen“, sagt er stolz.

Seit etwa zwei Jahren übt die 21- Jährige eine der härtesten Kampfsportarten der Welt aus: Muay Thai. Es wird mit Fäusten, Knieschlägen und Tritten gekämpft. Für Pircher ist das aber normal: „Man teilt aus, muss aber auch einstecken können“, sagt die Boznerin selbstbewusst, die zukünftig in der Weltklasse mitmischen möchte. „Profiboxerin zu sein, wäre mein absoluter Traum“, sagt sie. Zugleich möchte sie aber auch anderen Mädchen und Frauen zeigen: „Kampfsport kann nicht nur von Jungs oder Männern betrieben werden, auch wir haben das Zeug dazu“, betont sie.

Tageszeitung: Frau Pircher, wie kommt eine junge Frau dazu, eine der härtesten Kampfsportarten der Welt auszuüben: MuayThai-Boxen?

Magdalena Pircher: Sportlich bin ich immer schon gewesen und Boxen ist etwas, das mich schon früh fasziniert hat. Vielleicht war es dieser Nervenkitzel. Mit 16 habe ich dann das erste Mal geboxt. Ich habe gemerkt, dass es mir wahnsinnig gut gefällt. Ich habe dann fünf Jahre lang Kickboxen betrieben, seit etwa zwei Jahren mache ich nun Muay Thai.

Warum sind Sie nicht bei Kickboxen geblieben?

Kickboxen ist super, aber mit der Zeit möchte man dann zur Königin der Boxsportarten, und das ist nun mal Muay Thai. Von dieser Sportart bin ich begeistert.

Was begeistert Sie genau daran?

Mein größter Ansporn ist, dass ich mich mit Anderen messen kann. Man hat auch schnell Erfolgserlebnisse. Zudem ist Muay Thai im Gegensatz zu Kickboxen, viel traditioneller. Vor jedem Wettkampf macht man einen speziellen Tanz, um die bösen Geister aus dem Ring zu vertreiben. Muay Thai hat auch eine über 1.500 Jahre alte Geschichte. Mir gefällt das. Was noch hinzukommt: Im Gegensatz zum Kickboxen sind auch Ellenbogenund Knieschläge erlaubt und man darf in Clinch gehen. Das heißt, ich darf meine Gegnerin umklammern oder ihr auch einen Fuß stellen.

Es geht also hart zu…

Ja, es kann schon hart zugehen, aber wenn man diese Sportart ausübt, ist man sich den Gefahren bewusst. Bei meinem letzten Wettkampf zum Beispiel hat sich meine Gegnerin wehgetan, es stellte sich heraus, dass sie ein paar Rippen gebrochen hat. Das sind aber Konsequenzen, mit denen man rechnen muss. Man weiß als Boxerin, dass man sich auch verletzen kann oder man k.o geschlagen wird. Muay Thai ist deswegen aber nicht gewalttätig. Für mich ist Thaiboxen eine ganz normale Sportart, wie jede andere auch. Zudem hat sie auch viele Vorteile.

Und die wären?

Durch diese Sportart wird man viel selbstdisziplinierter und selbstbewusster. Man lernt auch einzustecken und seine Schwächen einzugestehen. Muay Thai ist auch ein gutes Workout für den gesamten Körper. Man gewinnt insgesamt viel mehr Selbstvertrauen. Zudem weiß man, dass man auch die Kraft hätte, sich wirklich zu verteidigen.

Sind Sie die einzige Frau in Südtirol, die diesen Sport ausübt?

Nein, es gibt schon ein paar Mädchen und Frauen, die Muay Thai oder andere Kampfsportarten ausüben. Ich würde mich aber freuen, wenn sich mehr Frauen trauen würden, diese Sportart zu machen. Ich glaube, viele haben nicht den Mut, weil sie Angst haben, immer mit dem Klischee konfrontiert zu werden, dass sie das lieber nicht machen sollten. Das finde ich aber falsch. Denn Kampfsport kann nicht nur von Jungs oder Männern betrieben werden, sondern auch Mädchen und Frauen haben das Zeug dazu. Zudem bin ich eine der wenigen Frauen, die auch wirklich in den Ring steigt und damit Wettkämpfe macht.

Wie reagieren dann die Leute, wenn Sie sagen, Sie sind eine Boxerin?

(lacht) Manche sind ein wenig schockiert und fragen mich dann, ob sie Angst vor mir haben müssen. Das ist meist die erste Reaktion. Es gibt eben ganz viele Klischees. Die meisten glauben, dass man gewalttätig ist oder nur darauf aus ist, auf der Straße zusammenzuschlagen, was wirklich absurd ist. Und die meisten Menschen erwarten dann auch eine gewisse Stärke von einem.

Wie viel trainieren Sie die Woche?

Vor einem Wettkampf trainiere ich wirklich intensiv. Da bin ich dreimal die Woche für drei Stunden pro Tag in der Halle. Ansonsten trainiere ich sechs Mal die Woche für 1,5 Stunden. Das macht mir viel Spaß. Muay Thai ist dabei ein sehr intensives und effizientes Ganzkörpertraining, das vor allem an Kraft und Ausdauer sehr hohe Anforderungen stellt.

Wenn Sie dann im Ring sind, wie gehen Sie vor? Haben Sie gewisse Strategien?

Meistens checke ich in der ersten Runde meine Gegnerin ab, um zu sehen, wie die andere drauf ist. In der zweiten, dritten Runde geht es darum, die Schwachstellen auszutricksen.

Was ist die größte Herausforderung?

Die Nerven zu bewahren und die bestmögliche Leistung zu erzielen.

Gibt es gewisse Rituale, die Sie vor einem Wettkampf haben?

Ich versuche einen Tag vor dem Kampf zur Ruhe zu kommen und mich mit mir selbst zu beschäftigen. Denn Boxen ist auf jeden Fall Kopfsache. Das habe ich auch selbst gemerkt: Jene Wettkämpfe, bei denen ich mir nicht ganz sicher war, sind mir auch nicht so gut gelungen. Bei meinem letzten Wettkampf hingegen, war ich mir zu 100 Prozent sicher, und siehe da, ich konnte ein gutes Ergebnis erzielen. Es hat also auch sehr viel damit zu tun, wie man mental eingestellt ist. Dann betreibe ich vor dem Wettkampf auch viel Schattenboxen. Das hilft mir, um meine Bewegungen vorzubereiten.

Welche Stärken muss eine gute Muay-Thai-Boxerin haben?

Auf jeden Fall sollte sie willensstark und entschlossen sein. Zudem ist bei dieser Sportart wichtig, dass man seine Gegnerin respektiert und sie nicht als Feind ansieht.

Haben Sie auch mal Angst vor einem Wettkampf?

Nein, ich habe keine Angst. Ich glaube, wenn man das hätte, dann würde man sich zu viele Fehler erlauben. Das muss man ausblenden. Ihr größter Erfolg war bislang der dritte Platz bei den Italienmeisterschaften 2019.

Wie war dieser Wettkampf für Sie?

Diese Erfahrung war auf jeden Fall etwas Neues für mich. Denn normalerweise machen wir nur einen Wettkampf am Abend, hier war es aber so, dass wir an einem Tag mehrere Wettkämpfe hatten. Das war schon herausfordernd. Denn man muss lernen, sich die Kräfte besser einzuteilen und auch mit Stress umzugehen. Normalerweise hat man nach einem Wettkampf die Möglichkeit zur Ruhe zu kommen, das war hier aber nicht möglich. Deshalb bin ich stolz, dass ich den dritten Platz erreichen konnte.

Haben Sie auch Vorgaben, wie Sie körperlich in Form sein müssen?

Nein, körperliche Vorgaben gibt es nicht, aber man muss das Gewicht einhalten. Bei meinem letzten Wettkampf, der Italienmeisterschaft, habe ich in der Gewichtsklasse bis 48 Kilogramm gekämpft.

Könnte man von dieser Sportart leben?

Nein, nicht wirklich. Denn man verdient viel zu wenig. Bei den Profikämpfen verdient man vielleicht ein paar hundert Euro. Wenn es gut geht, macht man sechs Kämpfe im Jahr. Davon kann man nicht leben.

Wenn Sie jetzt nicht gerade im Ring stehen oder trainieren, was machen Sie dann?

Ich arbeite als Verwaltungsangestellte, da habe ich auch viel zu tun. Ansonsten mache ich gerne Handarbeit. Ich nähe und stricke für mein Leben gern. Das ist für mich ein Ausgleich zum Training.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Demnächst werde ich mich auf meinen nächsten Wettkampf vorbereiten. Dieser wird wahrscheinlich im Oktober in Mailand stattfinden. Im Dezember werde ich dann meinen ersten richtigen Profiwettkampf in Bozen machen. Darauf freue ich mich bereits.

Interview: Eva Maria Gapp

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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