„Die Kinder erschrecken“
Dürfen die Schützen die Gewehre nicht mehr mit in die Kirche tragen, weil in den Pfarreien inzwischen die Frauen das Sagen haben? Generalvikar Eugen Runggaldier über diese und andere Verschwörungstheorien.
TAGESZEITUNG Online: Herr Generalvikar, was haben einige Ihrer Pfarrer und Pfarrgemeinderäte gegen die Schützen?
Eugen Runggaldier: So allgemein kann man die Frage nicht beantworten. Was das Hochpustertal betrifft, so hat der Pfarreienrat mehrheitlich beschlossen, dass in allen Pfarreien der Seelsorgeeinheit dieselbe Lösung gelten sollte ...
Sprich: dass die Schützen nicht mehr mit den Gewehren in die Kirche dürften.
Richtig. Es ist nicht so, dass die Pfarrer etwas gegen die Schützen haben. Ich darf daran erinnern, dass im Pfarreienrat auch Laien sitzen …
Damit wären wir bei einem Knackpunkt: Es gibt nämlich in Schützen-Kreisen – und nicht nur dort –die Verschwörungstheorie, dass es zu solchen Entscheidungen komme, weil in den Pfarreien inzwischen die Frauen das Sagen hätten …
(lacht) Das ist ja gewaltig! Wenn Sie das schreiben, dann kriegen Sie und die Schützen die Frauen an den Hals!
Dann andersrum: Welche tieferen Ursachen liegen dem Disput zwischen Kirche und Schützen in der Frage der Waffen und der Ehrensalven zugrunde?
Ich habe das selbst nicht ganz verstanden, warum es gerade jetzt zu diesem Konflikt gekommen ist. Der Pfarreienrat im Hochpustertal hat seine Entscheidung bereits vor Monaten getroffen. Und die Schützen vor Ort haben erklärt, dass sie mit der Lösung leben könnten. Ich verstehe jetzt nicht, warum sie plötzlich mit dieser Lösung …
… die Waffen vor der Kirche abzulegen …
… nicht mehr leben können.
Eben. Was ist passiert?
Ich weiß es nicht! Die Schützen geben immer vor, für die Einheit des Landes zu kämpfen, und jetzt starten sie fast schon einen Aufruf gegen die Kirche, sagen aber gleichzeitig, sie stünden zu 100 Prozent zur Kirche. Das ist ein bisschen ambivalent. Ich hoffe nicht, dass es nur ein Sommerloch-Thema ist. Daher würde ich vorschlagen: Fahren wir die Sache ein bisschen herunter und gehen wir die Sache mit Vernunft an. Dann werden wir sicher eine Lösung finden. Das bin ich mir ganz sicher.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Wir haben als Diözese beschlossen, dass wir nicht von oben herab eine Lösung vorgeben wollen, sondern dass die Lösungen vor Ort getroffen werden sollen. Und zwar haben wir dies aus der Beobachtung heraus getan, dass das Empfinden in Bezug auf die Thematik Schützen-Gewehre nicht überall dieselbe ist.
Sie sagen, es gibt Orte, da mag man die Schützen, und es gibt Pfarreien, da werden die Schützen als Störfaktor wahrgenommen?
Das Empfinden ist – wie gesagt – nicht überall gleich. Daher haben wir gesagt: Die Lösungen sollen vor Ort von den direkt Beteiligten getroffen werden. Wir wollen uns da nicht einmischen.
Es wird also kein Machtwort des Bischofs geben?
Nein, weil wir in dieser Frage im Sinne des Subsidiaritätsprinzips handeln. Außerdem sollte man auf Schützen-Seite schon so viel demokratisches Bewusstsein aufbringen und Mehrheitsentscheidungen akzeptieren.
Ist in den betroffenen Pfarreien im Hochpustertal bereits das letzte Wort gesprochen?
Der Dekan von Innichen hat erklärt, dass man sich im Juli noch einmal an einen Tisch setzen wolle. Ich bin sicher, dass man eine Lösung finden wird.
Nun gibt es innerhalb der Kirche ja auch Stimmen, die sagen: Wenn die Schützen schon so bedingungslos zur Kirche stehen, wie sie vorgeben, dann sollten sie sich auch unterm Jahr mehr in das Kirchenleben einbringen. Und es gibt auch die, die sagen, die Schützen seien vor und nach der Messe da, aber während der Messe seien sie im Gasthaus …
Diese Beobachtung, dass Schützen aber auch Mitglieder von Musikkapellen während des Gottesdienstes im Gasthaus sind, habe ich auch gemacht.
Bleiben wir bei der Ehrensalve: Kann es sein, dass das Abschießen der Salve vielen Menschen einfach nur zu laut ist?
Das ist tatsächlich so! Es kommt vor, dass kleine Kinder erschrecken und weinen. Es ist unbestritten, dass durch das Salvenschießen eine Unruhe hineinkommt und die Sammlung stört. Das ist auch der Grund, warum wir dafür sind, dass die Salve erst abgeschossen wird, wenn die Liturgie vorbei ist.
Nun sagen die Schützen aber zu Recht: Und was ist mit den Schweizer Gardisten, die den Heiligen Vater beschützen und ebenfalls eine Waffe tragen?
Die Schweizer Gardisten tragen historische Lanzen, diese gehören zur Montur. Mir stellt sich nur die Frage: Unsere Schützen sind 80 Jahre lang ohne Waffen ausgekommen und waren gleich gute Schützen. Ich verstehe also die ganze Aufregung nicht. Wenn man die Sache mit Vernunft und nicht mit heißem Kopf angeht, dann wird man eine Lösung finden, mit der beide Seiten leben können.
Aber es ist schon dass, dass die Kirche die Gewehre in der Kirche für entbehrlich hält?
Zur Botschaft, die die Kirche vertritt, passen Waffen nicht, auch wenn die Waffen der Schützen keine richtigen Waffen sind ...
… sondern nur Stöpselgewehre, wie sie Donato Seppi einmal genannt hat …
Der Umstand, dass es keine richtigen Waffen sind, ändert nichts daran, dass viele Menschen mit einer Waffe sofort an Gewalt oder Tod denken.
Nun behaupten die Schützen aber, die Ehrensalve sei ein Gruß an den Herrgott. Glauben Sie, dass der liebe Gott sich über die Ehrensalve freut?
(lacht) Ich glaube eher nicht. Es gibt eben verschiedene menschliche Ausdrucksformen. In Innsbruck gibt es den Landesüblichen Empfang, das hat sich so entwickelt. Wir in Südtirol haben es 80 Jahre ohne Waffen ausgehalten. Das hat niemanden gestört, außer die Schützen.
Nun gibt es bereits Pfarreien, wo die Schützen aus Protest kirchlichen Feiern fernbleiben und autonom einen Wortgottesdienst abhalten. Landeskommandant Jürgen Wirth Anderlan hat im TAGESZEITUNG-Interview polemisch erklärt, die Schützen könnten ihren Glauben auch außerhalb der Gotteshäuser praktizieren. Empfinden Sie das als Drohung?
Ich würde jetzt nicht jedes Wort auf die Waagschale legen. Ich interpretiere die Aussagen der Schützenführung eher als Aufforderung: Nehmt uns ernst! Deswegen sage ich, dass man sich vor Ort zusammenhocken und eine Lösung finden soll.
Von Ihnen geht da keine Initiative aus?
Nein, es nützt nichts, wenn der Landeskommandant zu mir oder zum Herrn Bischof kommt. Wir wollen keine Lösung auf Landesebene, sondern glauben, dass man sie Sache mit dem Subsidiaritätsprinzip besser lösen kann.
Der Landeskommandant hat auch gesagt: Die Mitglieder der Traditionsvereine wie Musikkapellen, Schützen, Feuerwehr und Chöre seien die fleißigsten Kirchgänger. Befürchten Sie nicht, dass die Pfarrer – wenn Sie die Schützen vergraulen – irgendwann mit der Hostie allein im Gotteshaus sitzen?
Dass die Mitglieder der Traditionsvereine die Bravsten sind, das stimmt nicht. Es gibt bei diesen Vereinen sehr viele Leute, die sehr kirchentreu sind, aber die gibt es auch in allen anderen Bereichen. Ich sage es noch einmal: Mit ein bisschen guten Willen finden wir eine Lösung, es geht ja nicht um Leben und Tod.
Kann die tiefere Ursache für den Disput auch der Umstand sein, dass die Kirchenführung vielen Schützen zu progressiv und auch zu italienerfreundlich ist?
Das hätte ich nie herausgehört.
Interview: Artur Oberhofer
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Kommentare (15)
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ostern
Ein Gewehr ohne Kugeln , ist das ein Gewehr???
Der Knall kann vielleicht ein Abschreckmittel sein, aber nichts mehr.
Die meisten Südtiroler wissen nicht was ein Salvenschiessen bedeutet!
Viele Politiker tragen auch lieber einen „Steyrer-Anzug“ als eine boden-
ständige Tracht des Gebietes. Und von wegen Kirchen-gehen, haben
wir auch nicht immer das bese Beispiel dieser Herrn,keine Ausrede um
nicht in dieKirche zu gehen, aber so ist es!
N.B Bin kein Schütze.
meintag
Und vor Allem, der alte EU Präsident hatte Gefallen daran als Er Südtirol einen Besuch abstattete. Ob es die Neue auch noch weiterhin mit den Flinten hat?
george
Schon wieder wärmt ihr dieses Thema auf die gleiche Weise auf. Es schmeckt fade und wird ohnehin beiseite geschoben. Lassen wir diese Knallereien doch sein, egal ob bei Schützenfesten oder zu Silvester. Feiern,Tradition und Gesellschaft kann man auch auf bekömmlichere Weise pflegen. Helikopter-Rundflüge über die Berge bei Schützenfesten gehört ja auch nicht zu den Schützen. Wieso pochen sie hierin nicht auch auf ihr Grundausrichtung.