„Ein großer Schritt, aber …“
Der Direktor im Amt für Jagd und Fischerei, Luigi Spagnolli, erklärt, warum der Spruch des Verfassungsgerichts noch lange kein Freibrief für den Abschuss von Bären und Wölfen ist – und warum es nie ein wolffreies Südtirol geben wird.
TAGESZEITUNG: Herr Spagnolli, der Verfassungsgerichtshof hat das Landesgesetz zu Bär und Wolf abgesegnet. Wann wird der erste Wolf oder Bär in Südtirol geschossen?
Luigi Spagnolli: Grundsätzlich sieht das Gesetz nicht vor, dass Großraubtiere geschossen werden dürfen, sondern nur, dass die Entscheidung, die bislang nur der Minister treffen konnte, nun auch vom Landeshauptmann getroffen werden kann. Um einen Problembär oder –wolf abschießen zu können, braucht es nach wie vor ein positives Gutachten der Umweltbehörde ISPRA. Das gilt auch für Vergrämungsmaßnahmen.
Also ändert der Spruch der Höchstrichter nicht allzu viel?
Doch, es ist ein großer Schritt, denn der Minister hat nichts mehr zu sagen. Wir haben ja in der jüngsten Geschichte rund um den Problembär M49 gesehen, was passiert, wenn der Minister und der Landeshauptmann eine politische statt eine institutionelle Rolle ausüben. So etwas gibt es künftig nicht mehr.
Wie meinen Sie das?
Der Trentiner LH hat fünf Briefe an den Minister geschrieben, aber nie eine Antwort bekommen. Dass ein Minister – so wie im Fall von M49 – sagt, ich tue nix, das gibt es nicht mehr.
Dennoch: Jetzt zu meinen, die eigenständige Regelung sei ein Freibrief für den Abschuss von Wölfen und Bären, ist verwegen, oder?
Richtig. Die geltenden Habitat-Richtlinien und das notwendige Gutachten der ISPRA schränken den Handlungsspielraum ein. Oder andersrum: Davon, dass Bären oder Wölfe jetzt leichtfertig abgeschossen werden können, sind wir auch nach diesem Urteil des Verfassungsgerichtshofes noch meilenweit entfernt. Bevor ein Antrag auf Abschuss eines Problembären eingereicht werden kann, muss nach wie vor bewiesen werden, dass alles unternommen wurde, um einen Abschuss zu vermeiden. Ich denke da an die Herdenschutzmaßnahmen, an die Behirtung usw.
Im Fall von M49 wären die Voraussetzungen für einen Abschuss gegeben?
Ja, eindeutig! Wenn ein Bär drei Mal in einen Stall eindringt und Nutztiere reißt, dann ist dies ein Beweis dafür, dass der Konflikt zwischen Großraubtier und Umwelt zu groß geworden ist. Etwas anderes wäre es, wenn ein Bär die Schafe auf einer unbeaufsichtigten oder nicht geschützten Weide reißt. Dass ein Bär in einen Stall hineingeht, das kann nicht sein!
Wie würde der Abschuss eines Problembären in Südtirol denn konkret vonstatten gehen?
Mein Amt müsste bei der obersten Umweltbehörde ISPRA einen Antrag stellen. Sobald ein positives Gutachten vorliegt, könnte der LH den Abschuss anordnen …
Selbst wenn der Minister Nein sagen sollte?
Der Minister kann dann sagen, was er will.
Nun bedeutet dieser Spruch der Höchstrichter aber auch, dass die Hürden für den Abschuss eines Problemtieres nach wie vor sehr hoch bleiben, was bedingt, dass es ein wolffreies Südtirol, von dem der Bauernbund träumt, nie geben wird.
Jein. Man wird in Südtirol nie umhinkommen, Herdenschutzmaßnahmen zu treffen. Selbst wenn es aufgrund unseres Sonderstatus irgendwann möglich wäre, alle Großraubtiere sofort zu erschießen, würde Südtirol nie wolffrei sein. Wir haben Rudel im Trentino, im Veneto, im Friaul, bald in Österreich, in Bayern und in der Schweiz. Früher oder später kommen einige Wölfe nach Südtirol. Und bevor wir sie schießen können, haben sie Nutztiere gerissen.
Können Sie sich vorstellen, dass irgendwann die EU-Habitat-Richtlinien geändert werden?
Die Habitat-Richtlinien stammen aus dem Jahr 1992 und wurden seitdem nie geändert. Auch die wichtigsten Gesetze werden früher oder später geändert, nach 27 Jahren kann man sich also schon vorstellen, dass sie angepasst werden. Ob das dann heißt, dass die Wölfe überall geschossen werden, ist eine andere Frage. Denn die Ausrottung von Tierarten kann niemals das Ziel von Schutzgesetzen kann.
Dennoch sprechen Sie von einem großen Wurf?
Ja, bis jetzt standen wir immer nur auf verlorenem Posten. Das neue Gesetz ist weniger unter dem praktischen Aspekt wichtig, als vielmehr unter dem rechtlichen, denn auf dieser Regelung kann man etwas aufbauen.
Sie meinen?
Ich wünsche mir, dass dieses Gesetz auch in anderen Bereichen greift, dafür werden wir kämpfen. Ich denke beispielsweise an die Kormorane. Es gibt Situationen in Südtirol, wo Kormorane für die menschliche Tätigkeit und für das ökologische Gleichgewicht gefährlich sind. Früher oder später hoffe ich, dass wir eingreifen dürfen. Es gäbe noch weitere Beispiele …
Wie etwa?
Den Dachs! Der Dachs ist zwar kein besonders geschütztes Tier, aber er darf nicht gejagt werden. Der Dachs gräbt Löcher in die Erde, die für menschliche Einrichtungen gefährlich sein können, weil sie beispielsweise Erdrutsche verursachen. Es gibt Situationen, in denen der Dachs mit der Landwirtschaft in Konflikt kommt. Um grünes Licht für den Abschuss einiger Dachse zu bekommen, müssen wir derzeit einen Riesenaufwand betreiben. Es wäre erstrebenswert, dass künftig eine lokale, mit Experten besetzte Stelle über einen Abschuss entscheiden kann. Dann hätten wir nicht das ständige Hickhack mit Rom.
Interview: Artur Oberhofer
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Kommentare (3)
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pingoballino1955
Also doch ein „Haken“,aber die SVP verkauft es schon wiedereinmal für einen 100%igen ERFOLG! peinlich-peinlich,aber das ist man von dieser Lobbypartei ja gewohnt! A22 und Co.zur Erinnerung!