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„Das ist irrsinnig“

Klauspeter Dissinger

Der Umweltschützer Klauspeter Dissinger sieht nur einen Weg, das Transitproblem zu lösen: Man müsse die Lkw-Maut erhöhen und den Tanktourismus beenden, indem man die Spritpreise EU-weit harmonisiert.

TAGESZEITUNG Online: Herr Dissinger, ist der Tiroler LH Günther Platter mit seinen Fahrverboten und seiner Verkehrspolitik auf dem Holzweg?

Klauspeter Dissinger: Nein, ist er nicht! Und ich kann Ihnen auch sagen warum.

Bitte …

Auch wir sind für das sektorale Fahrverbot, das vorsieht, dass die sperrigen Güter auf die Schiene gebracht werden. Dieses Verbot wird jetzt auch auf andere Güter ausgedehnt …

… wie Papier und Pappe, flüssige Mineralölerzeugnisse, Zement, Kalk, Rohre, Getreide …

Richtig! Da sind wir auf jeden Fall dafür. Wir sind auch für die Blockabfertigung. Man lässt nur eine gewisse Anzahl von Lkw pro Stunde durch. Es wäre wünschenswert, wenn man die Blockabfertigung auch auf Südtirol und auf das Trentino ausdehnte. Auch sind wir für das Nachtfahrverbot, denn dadurch haben die transitgeplagten Menschen entlang der Autobahnen wenigstens in der Nacht ein bisschen Ruhe.

Und die Abfahrverbote von der Autobahn?

Dieses Problem stellt sich bei uns nicht so sehr wie in Nordtirol. In Brixen gibt es schon lange ein Ausfahrtverbot für Lkw. Ich weiß nicht, warum es in Nordtirol so viele Ausfahrten gibt, vielleicht liegt es an der Europabrücke. Auch wenn sich das Problem bei uns weniger stellt, wäre interessant zu erheben, wie viele Autofahrer bei uns auf der Normalstraße fahren.

Sie sind also total mit Platter einverstanden?

Ja, wobei noch viel Handlungsbedarf bestünde. Unheimlich wichtig wäre es, dass Österreich endlich den Tanktourismus unterbindet. Es gibt einige Tankstellen – eine davon ist in Kramsach – wo die Lkw ausfahren. An diesen Tankstellen kostet der Diesel 1,1 Euro. Die tanken dann 1000 Liter Diesel und sparen ungefähr 500 Euro. Das bedeutet: Diese Lkw-Fahrer sparen nicht nur bei der Maut, die bei uns billiger ist, sondern auch beim Diesel. Das gehört unterbunden!

Für den billigen Sprit nehmen die Lkw einen großen Umweg in Kauf …

Richtig: Von den 2,5 Millionen Lkw fahren circa eine Millionen, die von der westlichen Po-Ebene nach Deutschland oder Holland unterwegs sind, nicht über die Schweiz, sondern machen 300 Kilometer mehr und fahren über den Brenner. Wenn es um den billigeren Diesel und um eine niedrigere Maut geht, ist den Transporteuren der Faktor Zeit plötzlich nicht mehr so wichtig, denn durch den Umweg über den Brenner sind diese Lkw vier bis fünf Stunden länger unterwegs. Das ist paradox! Dieser Tanktourismus und die niedrige Maut sind die Hauptprobleme.

Wie löst man diese Probleme?

Indem man die Maut an die Schweizer Tarife anpasst. Bei uns beträgt die Maut 18 Cent pro Kilometer, in der Schweiz kostet sie doppelt so viel – 36 Cent pro Kilometer. Eine Anpassung der Maut an den Schweizer Tarif würde für die Transorteure auf den 200 Kilometern zwischen Verona und Brenner zwar auch nicht so viel ausmachen, gerade deswegen müsste man unbedingt den Tanktourismus unterbinden.

Wie?

Die Tiroler sollen die Lkw nicht mehr zu den billigen Tankstellen ausfahren lassen. Und: Die EU muss endlich die Spritpreise harmonisieren. Das wäre der Auftrag an die EU, denn man muss ja kurzfristig etwas machen …

Foto: lvh

Der Südtiroler Mobilitäts-Landesrat Daniel Alfreider fällt in der Transit-Diskussion nicht durch unbedingt durch großen Tatendrang oder kreative Vorschläge auf, sondern vertröstet die Menschen auf den BBT und prägt den abgedroschenen Slogan: Von der Straße auf die Schiene …

Dass die Lkw auf die Schiene müssen, darüber redet man seit 20 Jahren. In Wirklichkeit hat die Zahl der Lkw auf Schiene abgenommen.

Warum?

Weil die Schiene offenbar nicht attraktiv und billig genug ist. Auch die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ist eine mittelfristige Maßnahme, das geht nicht von heute auf morgen. Es braucht Verladebahnhöfe, und wenn noch mehr Lkw auf die Schiene sollen, dann muss das Rollmaterial verbessert werden. Das Rollmaterial ist in einem katastrophalen Zustand. Und dann muss man auch noch an die Anrainer denken: Was nützt denen, wenn sie eine bessere Luft, aber dafür einen Riesenlärm haben? Die Schweizer lassen das Rollmaterial, das zu laut ist, nicht mehr durch.

Der Ball liegt Ihrer Meinung nach bei der EU?

Die EU muss endlich sagen, was ihr wichtiger ist: der freie Warenverkehr oder die Gesundheit. Es wäre die dringliche Aufgabe der Transportminister, die sich ja permanent treffen, endlich die Harmonisierung des Spritpreises in Angriff zu nehmen. Hinzu kommt: Wir können uns die C02-Belastung nicht länger leisten, es ist inakzeptabel und irrsinnig, dass Lkw 300 Kilometer Umweg fahren, um bei den Spritpreisen und bei der Maut zu sparen …

Dass dem so ist, dass weiß man seit Jahrzehnten …

Eben! Deshalb muss die Politik der Vertröstung aufhören! Die Güter auf die Schiene und der BBT sind mittelfristige Maßnahmen. Kurzfristig muss man den Tanktourimus beenden und die Maut erhöhen. Es ist auch klar, dass man den Warenverkehr nicht von heute auf morgen einstellen kann, der Warenverkehr muss stattfinden.

Das bedeutet?

Die Frage ist: Wie viel Warenverkehr ist nötig und sinnvoll für das Klima und für die Umwelt. Irgendwann wird die CO2-Steuer kommen. Und man wird versuchen, regionaler zu wirtschaften, indem man nicht mehr alles durch die Gegend karrt.

Wie meinen Sie das?

Es ist beispielsweise anachronistisch, dass es billiger ist, den Müll in ganz Europa herumzukarren, als ihn vor Ort zu entsorgen. Oder denken Sie an bestimmte Lebensmittel: Warum trinken wir in Südtirol Mineralwasser von Recoaro und die Leute in Süditalien Mineralwasser aus Südtirol? Ist der Transport so billig? Diese Art von Wirtschaft ist nicht sinnvoll. Das hat nichts mehr mit Lebensqualität zu tun. Interessant ist auch, dass der Transitverkehr in der Schweiz abgenommen hat. Auf den ganzen Schweizer und französischen Alpenpässen zusammen fahren jetzt weniger Lkw als über den Brenner. Vor diesem Hintergrund wundere ich mich auch, warum man die Schweizer nicht zu dem EU-Gipfel eingeladen, auch wenn sie nicht zur EU gehören.

Kann die gegenwärtige Klimaschutz-Diskussion, kann der Thunberg-Effekt Positives bewirken?

Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass die Fridays for Future-Bewegung etwas Positives bewirkt, weil die Bevölkerung mehr informiert wird und die Politik unter Druck gesetzt wird. Dabei sagt diese Bewegung nur das, was wir bereits in den 1980er-Jahren im Club of Rome gesagt haben, nämlich, dass wir auf die CO2-Emissionen aufpassen müssen. Wir wurden damals als Nein-Sager abgekanzelt. Dabei waren und sind wir Ja-Sager. Wir sagen Ja zur Fauna, Flora und Mensch. Jetzt, durch die Greta Thunberg, erhebt auch Gott sei Dank die Jugend ihre Stimme, nicht mehr nur wir alten Säckel (lacht). Die Klimaerwärmung kann niemand mehr leugnen.

Interview: Artur Oberhofer

 

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