Die Sanitäts-Bombe
Die Gewerkschaft ANAAO hat bei Gericht die Entlassung von zwei Bozner Jungärzten beantragt. Fällt jetzt das neue Ausbildungskonzept für Fachärzte nach Österreichischem Modell?
von Artur Oberhofer
Der rund 53 Seiten starke Rekurs ist mit 9. Juli 2019 datiert und wurde dem Land, dem Sanitätsbetrieb den beiden betroffenen Ärzten am Freitag zugestellt.
Das Dokument, das der TAGESZEITUNG exklusiv vorliegt, ist eine autonomiepolitische Bombe, die sich auch auf die weitere Zusammenarbeit zwischen SVP und Lega auf Landesebene auswirken könnte.
Denn die Ärztegewerkschaft ANAAO will mit diesem Rekurs am Landesgericht in Bozen die Facharztausbildung nach österreichischem Modell, die im Februar dieses Jahres wieder aufgenommen wurde, wieder zu Fall bringen.
Mehr noch:
Die Gewerkschaft ANAAO fordert die Entlassung von zwei Jungärzten, die auf der Grundlage dieses neuen Ausbildungsmodells angestellt worden sind. „Wenn die ANAAO damit durchkommt“, sagt der Bozner Urologie-Primar Armin Pycha zur Dimension dieses Falles, „dann ist die Ausbildung in Südtirol hinfällig.“
Um was geht es konkret?
Vor wenigen Monaten wurden an den Südtiroler Krankenhäusern die Facharztausbildungen nach österreichischem Modell wieder aufgenommen. Junge Südtiroler Ärzte, die in Österreich studieren, können ihren Facharzt wieder an Südtiroler Spitälern machen.
Das entsprechende Abkommen war Anfang Jänner dieses Jahres zwischen der österreichischen Ärztekammer und dem Südtiroler Sanitätsbetrieb unterzeichnet worden.
Die Stoßrichtung des Abkommens:
Insgesamt 40 Ärzte können in den kommenden drei Jahren ihre Facharztausbildung in den Bereichen Chirurgie, Innere Medizin, Orthopädie, Urologie, Pädiatrie und Psychiatrie an einem Südtiroler Krankenhaus machen. Die Mediziner werden als Ärzte angestellt und beziehen somit ein Arztgehalt und nicht – wie es bisher der Fall war – nur ein Studienstipendium.
Inklusive Zweisprachigkeitszulage verdienen dieses Jungärzte fast 3000 Euro monatlich. Nach dem italienischen Modell des Studienstipendiums wären es – ohne Zweisprachigkeit – nur 1700 Euro.
Dieses Ausbildungsmodell gründet auf der Zusammenarbeit mit der österreichischen und der Tiroler Ärztekammer.
Es funktionierte über Jahrzehnte gut, ehe sich Rom querstellte: Jungärzte konnten ihre Facharztausbildung in den Krankenhäusern des Südtiroler Sanitätsbetriebes nach der österreichischen Ausbildungsordnung absolvieren, die Facharztprüfung wurde dann bei der österreichischen Ärztekammer in Wien abgelegt, der Facharzttitel vom italienischen Gesundheitsministerium anerkannt.
2013 zweifelte Rom die Gültigkeit dieser Facharzttitel an. Alles musste neu verhandelt werden. Die Schwierigkeit dabei war, italienisches, österreichisches und EU-Recht in Einklang zu bringen.
Mit der Unterzeichnung des Abkommens im Jänner dieses Jahres schien es, als hätte man die Quadratur des Kreises geschafft.
Beim Land und im Südtiroler Sanitätsbetrieb war man davon ausgegangen, dass das neue Modell den römischen Segen erhalten würde.
Der Druck auf die Politik war groß, denn Experten sehen in der Facharztausbildung nach österreichischem Modell die einzige effiziente und kurzfristige Möglichkeit, Jungärzte nach ihrem Studium nach Südtirol zurückzuholen.
Doch es sollte anders kommen: Zuerst stellte sich im Juni dieses Jahres die Regierung quer und verklagte das Land Südtirol vor dem Verfassungsgerichtshof.
Und jetzt geht die ANAAO – wie aus den der TAGESZEITUNG vorliegenden Dokumenten hervorgeht – sogar noch einen Schritt weiter:
Die Ärztegewerkschaft stellt in dem Rekurs an das Landesgericht Bozen (Sektion Arbeit) nicht nur das neue Ausbildungsmodell in Frage (und wirft die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen auf), sondern sie beantragt obendrein auch noch die Annullierung der Arbeitsverträge von zwei Jungärzten, die nach dem neuen Facharztausbildungsmodell in der Urologie-Abteilung des Bozner Regionalkrankenhauses angestellt worden sind.
Bei den betroffenen Jungärzten handelt es sich um Christian Ladurner und Decio Maria Folchini.
Laut ANAAO seien diese Arbeitsverträge null und nichtig.
Urologie-Primar Armin Pycha ist über den Vorstoß der ANAAO entsetzt und stellt sich demonstrativ vor seine beiden Mitarbeiter: „Das sind junge Ärzte, die eigentlich nur arbeiten und sich ausbilden wollen, dank ANAAO finden sie sich jetzt vor Gericht wider.“
Richterin Eliana Marchesini hat die Verhandlung in dieser Angelegenheit, die viel politische Brisanz in sich birgt, bereits festgesetzt: 22. Oktober, 09.00 Uhr.
Urologie-Primar Armin Pycha wirft der Ärztegewerkschaft ANAAO „nationalistische Kleingeisterei“ vor.
Primar Armin Pycha gegenüber TAGESZEITUNG Online:
„Die ANAAO will die Autonomie untergraben, sie will nicht akzeptieren, dass Südtirol im Gesundheitswesen autonome Wege geht, diese Gewerkschaft will in Südtirol die nationale Sanität etablieren.“
Der Vorstoß der ANAAO dürfte in der Südtiroler Politik jedenfalls hohe Wellen schlagen.
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Kommentare (20)
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robby
Scheiß wallische Neidhammel. ( Zitat von mir)