„Nicht in Ordnung“
Warum der SVP-Politiker Herbert Dorfmann (momentan) gegen Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin stimmen würde.
Tageszeitung: Herr Dorfmann, wie ist die Stimmung in Straßburg: Wird Ursula von der Leyen neue EU-Kommissionspräsidentin?
Herbert Dorfmann: Ursula von der Leyen hat der EVP-Fraktion am Mittwochnachmittag einen Besuch abgestattet. So wie es derzeit aussieht, hätte sie keine Mehrheit im Parlament. Auch wenn von der Leyen durchaus fähig wäre, die Kommission zu führen: Die Art und Weise, wie sie von den Staats- und Regierungschefinnen nominiert wurde, ist einfach nicht in Ordnung.
Wie meinen Sie das?
Am 26. Mai haben über 200 Millionen Wählerinnen in Europa eine klare Message abgegeben. Sie hatten die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Kandidatinnen zu wählen. Dass dieses Ergebnis bei der Nominierung der Kommissionspräsidentin nicht berücksichtigt wird, kann uns nicht gefallen. Ich frage mich, welche der 28 Staats- und Regierungschefinnen dieses Spielchen, wonach die Kandidatin der stärksten Partei bei der Wahl der Regierungschefin einfach ausgetauscht wird, im eigenen Land akzeptieren würde. Die Staats- und Regierungschefinnen legen ein Verhalten an den Tag, für das die EU so oft kritisiert wird: Dass sie wenig demokratisch und wenig durchsichtig sei und dass ständig in den Hinterzimmern verhandelt werde. Die Staats- und Regierungschefinnen entscheiden sich gegen die Kandidatinnen mit dem stärksten Rückhalt im Parlament und nominieren stattdessen eine Person, die sie dirigieren können. Frau von der Leyen ist von den Staats- und Regierungschefinnen erfunden worden und wird sich diesen gegenüber in den kommenden fünf Jahren dankbar zeigen.
Manfred Weber hat seine Kandidatur zurückgezogen. Wenn das Parlament den Vorschlag des Europäischen Rates ablehnt, dann ginge das Spiel von vorne los …
Bis zur Wahl in zwei Wochen vergeht noch einige Zeit. Die Staats- und Regierungschefinnen werden bei ihren Parlamentarierinnen für den Vorschlag von der Leyen werben. Derzeit hätte sie aber keine Mehrheit. Wenn sie gerne Kommissionspräsidentin werden will, dann hätte sie sich als Kandidatin den Wählerinnen präsentieren sollen.
Welchen Bezug hat von der Leyen zu Südtirol?
Ich weiß nicht, ob sie einen Bezug zu Südtirol hat. Ich persönlich habe sie zwei Mal getroffen. Ich schätze sie als Person und es wäre ein positives Signal, wenn eine Frau Kommissionspräsidentin wird. Frau von der Leyen ist in Brüssel aufgewachsen, spricht Englisch und Französisch und würde die Arbeit sicher gut machen. Ich habe aber das Gefühl, dass Deutschland und Frankreich ihre Nominierung aus innenpolitischen Gründen ausgeklügelt haben. Dabei ist die Union vielfältiger, als es Frankreich und Deutschland hier vermitteln.
Sie haben im EU-Parlament eine eigene Delegation gebildet. Was hat das auf sich?
Es ist dies kein feindlicher Akt gegenüber Forza Italia, sondern mit deren Parlamentarierinnen abgesprochen. Als selbständige Delegation innerhalb der EVP kann ich mich autonom bewegen und mit voller Kraft für das Wohl der Südtirolerinnen einsetzen.
Interview: Matthias Kofler
Kommentare (34)
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