Nur eine Frau
2005 ging die Meldung durch alle Medien. Und rasch war Aynur wieder vergessen.
von Renate Mumelter
Sherry Hormann erzählt die traurige Geschichte von Aynur, die mitten in Berlin von ihrem jüngsten Bruder erschossen wurde. Ein sogenannter Ehrenmord. Die junge Mutter konnte und wollte sich nicht dem Kodex der streng gläubigen Familie unterwerfen.
Angefangen hatte alles damit, dass sie sich weigerte, weiter von ihrem Mann Schläge entgegenzunehmen. Die schwangere Aynur flieht aus der Türkei zurück zu ihrer Familie nach Berlin und versucht, sich ein eigenes Leben aufzubauen. So etwas wie Eigenständigkeit ist aber für eine Frau nicht vorgesehen, und deshalb muss Aynur sterben.
Eine delikate Geschichte, auch weil sie für die Erzählenden viele Fallstricke birgt. Die Story könnte fremdenfeindlich geraten, männerhassend, plakativ. Tut sie aber nicht. Sherry Hormann bezieht klar Position, und das ist auch notwendig angesichts der Fakten. Diese Fakten erzählt Hormann aus der Ich-Perspektive der Toten. Sie wollte, so sagt die Regisseurin, das Opfer zu Leben erwecken, den Menschen näher bringen. Und das gelingt. Zwischendurch gibt es Bilder der realen Aynur und ihres Sohnes Can.
Wer „Nur eine Frau“ ansieht, muss Partei ergreifen – für die Frau natürlich. „Schande“ lautet das Schlüsselwort, um das die Story kreist. Ein Begriff, der interessanterweise auch bei uns nur auf Frauen angewandt wird. Ein Begriff, der auch in unserer Kultur geläufig ist. Meine katholische Grundschullehrerin wünschte mir im Poesiealbum, ich möge „der Heimat keine Schande“ bereiten.
„Nur eine Frau“ (DE 2019), 93 Min., Regie Sherry Hormann, mit Amila Bagriacik. Bewertung: Behutsam gemacht, sehenswert
Was es sonst noch gibt: „The Dead don’t Die“ von Jim Jarmusch
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