Arzt auf freiem Fuß
Der wegen ritueller Beschneidungen verhaftete Kinderchirurg Paolo Girardi ist wiederauf freiem Fuß. Dass er ins Krankenhaus zurückkehrt, ist unwahrscheinlich.
Von Thomas Vikoler
Die letzte der verdächtigen 81 Beschneidungen führte der tatverdächtige Arzt im Jahre 2018 durch. Und dass Paolo Girardi, 65, nochmal an seine Arbeitsstelle im Bozner Spital zurückkehrt – also die Gefahr einer Tatwiederholung besteht -, davon geht die Staatsanwaltschaft Bozen offenbar nicht aus.
Deshalb hat sie nun einem Antrag von Girardis Verteidiger Beniamino Migliucci ihre Zustimmung erteilt. Am Montag verfügte Voruntersuchungsrichter Walter Pelino, dass der Haftbefehl gegen Girardi aufgehoben wird.
Der Arzt, der im Bozner Krankenhaus rituelle Beschneidungen gegen rund 300 Euro pro Eingriff durchgeführt haben soll, ist also wieder ein freier Mann.
Die Ermittlungen gegen ihn seien so gut wie abgeschlossen, heißt es aus der Staatsanwaltschaft. Es bestehe auch deshalb keine Gefahr mehr, dass Beweismittel vernichtet würden.
Einen Monat vor seiner Verhaftung Mitte Mai hatte Girardi allerdings noch versucht, einen Zeugen zu beeinflussen. Laut Haftbefehl wurde er vom Vater eines von ihm behandelten Buben kontaktiert. Und über die laufenden Ermittlungen der Carabinieri gegen ihn informiert. Der Arzt forderte den Mann auf, zu sagen, er habe nichts für die Beschneidung bezahlt.
81 illegale Beschneidungen in den vergangenen drei Jahren wirft die Staatsanwaltschaft dem Kinderchirurg vor. Dreizehn von ihnen sind mittlerweile durch Aussagen der Eltern belegt. Aus diesem Grund hat Voruntersuchungsrichter Pelino eine Verbeuge-Beschlagnahme von 3.900 Euro angeordnet.
Girardi wird Betrug gegen den Sanitätsbetrieb (weil die Eingriffe im Spital durchgeführt wurden) und Unterschlagung vorgeworfen. Laut Verteidiger Migliucci wusste man im Sanitätsbetrieb seit längerer Zeit von den rituellen Beschneidungen Girardis. Sechs der 81 Operationen seien, so betont der Verteidiger, von einem anderen Arzt vorgenommen, dort habe sein Mandant lediglich assistiert.
Nun ist zu sehen, ob der Kinderchirurg nach seiner Enthaftung an seine Arbeitsstelle im Krankenhaus zurückkehrt. Verteidiger Migliucci will dazu nichts sagen. Allerdings ist eine Rückkehr Girardis ins Spital so gut wie ausgeschlossen, weil er nach seiner Verhaftung (mit Hausarrest) vom Sanitätsbetrieb suspendiert worden ist. Außerdem könnte der 65-Jährige demnächst in Pension gehen.
Rein theoretisch könnte Girardi danach als freier Arzt tätig sein.
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