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Die Kassenzettel-Lotterie

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Ab 2020 erhält jeder Kunde, der sich einen Kassenbon ausstellen lässt, Lose für eine staatliche Lotterie. Die Details.

von Heinrich Schwarz

Um die horrende Steuerhinterziehung in Italien zu bekämpfen, greift der Staat zu einem unkonventionellen Mittel: Damit die Kunden bei einem Einkauf oder einer Dienstleistung darauf bestehen, sich einen Kassenbon ausstellen zu lassen, wird es ab 1. Januar 2020 eine Kassenzettel-Lotterie („lotteria degli scontrini“) geben. Die Idee kam noch von der alten Regierung und wurde von der neuen weiterverfolgt.

Um an der Lotterie teilnehmen zu können, muss der Verbraucher dem Betrieb oder Freiberufler seine Steuernummer mitteilen und volljährig sein. Und der Einkauf muss einen Wert von mindestens einem Euro haben.

Pro zehn Cent gibt es ein Los für die Lotterie. Ein Einkauf im Wert von zehn Euro ergibt also bereits 100 Lose.

Diese Anzahl kann noch gesteigert werden, wenn man bargeldlos bezahlt: Als Belohnung für bargeldloses Zahlen werden 20 Prozent mehr Lose zugewiesen.

Die Lose werden über die künftig verpflichtende telematische Übermittlung der Tageseinnahmen (Einführung des „scontrino elettronico“) in der Datenbank des Finanzministeriums gespeichert. Es handelt sich also um keine klassischen Lose in Papierform, sondern um virtuelle Lose.

Und wie viel Geld kann man gewinnen?

Es fehlen noch einige Detailbestimmungen, doch laut den Vorstellungen des Staates sollen die Verlosungen monatlich mit Preisen bis zu 10.000 Euro erfolgen. Zudem soll es einmal jährlich eine weitere Verlosung mit einem Hauptpreis von einer Million Euro geben.

Auch alle Kunden, die sich von Betrieben ohne Registrierkasse eine Steuerquittung ausstellen lassen, sind teilnahmeberechtigt. Das betrifft etwa Arbeiten von Handwerkern wie Elektriker oder Hydrauliker. Von der Teilnahme ausgeschlossen sind hingegen – zumindest vorerst – alle Zahlungen, für die Steuerabsetzbeträge vorgesehen sind. Also beispielsweise bei Kassenbons aus der Apotheke oder bei Sanierungen.

Der italienische Staat hat diese Kassenzettel-Lotterie nicht erfunden. Es gibt mehrere Vorbilder – auch in Europa. So gibt es die Lotterie seit einigen Jahren etwa in der Slowakei, in Malta, Portugal, Rumänien und Albanien. Laut Berechnungen konnte die Steuerhinterziehung reduziert werden.

„Gläserne Menschen“

Myriam Atz Tammerle, Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit und gleichzeitig Unternehmerin, weist auf die Gefahren dieser Lotterie hin:

Myriam Atz Tammerle

„Jeder Einzelne wird zum ‚gläsernen Menschen‘, weil sich Gewohnheiten im Alltag bis ins kleinste Detail nachverfolgen lassen. Mit diesen Daten, die der Staat eventuell teuer weiterverkauft, können gezielte Werbeprofile erstellt werden. Es ist dies ein Gewinnspiel, bei dem nur der Staat gewinnt. Kunden und Unternehmen können nur verlieren, denn sie verlieren ihre Privatsphäre und werden mit unnötiger Bürokratie bestraft.“

Dass ein Kunde zusätzliche Boni für die Lotterie erhält, wenn er bargeldlos bezahlt, geht für Atz Tammerle zu weit: „Denn Konsumenten werden damit geködert, noch mehr von ihrem privaten Kaufverhalten preiszugeben.“

Für Unternehmer bringe diese Lotterie einen erneuten Mehraufwand mit sich, „da es sich viele Kunden nicht entgehen lassen werden, ihren Kassenzettel mit ihrer persönlichen Steuernummer versehen zu lassen, um am Gewinnspiel teilzunehmen“, meint die Landtagsabgeordnete.

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