„Da steckt tiefer Hass dahinter“
Der Abgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll, erklärt, welche deutschsprachigen Südtiroler Lega gewählt haben – und warum er sich vor einer Innenministerin Giorgia Meloni und den Grünen in einer künftigen österreichischen Regierung fürchtet.
TAGESZEITUNG: Herr Knoll, Sie sind kühn: Sie und Ihre Süd-Tiroler Freiheit haben bei den EU-Wahlen gar nicht kandidiert. Dennoch sagen Sie, Sie hätten jetzt elf Mandate in Brüssel …
Sven Knoll (lacht): Inzwischen sind es sogar zwölf! Natürlich sind das nicht die Mandate der STF und es sind nicht Mandatare, die mit den Stimmen der STF in Südtirol gewählt worden sind. Aber das ist auch nicht ausschlaggebend …
Sondern?
In Europa gibt es unzählige Minderheiten, die entweder allein zu schwach oder von der Anzahl her zu gering sind, um einen eigenen Vertreter im EU-Parlament zu stellen. Deswegen wurde die Europäische Freie Allianz gegründet. Jeder Kandidat dieser Minderheitenorganisation, der den Sprung ins EU-Parlament schafft, vertritt nicht nur die Minderheit, die ihn gewählt hat, sondern die gesamte Bewegung. Konkret: Wenn ein Vertreter aus Katalonien gewählt wird, dann vertritt er in Brüssel auch die Südtiroler, die Slowenen in Kärnten und die Italiener in Fiume. Also können wir jetzt auf zwölf Abgeordnete zurückgreifen …
In welchen Belangen?
Ich nenne Ihnen ein konkretes Bespiel: Bei uns gab es in den letzten Monaten die Diskussion über das Salvini-Dekret zu den ausländischen Autokennzeichen. Wir haben die EU-Abgeordneten der EFA eingeschaltet, die dann sofort bei der EU-Kommission interveniert haben. Diese prüft jetzt ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien. Über diese EFA-Abgeordneten haben wir direkten Zugang zu den Netzwerken, die in der EU ausschlaggebend sind.
Welche Partei haben die STF-Wähler bei den EU-Wahlen gewählt?
Das kann ich nicht sagen.
Was haben Sie gewählt?
Ich werde das jetzt nicht in der TAGESZEITUNG offenlegen. Es steht die Vermutung im Raum, dass Deutschsprachige Lega gewählt haben. Das mag zwar für die Freiheitlichen-Sympathisanten zutreffen. Ich glaube nicht, dass unsere Wähler die Lega gewählt haben. Eher haben unsrige ungültig oder weiß gewählt.
Warum nicht Lega?
Aus dem einfachen Grund, dass die Lega für die Losung „Prima l’Italia“ steht. Prima l’Italia heißt: Südtirol zuletzt. Wir als STF hatten nie eine besondere Affinität zur Lega.
Die Lega ist die stärkste Partei in Italien, die zweitstärkste Partei in Südtirol. Haben Sie Angst vor der Lega?
Ich habe nicht Angst vor der Lega. Was mir Sorgen bereitet ist eine Lega nach Neuwahlen, zu denen es früher oder später kommen wird. Matteo Salvini wird jetzt die Lega ausquetschen bis zum Gehtnichtmehr, bis der Bogen überspannt ist. Salvini wird dann die Neuwahlen gewinnen, und als Koalitionspartner kommen nur die Ultrarechten in Frage …
Forza Italia und die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni?
Richtig, und morgen ist vielleicht eine Frau Meloni Innenministerin. Wissen Sie, was das für Südtirol bedeuten würde?
Sie werden es uns sagen …
Das wäre ein Horror-Szenario.
Warum?
Weil Politiker wie die Frau Meloni einen abgrundtiefen Hass gegen Südtirol verspüren. Da geht es nicht mehr um politisches Geplänkel, da steckt regelrechter Hass dahinter, den man spürt. Das wäre eine Gefahr für Südtirol.
Das hieße im Umkehrschluss, die ethnische Situation in Südtirol würde sich wieder zuspitzen?
Wenn die Ultrarechten an die Macht kommen, dann würden diese sicher wesentliche Punkte der Südtirol-Autonomie beschneiden, gerade im finanziellen und im kulturellen Bereich und im Geiste eines übergeordneten nationalen Interesses. Was dann passiert, kann man sich leicht vorstellen …
Nämlich?
Südtirol würde sich zuerst bei der römischen Regierung beschweren, aber dort hat Südtirol nichts mehr mitzureden. Dann würde man Österreich anrufen, aber Italien würde sagen: Das geht Österreich nichts an. Michaela Biancofiore hat ja im Wahlkampf mit dem Slogan: „Kurz raus!“ geworben. Und in Österreich käme noch hinzu, dass bis dahin wahrscheinlich die Grünen in der Regierung sitzen werden, die immer sagen: „Südtirol geht uns nix an.“
Sie zeichnen wirklich ein Horror-Szenario …
Vor diesem Hintergrund sagen wir ja gebetsmühlenartig, dass die doppelte Staatsbürgerschaft so wichtig wäre. Wenn die Südtiroler österreichische Staatsbürger wären, würde man die Schutzmachtfunktion stärken.
Viele Deutschsprachige dürften Lega gewählt haben. Sind das Heimat-Verräter?
Nein, ich denke, dass es so war, der einer gewissen Klientel die Slogans von Salvini gefallen haben – insbesondere die Botschaft: Ausländer raus! Für diese Slogans gibt es in Südtirol eine gewisse Empfänglichkeit. Für diese Wähler waren die SVP, die Frau Holzeisen oder die Grünen nicht wählbar. Man hat dieses Phänomen auch schon bei den Landtagswahlen beobachten können, als Freiheitlichen-Wähler sich gesagt haben: Ich gehe gleich zum Schmied und nicht zum Schmiedl. Freilich habe diese Wähler nicht bedacht, was ein Votum für die Lega für Südtirol bedeutet.
Die SVP regiert in Südtirol mit der Lega. Glauben Sie wirklich, dass eine Regierung unter Lega-Schirmherrschaft die Südtirol-Autonomie aushebelt?
Die Lega wird sicher nicht hergehen und uns von heute auf morgen verbieten, deutsch zu sprechen. Die große Gefahr ist, dass man die finanzielle Ausstattung der Autonomie angreift oder die Gesetzgebungskompetenzen. Das ist die wahre Gefahr für die Selbstverwaltung. Denn uns nützt die beste Autonomie der Welt nichts, wenn die Steuergelder nach Rom fließen.
Sie befürchten also einen subtilen Angriff auf die Autonomie?
Ein Generalangriff auf die Südtirol-Autonomie kommt sich nicht, denn dies würde zu internationalen Protesten führen. Wesentlich gefährlicher ist die Salami-Taktik, denn am Ende ist die halbe Autonomie-Wurst weg.
Der SVP könnte so eine Entwicklung gelegen kommen, denn sie könnte ihren alten Zommholtn-Slogan aus der Mottenkiste herausholen …
Was nützt ihr das? Sie bekommt vielleicht in Südtirol mehr Stimmen, hat aber in Rom nichts mehr zu melden, und in Wien sitzen die Grünen in der Regierung. Mir geht es nicht ums Schwarzmalen, aber es gehört zur Verantwortung eines Politikers aufzuzeigen, wohin eine Entwicklung führen kann, damit man darauf vorbereitet ist.
Interview: Artur Oberhofer
Ähnliche Artikel
Kommentare (24)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.
andreas
Ein Parteiobmann, welcher seine politische Einstellung nicht preisgeben will, reaktionäre Gemeinderäte aus Bruneck, welche zu illegalen Handlungen aufrufen und eine Landtagsabgeordnete, bei welcher man den Eindruck hat, sie nimmt nur zu Themen Stellung, bei welchen sie persönlich betroffen ist.
Ich will die Eva Klotz wieder zurück, die hatte wenigstens Prinzipien.
ostern
Warum ein deutschsprachiger Südtiroler LEGA wählt?
Ganz einfach, eine SVP ist nur eine Bauern und Wirtschaftspartei,
bzw. für Lobbys, oder die restlichen Parteilen bringen nichts auf
die Reihe für den südtiroler Normal-Bürger .
Bei den nächsten Wahlen kann es nur schlimmer werden,
für die deutschen Parteien.
george
@ostern
Was sind für dich „südtiroler Normal-Bürger“? Wahrscheinlich deine „Rechtsaußen“. Und wieso schreibst du das Wort „südtiroler“ klein? Etwa auch nur dann, wenn du deine gedanklichen Brüder vor Augen hast?
ostern
@george
Normal-Bürger sind solche die nicht von der SVP unmoralischen
finaziellen Beistand erhalten und dem „normalen“ Bürger nur zum
Schaden sind. Die Lobbys lässen grüßen. Bin bestimmt kein
„Rechtsaussen“ nur für eine objektive Behandlung der Bürger, oder kannst
du nicht mehr Recht und Unrecht unterscheiden?
Was die Rechtschreibung anbelangt hast du wohl Nachholbedarf. Und, …meine gedanklichen Wurzeln sind in Südtirol so fest verwurzelt wie
wenige Südtiroler, da könntest du sicher von mir ein Beispiel nehmen.
george
Wieso sollte ich in Rechtschreibung Nachholbedarf haben? Ich schreibe das Wort „Südtiroler“ nicht klein. Aber auch sonst trennen uns in der korrekten Rechtschreibung Welten. Also zieh dich selber an den Ohren, sei kein eingebildeter Tropf und gestehe ein, dass du falsch liegst.
esmeralda
Aha! Van der Bellen ist auch Grüner und Südtirol ist ihm als Tiroler eine Herzensangelegenheit. Nur ist er halt kein Hitzkopf und polemischer Marktschreier wie so viele Andere, sondern macht eine besonnene, vernünftige Politik, die auch zu Ergebnissen kommt und nicht im Hintergedanken nur den eigenen Vorteil im Sinn hat (siehe Ibiza-Affäre)
andreas
Legawähler aller Länder, kauft italienische Staatsanleihen um eure rechten Freunde zu unterstützen, ihr bekommt momentan sogar mehr Zinsen als für die griechischen…. 🙂 🙂