Big Brother im Kindergarten

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In Kindergärten, Senioren- und Behindertenheimen sollen verpflichtend Überwachungskameras installiert werden.
von Eva Maria Gapp
In Italien sollen verpflichtend Überwachungskameras in Kindergärten, Senioren- und Behindertenheimen installiert werden. Der Beschluss wurde von der Kommission für öffentliche Arbeiten und Umwelt im Senat gefasst. Damit wurde ein entsprechender Änderungsantrag zum „Decreto sblocca cantieri“ gebilligt, der von der Lega und der 5- Sterne-Bewegung, als auch von den Oppositionsparteien PD und Forza Italia gemeinsam eingereicht wurde. Innenminister Matteo Salvini kommentiert prompt: „Videokameras zum Schutz von Kindern, Senioren und Menschen mit Beeinträchtigung. Ein weiteres Wahlversprechen, das ich gehalten habe.“ Jetzt muss der Senat über den Text abstimmen.
Konkrete Details, wie diese Überwachung dann stattfinden soll, sind aber noch nicht bekannt. SVP-Senator Dieter Steger erklärt das so: „Es fehlt noch ein gesetzliche Maßnahme, die diese konkreten Details festlegt.“ Das Ja für die Überwachung wurde aber gegeben: „Durch diese Überwachungskameras möchte man sicherstellen, dass die Menschen würdevoll behandelt werden und sicher sind“, sagt er. Denn immer wieder höre man davon, dass es in Kindergärten oder Pflegeeinrichtungen zu Gewalttaten kommt. Deshalb habe man sich für diese Maßnahme entschieden. Dabei sollen die Videokameras flächendeckend eingesetzt werden. Das heißt: „Das Ziel ist es, dass in jedem Raum, wo sich Menschen aufhalten, Kameras installiert werden. Das sind sicherlich keine Toiletten oder dergleichen. Mehr kann ich derzeit nicht sagen“, sagt er. Zudem ist auch bekannt, wie viel Geld für dieses Vorhaben zur Verfügung gestellt wird: „Zehn Millionen für 2019 und 30 Millionen dann gestaffelt auf die Jahre 2020 bis 2024. Insgesamt sind also 40 Millionen dafür vorgesehen“, sagt Steger.
Erfreut ist man über dieses Vorhaben in Südtirol aber nicht: „Das ist erschreckend. Wir brauchen sicherlich keine Überwachungskameras, die uns auf Schritt und Tritt verfolgen. Vom Schutz der Kinder kann hier keine Rede sein. Denn die Privatsphäre wird hier mit Füßen getreten. Ich kann ein solches Vorhaben nicht unterstützten“, sagt eine Direktorin eines Kindergartens in Lana, die aber in diesem Artikel anonym bleiben möchte.
Die Kindergärtnerin Cornelia Brugger sieht das ähnlich: „Ich finde das schrecklich. Das ist nichts anderes als Big Brother. Gerade in Kindergärten und Altersheimen gibt es aber sehr viele private Situationen, die nicht unbedingt mitgefilmt werden müssen“, sagt sie und fügt hinzu: „Das ist eine Maßnahme, die sicherlich nicht ihr Ziel erreicht. Es gibt sicherlich schwarze Schafe unter den Betreuern, aber nur wegen dieser gleich für alle Überwachungskameras zu installieren, finde ich nicht vorteilhaft“, sagt sie. Zumal „diese furchtbaren Gewaltakte in den Kindergärten vereinzelt vorkommen und nicht in Südtirol passiert sind, sondern vor allem im Süden Italiens. Viele dieser Betreuerinnen hatten nicht einmal eine Ausbildung“, sagt sie.
Resümierend sagt also Brugger: „Ich glaube, dass man hier mit Kanonen auf Spatzen schießt. Das ist natürlich für niemanden angenehm zu wissen, dass er sieben oder acht Stunden am Tag beobachtet wird. Zudem muss sich die Betreuerin ständig den Kopf darüber zerbrechen, wie ihr Verhalten auf der Kamera rüberkommen könnte. Wenn wir jetzt wirklich auf Überwachungskameras zurückgreifen müssen, frage ich mich, wofür wir Menschen fünf Jahre lang ausgebildet haben. Denn im Grunde ist es ja ein Vertrauensmangel, denn wofür installiert man sonst Überwachungskameras?“, sagt sie.
Die Tageszeitung hat auch bei der Landeskindergartendirektorin Helena Saltuari nachgefragt. Sie möchte zu diesem Zeitpunkt nur sagen: „Der Gesetzesentwurf ist auf Staatsebene in Behandlung. Die Gelder sind einstweilen vorgesehen worden, um dieses Vorhaben zu finanzieren. Falls es soweit kommen wird, werden wir als autonome Provinz sicher die entsprechenden Maßnahmen treffen.“
Neu ist dieses Vorhaben, Überwachungskameras in gewissen Einrichtungen zu installieren, aber nicht. Bereits 2016 hat der Innenminister Matteo Salvini auf Facebook gepostet: „Es bräuchte Überwachungskameras, um Kindergärten, Schulen und Pflegeheime zu kontrollieren, um Gewalttaten vermeiden zu können.“ Erst im Jänner sollen vier Erzieherinnen in der Nähe von Rom 3- bis 5-jährige Kindergartenkinder misshandelt haben.
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