„Fischbestand wird vernichtet“
Der Alperia-Stausee in Mühlbach wird in den kommenden drei Wochen gespült – mit schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Wasserlebensräume.
Seit vergangenem Montag wird der von Alperia geführte Mühlbacher Stausee gespült. „Eine braun gefärbte, übelriechende Rienz bis ins Stadtgebiet von Brixen und darunter ein fast ebenso trüber Eisack bis Bozen sind die unmittelbare – auch für Laien sichtbare – Folge“, kritisiert der Landesfischereiverband.
Aber was hat es mit dieser Stauseespülung überhaupt auf sich?
In Stausee Mühlbach verringert sich die Fließgeschwindigkeit der Rienz extrem – somit lagern sich vor allem Feinsedimente, die vom Wasser mittransportiert werden, am Gewässergrund ab und führen im Laufe der Jahre dazu, dass der verfügbare Stauraum weniger und die Sedimentschicht darunter dicker wird.
Deshalb führt Alperia, der Betreiber des KW Brixen und somit der dazugehörigen Stauseen Mühlbach und Franzensfeste, alle 3-5 Jahre eine Stauseespülung durch: durch das kontrollierte Öffnen der Schleusen wird innerhalb von 3 Wochen der Großteil der (Fein-)Sedimente talwärts gespült oder anders formuliert, flussabwärts entsorgt.
Im Prinzip seien diese Feinsedimente als Produktionsabfälle der Stromerzeugung anzusehen. „Sie sind zwar natürlichen Ursprungs (aufgrund der Erosion), würden sich aber ohne den Stausee Mühlbach nicht bei uns ablagern, sondern natürlich, kontinuierlich übers Jahr verteilt und kaum merklich flussabwärts transportiert werden – um schlussendlich über die Etsch großteils in die Adria zu gelangen“, so der Fischereiverband.
Technisch gesehen seien Stauseespülungen also Relikte der Vergangenheit: mittlerweile gebe es Technologien, die weitaus umweltschonender sind.
Warum sind Stauseespülungen für die Umwelt so schlimm?
Dazu der Landesfischereiverband:
„Der Fischbestand im Stausee Mühlbach wird während der Stauraumspülung praktisch komplett vernichtet. Durch daskontrollierte Öffnen und Schließen der Schleusen “brechen” die Sedimentablagerungen im Stausee immer wieder in sichzusammen und verursachen eine enorme Trübung, welche sehr problematisch für die Fische aller Altersklassen und für die Gewässerwirbellosen ist.
Die Spülungen im Mühlbacher Stausee der letzten beiden Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Umweltschäden auch flussabwärts des Stausees enorm sind. Probebefischungen des Amtes für Jagd und Fischerei nach Spülungen belegen, dass eine Generation an Jungfischen praktisch komplett fehlt – d.h. sie wird nahezu vollständig vernichtet. Auch bei den Folgegenerationen gibt es teilweise hohe Ausfälle.
Der Flusslebensraum talseits des Mühlbach Stausees, vor allem also die so gut wie unberührte Rienzschlucht, wird durch die Spülung ebenfalls nachhaltig geschädigt – für mehrere Jahre! Felderhebungen nach der Stauseespülung haben gezeigt, dass sich Fein-Sedimente am Gewässergrund absetzen und den natürlichen schotterigen Untergrund verkitten – Forellen und Äschen benötigen aber Schotter zur erfolgreichen Reproduktion!
Last but not least haben auch unsere südlichen Nachbarn aus dem Triveneto eine “große Freude” mit der enormenSedimentfracht, die sie binnen weniger Wochen erreicht. Besonders Landwirte, die ihr Beregnungswasser aus der Etsch beziehen, freuen sich, wenn Ihre Beregnungssysteme teilweise verstopfen und sich Sedimente auch auf der Apfelschale absetzen.
Welche Alternativen gibt es?
Aus Sicht des Landesfischereiverbandes ist hinsichtlich der laufenden Spülung des Stausees Mühlbach positiv hervorzuheben, dass die Landesverwaltung, konkret die Dienststellenkonferenz für den Umweltbereich – im Vergleich zu vorherigen Spülungen – dem Kraftwerksbetreiber Alperia verschärfte Auflagen verordnet hat. Neben der Wassertrübung wird auch die Änderung der Abflussmenge talwärts des Mühlbacher Stausees kontinuierlich überwacht (im Minutentakt). Ob diese verschärften Maßnahmen ausreichend sind, um zumindest das vorher geschilderte Fischsterben der Jungfische flussabwärts der Staumauer zu verhindern, werden Probebefischungen im Anschluß an die Spülung zeigen.
Nichtsdestotrotz ist es das erklärte Ziel des Landesfischereiverbandes Südtirol, klassische Stauseespülungen wie diese, in Zukunft im Mühlbacher und in den übrigen Südtiroler Stauseen zu verhindern! In Hinblick auf den technischen Fortschritt hat sich nämlich auch im Bereich Sedimentmanagement in den letzten Jahren einiges getan. Diverse Kraftwerksbetreiber im Alpenraum haben in der Praxis bewiesen, dass eine alternative, weit weniger invasive Stauraumbewirtschaftung möglich ist – vor allem mittels “Saugbaggern” (= Saugboote). Dabei werden Sedimente übereinen längeren Zeitraum (in den Monaten mit relativ hoher Wasserführung der Flüsse), z.B. von Juni bis Oktober, kontinuierlich durch unbemannte Boote (vollautomatisiert) abgepumpt und dem Triebwasser zugeführt (also mitturbiniert).Die “Dosierung” der Wassertrübung kann fein justiert und umweltverträglich gestaltet werden.
Alperia wurde vom Amt für Jagd & Fischerei im März 2017 angehalten, eine Machbarkeitsstudie über die alternative Stauraumbewirtschaftung durchzuführen, und hat vor kurzem erste, vielversprechende Ergebnisse präsentiert.
Schlussendlich wird aber der Druck der Südtiroler Landespolitik notwendig sein, den Dinosaurier Stauseespülung endgültig zu begraben.
Erste Gespräche des Landesfischereiverbandes mit den Ressorts von LR. Schuler und LR. Vettorato sind vielversprechend verlaufen. Es besteht Konsens darüber, dass alles Mögliche unternommen werden muss, um kollaterale Umweltschäden, wie sie Stauseespülungen verursachen, in Zukunft zu verhindern. Es muss schließlich vor allem für Unternehmen in Öffentlicher Hand gelten, dass Umweltkosten nicht externalisiert, also auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Würden die Umweltkosten der Stauseespülungen nämlich monetarisch bewertet werden, wären sie für die Allgemeinheit zweifelsfrei die kostspieligste aller Varianten der Stauraumbewirtschaftung. Derzeit ist eine Stauseespülung freilich noch die billigste Variante – da der Kraftwerksbetreiber für die schwierig zu berechnenden Umweltschäden großteils nicht aufkommen muss und in ihren Büchern lediglich den dreiwöchigen Produktionsausfall zu verbuchen hat.“
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