Das sonntägliche Lächeln
Warum fehlen so viele Köche? Reinhard Steger, Präsident des Köcheverbandes, über den Wirtschaftsboom, die steigenden Ansprüche der Gäste und den Widerspruch am Wochenende.
Reinhard Steger kennt die Szene wie seine eigene Hosentasche. Der Präsident des Südtiroler Köcheverbandes ist seit Jahrzehnten eine prägende Figur in der Gastronomie. „In Südtirol“, sagt er, „hat es aus Sicht der jungen Menschen vielleicht nie eine bessere Situation gegeben. Alle Wirtschaftsbereiche sind auf der Suche nach gut ausgebildeten Leuten. Man kann sich die Arbeit heute aussuchen.“
Als Reinhard Steger an einem 20. Juli irgendwann Ende der 80er Jahre aus dem Ausland nach Südtirol zurückkehrte, schaute es noch ganz anders aus. Bereits im Vorfeld hatte er nach einer Anstellung Ausschau gehalten, aber anscheinend brauchte damals kaum jemand einen neuen Koch.
Aber warum fehlen heute Köche? Warum schafft man es nicht, den enormen Bedarf der Hotellerie und Gastronomie nach Kellnern oder Köchen abzudecken?
„Die Wirtschaft läuft gut“, sagt Steger, „auch der Weg der Hotellerie hin zum Ganzjahrestourismus war richtig. Die Erfolge geben dem Tourismus Recht.“ Nur: Es fehlt der Nachwuchs. Das wiederum habe weniger damit zu tun, dass die jungen Leute grundsätzlich die Arbeit in den Bereichen Hotellerie und Tourismus scheuen. Der Zulauf auf die Hotelfachschulen sei ungebrochen, trotzdem gibt es weniger Schüler. Der Nachwuchs fehle vor allem deshalb, weil die geburtenstarken Jahrgänge langsam nachlassen. Das mache sich aber nicht nur in den Hotelfachschulen bemerkbar, sagt Steger, sondern in allen Bereichen.
Dazu kommt: „Der Trend geht in die Richtung, dass die Menschen nur noch von Montag bis Freitag Mittag arbeiten möchten. Am Wochenende wollen viele frei haben, das funktioniert in einem Handwerksbetrieb, aber nicht in einem Hotel.“ Im Widerspruch dazu stehe, dass auch die Südtiroler am Wochenende bei einem Ausflug, etwa auf eine Berghütte, am liebsten von einheimischem Personal bedient werden wollen. „Das ist eine Herausforderung, der man sich stellen muss. Noch beißt sich die Katze dabei sprichwörtlich in den Schwanz“, sagt Steger.
Die Ansprüche steigen, sagt er, das bedeutet aber auch, dass es heute viel mehr Menschen braucht, die in diesem Bereich arbeiten. Ein Beispiel: Kommt eine Gruppe von zehn Personen zum Essen, dann sind meist einige Vegetarier, Veganer oder Menschen mit Laktoseintoleranz oder Allergien darunter. Diesen Bedürfnissen muss der Betrieb gerecht werden. Aber das bedeutet auch, dass es vor allem in der Küche mehr Personal braucht, um all diesen Wünschen nachkommen zu können. Personal, das vielerorts einfach nicht vorhanden ist.
Die Betriebe suchen deshalb auch im Ausland nach Fachkräften. Das wiederum empfindet Reinhard Steger nicht unbedingt als Nachteil. „Wir werden eine gewisse Anzahl an Mitarbeitern von außen beziehen müssen“, sagt er, „ein Zufluss an neuen Eindrücken hat der Südtiroler Küche immer gut getan. Alles andere wäre Inzucht.“ Dass Tourismus etwa im Pustertal eine enorme Rolle spielt, zeigt sich auch an der Zahl an Arbeitsplätzen, die in der Peripherie geschaffen werden.
Gleichzeitig aber scheinen viele Abgänger aus den Hotelfachschulen sich nicht gleich in eine Küche oder in einen Speisesaal stellen zu wollen. Eine Studie der Handelskammer hat allerdings ergeben, dass immer noch ein recht hoher Anteil von 70 Prozent der Abgänger aus den Hotelfachschulen in den Bereichen Gastronomie und Hotellerie bleiben. „Aber wenn der Dienstleistungsanspruch steigt“, betont Steger noch einmal, „dann steigt auch der Bedarf an Personal. Hier tut sich eine Schere auf.“
Auch an den Samstagen und Sonntagen die Gäste mit einem Lächeln auf den Lippen professionell zu beraten, solche Leute suchen Südtirols Betriebe derzeit händeringend. „Wir sind froh, dass die Nachfrage gut ist“, erklärt der Präsident des Köcheverbandes, „aber diese Situation kann sich auch sehr schnell wieder ändern.“ (sul)
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