Der Fall Adan
Das Beweissicherungsverfahren zum Tod des Flüchtlings Adan ist abgeschlossen: Es gab einen nachgewiesenen Diagnosefehler, für den allenfalls die behandelnden Anästhesisten im Bozner Spital strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können. Oder auch nicht.
Von Thomas Vikoler
Endet das Strafverfahren gegen zehn Ärzte des Bozner Krankenhauses zum Fall Adan im Archiv des Bozner Landesgerichts? Diese Frage lässt sich derzeit nicht beantworten. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich das geschieht, ist nach dem nunmehrigen Abschluss des Beweissicherungsverfahrens zur Klärung von Todesursache und etwaiger strafrechtlicher Verantwortlichkeiten der behandelnden Ärzte gestiegen.
Hauptgutachter Sandro La Micela, Rechtmediziner aus Trient, lieferte auch in seiner Zusatz-Expertise keine spezifischen Schuldzuweisungen. Er stellte aber immerhin fest, dass es nachweislich „Diagnosefehler“ gegeben hat.
Anders ausgedrückt: Keiner der zehn behandelnden Ärzte, konnte infolge der am 7. Oktober 2017 durchgeführten Computertomographie am 14-jährigen irakischen Flüchtling Adan feststellen, dass sich der Bub in Lebensgefahr befand.
Adan hatte sich bei einem Sturz mit Rollstuhl beide Oberschenkel gebrochen. Er und seine Familie waren zuvor mehrere Tage – aus Schweden kommend, und ohne sichere Unterkunft – durch Bozen geirrt.
Adan litt, was den behandelnden Ärzten bekannt war, an einer Muskeldystrophie des Typs Duchenne, eine muskuläre Erbkrankheit, die eine Schwäche der Oberschenkelmuskulatur mit sich bringt.
Eine der zusätzlichen Fragen von Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg an Gutachter La Micela lautete deshalb: Erhöht sich durch das Duchenne-Syndrom die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient von einer Fettembolie befallen wird? Adan war bekanntlich – was allerdings erst bei der Obduktion festgestellt wurde – am Abend des 7. Oktober 2017 an einer Fettembolie gestorben. Fett hatte sich in seinen Lungen festgesetzt.
Laut dem Gutachter gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die eine erhöhte Gefahr des Auftretens einer Fettembolie nachweisen. Für die Gutachter der Zivilpartei (die Eltern und Geschwister Adans) steigt hingegen die Wahrscheinlichkeit einer Fettembolie beim Duchenne-Syndrom auf bis zu 50 Prozent. Im Normalfall liegt sie bei zehn Prozent.
Ungeklärt bliebt im Gutachten auch die Frage, ob das Leben des 14-Jährigen durch eine rasche unterstützende Therapie (etwa Sauerstoff-Zufuhr) hätte gerettet werden können. La Micela und die von ihm beigezogenen vier Professoren für Rechtsmedizin kamen lediglich zum Schluss, dass sich damit die Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht hätte.
Sie haben aber immerhin eine Gruppe von Ärzten ausgemacht, die am ehesten eine Mitschuld am Tod Adans tragen könnten: Die Anästhesisten, welche den Buben nach der Durchführung der Computertomographie behandelten. Die übrigen Ärzte, etwa die Orthopäden und Chirurgen, die ihn an den Oberschenkeln operierten, sind hingegen aus dem Schneider.
Über den weiteren Verlauf des Strafverfahren zum Tatverdacht der fahrlässigen Tötung entscheidet nun die Staatsanwaltschaft: Anklage oder Antrag auf Archivierung.
Gut möglich, dass der Fall Adan am Ende allein zivilrechtlich ausgehandelt wird. Dort zählen nicht einzelne Verantwortlichkeiten sondern die Frage der (verminderten) Überlebenschancen.
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Kommentare (4)
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exodus
Diese Familie wurde in Schweden nicht akzeptiert, ein sehr soziales Land, wieso sind die nach Südtirol gekommen? Ich finde es unerhört, nun unseren Ärzten den schwarzen Peter zuzuschieben!!