Schwieriger Start
Jedes zehnte Baby kommt in Südtirol zu früh zur Welt. Dank neonataler Intensivmedizin überleben die meisten Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1.000 Gramm. Sie haben aber keinen einfachen Start ins Leben.
Es war ein Fest der Frühchen:
Am hSamstagvormittag fand im Foyer des Hauses der Familie zum fünften Mal die Sensibilisierungsinitiative MutterNachtstatt.
Seit 2015 erörtert das Rittner Bildungszentrum gemeinsam mit 19 anderen Organisationen jeweils einen Tag vor dem Muttertag ein herausforderndes Thema rund um das Elternsein. Heuer war es die Frühgeburt. Der Begriff ist als Kontrast bewusst gewählt: Die MutterNacht beleuchtet die dunklen Seiten und Gefühle, die Mütter und Väter rund um eine Geburt erleben können. Zum heurigen Aktionstag fanden sich 70 Menschen ein.
Dabei wurde eine Anthologie mit 32 Geschichten und 49 Fotos vorgestellt, die Eltern von Frühchen und Frühgeborene im Vorab eingereicht haben. Eine Diskussionsrunde mit Fachleuten und Betroffenen bildete den Höhepunkt des Aktionstages. Mit Luftakrobatik des Vereins Animativawurde die MutterNacht abgeschlossen. Ladies in Dress haben den Aktionstag musikalisch umrahmt.
Dem Aktionstag zur MutterNacht ist eine Geschichten- und Bildersammlung vorausgegangen, die in eine Anthologie mündete und bei der MutterNacht heute erstmals vorgestellt wurde:
Die 32 Geschichten und 49 Bilder erzählen von existenzieller Angst und sich überstürzenden Ereignissen, von Sorgen um die Spätfolgen und zarter Hoffnung, von Rückschlägen und wachsender Freude.
Rund jedes zehnte Baby kommt in Südtirol zu früh zur Welt. Petra Rohregger, Schauspielerin und selbst als Frühchen geboren, las einige Geschichten aus dem druckfrischen Buch vor. Kinder, die vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, gelten als Frühchen. Dank neonataler Intensivmedizin überleben in gut ausgestatteten Perinatalzentren inzwischen die meisten Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1.000 Gramm. Sie haben keinen einfachen Start ins Leben.
Am Freitag hat sich bereits eine Fachtagung mit dem Thema befasst.
Bei der Podiumsdiskussion wurde die Frühgeburt aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Der Schweizer Klaus Käppeli, Körperpsychotherapeut und Experte bei traumatischen Erfahrungen vor und während der Geburt bei Babys und von Erwachsenen betonte, dass die Umstände von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt Auswirkungen auf das Leben eines Menschen hätten.
Er erzählte vom starken Lebenswillen von Frühgeborenen.
Hubert Messner, ehemaliger Primar der Neonatologie und Neugeborenen-Intensivstation am Krankenhaus Bozen erklärte, dass die medizinische Versorgung immer besser werde. Kinder, die ab der 23. Schwangerschaftswoche geboren werden, würden versorgt und beatmet.
95 Prozent der Kinder, die mit einem Gewicht unter 1.000 Gramm zur Welt kommen, überleben. Frühgeborene seien Kämpfer von Anfang an, sagte er. Irene Verra Perathoner ist Mutter von zwei Kindern. Eines ist in der 24. Schwangerschaftswoche geboren und zwei Tage danach gestorben. Niklas ist in der 26. Woche geboren und heute sechs Jahre alt ist. Sie berichtete von den Schwierigkeiten und Herausforderungen der ersten Lebensphase ihres Sohnes.
Die Beziehung zu ihrem Mann habe sich in jener Zeit verstärkt. Edoardo Borghini ist der Vater von Amélie, die in der 28. Schwangerschaftswoche geboren wurde. Als Vater sei man auch sehr gefordert, sagte er. Es sei anfangs für ihn schwierig gewesen, das Gleichgewicht zu finden zwischen dem Wunsch, seine Frau zu unterstützen und gleichzeitig den Arbeitsanforderungen gerecht zu werden.
Die fast 18-Jährige Sandra Martini ist im sechsten Schwangerschaftsmonat zur Welt gekommen. Sie lud bei der Podiumsdiskussion alle zu früh Geborenen ein, bei Schwierigkeiten nie den Glauben an sich selbst zu verlieren und Vertrauen in die eigene Kraft zu haben. Alle Hürden seien zu bewältigen, sagte sie. Die Hebamme Astrid Di Bella hat die Sensibilisierungsaktion im Auftrag des Hauses der Familie koordiniert und die Diskussion moderiert.
Im Rahmenprogramm warteten Spielecken auf die Kinder. Musik kam vom Streichquartett „Ladies in Dress“. Der Verein „Animativa“ bot den 70 Teilnehmenden Zirkus zum Mitmachen an. Die Menschen konnten Zirkusgeräte ausprobieren, an Tellern drehen, mit Tüchern, Bällen und Diabolos jonglieren, auf Rollen und Pedalos balancieren, über Seile springen und mit Hula-Hoop-Reifen hantieren. Mit Luftakrobatik im Freien versuchten sie tanzend aufzuzeigen, wie das Leben von Frühgeborenen oft am seidenen Faden hängt.
Bei einer Fachtagung im Haus der Familie wurde der Fokus interdisziplinär auf die Frühgeburt gelegt. Namhafte Fachleute aus dem In- und Ausland referierten, unter ihnen Alex Staffler, Primar der Neugeborenen-Intensivstation im Krankenhaus Bozen; Klaus Käppeli aus der Schweiz und Valentina Zingerle, Psychologin und Psychotherapeutin im Dienst für Kinder- und Jugendneurologie und Rehabilitation in Bozen.
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