Der lebhafte Meister
Mit Markus Vallazza geht eine großartige, bedeutende und beliebte Künstlerpersönlichkeit des Landes. Ein Nachruf von Arnold Tribus.
Gerade am Karsamstag habe ich mit Robert Pan über Markus Vallazza geredet, denn wir hatten ihn beide seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Er wirkte immer müde in letzter Zeit, er hatte seine Energie verloren, er, der geniale, schöne, begehrte, erfolgreiche, kultivierte, belesene, brillante Markus war müde geworden. Nun ist er von uns gegangen.
Er kam zwar bis zum Ende immer zu Eröffnungen einen Sprung in der Galerie Alessandro Casciaro vorbei, einst die alte Goethe-Galerie von Ivana und Ennio Casciaro, die seinen künstlerischen Werdegang ein Leben lang begleitet und auch zu seinem kommerziellen Erfolg beigetragen haben, denn Markus war ein sehr bekannter und sehr erfolgreicher Künstler, er hatte nicht nur in Südtirol Erfolg, sondern war auch in Österreich sehr bekannt und anerkannt. So wurde er beispielsweise 1970 auf Vorschlag des damaligen Präsidenten Georg Eisler und Alfred Hrdlicka Mitglied der Wiener Secession. Seine Werke befinden sich in allen bedeutenden Museen und Sammlungen Österreichs, in der Albertina, im Rupertinum, im Ferdinandeum, in der Strabag-Sammlung, in der Stiftung Peter Infeld, in der Sammlung Essel. Markus war ja ein weitgereister Künstler, wenn er etwas nicht war, dann war er nicht provinziell, denn es hat ihn ja immer in die weite Welt hinausgezogen, er hat alle Staaten bereist, hat in Berlin und Paris gelebt und dort Alberto Giacometti kennengelernt, genauso wie er in London Henry Moor kennenlernte. Zu den Schriftstellern und Schriftstellerinnen pflegte er ein ganz besonderes Verhältnis.
Aber auch das Land Südtirol hat den großen Sohn mit der Verleihung des „Walther von der Vogelweide“-Preises geehrt und ihn in den Südtiroler Kulturolymp erhoben. Damit wurde sein Lebenswerk geehrt, seine immense Produktion, seine Mappenwerke, seine Radierungen, Zeichnungen, Gemälde. Über Markus Vallazza sind zig Bücher und Kataloge erschienen, Filme, kaum ein Südtiroler Künstler kann auf eine so lange, reiche Biografie verweisen.
Markus Vallazza war Künstler aus Leidenschaft. Zeichner, Radierer und Maler aus Berufung. Die nie versiegende, unzerstörbare Vitalität seiner Kunst war etwas Staunenswertes, Ergreifendes und ausgesprochen Wunderbares. Dank dieser Vitalität hat er alle Krisen gemeistert, alle Krankheiten besiegt, weil er sich nicht unterkriegen ließ, im Namen der Kunst. Der künstlerische Trieb war in Markus ebenso ausgeprägt wie sein Lebenswille und sein Selbsterhaltungstrieb. Solange die Menschheit weiterkämpft, wird es Kunst geben. Gute Kunst. Und daran war er bis zu seinem Ende interessiert.
Er pendelte zwischen Wien und Bozen, unermüdlich beschäftigt mit dieser sonderbaren Leidenschaft und fixen Idee, die Großen aus Weltliteratur, Kunst und Wissenschaft grafisch und zeichnerisch zu komprimieren, auf den Punkt zu bringen, indem er einmalige, beispiellose Bilder und Formen ersann, von meisterhafter Faktur. Meister. Markus Vallazza hat auch als reifer Künstler seine Jugendlichkeit bewahrt, Neugierde und Elan. Er ist dabei immer seinem künstlerischen und intellektuellen Auftrag treu geblieben. Er hat immer hart gearbeitet und konnte von sich sagen, vor allem was sein grafisches Werk betrifft, zu den großen europäischen Talenten zu gehören. Abseits von allen Moden und der widerlichen Eventkunst hat Vallazza schon lange ganz eindeutig seinen eigenen Stil und seinen unverkennbaren Ausdruck gefunden.
Was mich an ihm faszinierte, neben seiner vollendeten Kunst und einer Ausgefallenheit seiner Bilderwelt, ist das Phänomen seiner schier unerschöpflichen künstlerischen Vitalität und sein kreativer Elan. Er ist seinen Weg immer mutig und konsequent gegangen, er hat sich nie davon abbringen lassen, auch in Zeiten, als sein Genre nicht gefragt war und von gewissen Klugscheißern als demodé belächelt wurde. Er fuhr fort zu schöpfen, zu wagen, zu experimentieren, seine Technik zu verbessern, zu studieren, zu lesen, immer neue Parabeln zu entdecken und zu erfinden und seinen Wünschen und Träumen eine Form zu geben und seine Botschaft deutlich zu machen. Denn Markus verstand seine Arbeit als Sichtbarmachung von Ideen, Gedanken, Historien.
Markus Vallazza, dieser lebhafte und kluge Meister, war bei uns die Verkörperung der Kunst, der Kunst in ihrer ganzen Unberechenbarkeit und Größe. Ein echter Künstler, der sich einmischte, der den Mut hatte, seine Meinung zu sagen, heute, wo die jungen Künstler schweigen und an ihre Karriere denken, gefiel es Vallazza auch vorlaut zu sein, den Mächtigen auf die Zehen zu steigen. Er war couragiert, einer der letzten Humanisten. Und ich will es nicht vergessen: Er war ein großer Freund der Tageszeitung!
Seine Kunst war zugleich kompliziert und simpel, verfeinert und natürlich. Was könnte ähnlich komplex und so sehr von unterschiedlichen Traditionen geprägt sein wie die kulturelle Sphäre, der das Werk dieses europäischen Künstlers zuzuordnen ist?
Seine Phantasien scheinen voll geheimer Anspielungen und gelehrter Andeutungen, gleichzeitig sind sie voller Frische und Vitalität, der spontane Ausdruck einer noch kindlichen Lust am Spiel. Ein Talent wie das von Markus Vallazza ist von zahlreichen Traditionen und Einflüssen geprägt, von der Klassik zu Moderne, von Dürer zu Picasso. Diese ganzen Einflüsse kann man in seinem Werk finden. Er hat die Techniken und Stimmungen mehrerer Jahrhunderte aufgenommen. Er hat dabei seinen Weg gefunden und ist unabhängig geblieben.
Lieber Markus, Du hast meisterhaft inszeniert, wie es im Inferno ist, im Paradiso, im Purgatorio, Du kannst wählen, wo Du dich am wohlsten fühlst. Seiner Lebensgefährtin Renate, für mich die Frau Verlobte, und seiner Familie gilt unsere Anteilnahme.
Arnold Tribus
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