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„Wir retten Europa“

Ulli Mair

Ulli Mair verrät, von welchem Europa sie träumt. Warum die Blauen nicht mit der Lega kandidieren. Warum sie das Team Köllensperger als Team der Windfähnchen sieht. Und: Warum sie nie grün wählen könnte.

TAGESZEITUNG Online: Frau Mair, wen wählen Sie am 26. Mai: Renate Holzeisen oder Norbert Lantschner?

Ulli Mair: Keinen von beiden. Für mich sind sowohl Holzeisen als auch Lantschner Linke und Grüne und daher nicht wählbar. Sie stellen daher auch für unsere Wähler keine Alternative dar.

Werden die Freiheitlichen eine Wahlempfehlung zur EU-Wahl abgeben?

Nein, wir werden keine Wahlempfehlung abgeben. Wir werden sehr wohl einen Wahlaufruf mache, denn es ist wichtig, dass die Menschen zur Wahl gehen, aber Empfehlung wird es keine geben. Es ist schade, aber diese EU-Wahlen sind für die Südtiroler Wähler insgesamt eine Zumutung …

Eine Zumutung?

Ja, weil es keine klare Ausrichtung, keine klare Linie gibt. Die SVP findet sich mit einer Mussolini auf der Liste wider. Es ist absurd, dass sich ausgerechnet die Volkspartei, die sich immer als Vertreterin der Minderheiten erklärt, von einer staatlichen Partei wählen lässt. Die Holzeisen kandidiert mit Emma Bonino, einer ehemaligen Forza Italia-Exponentin, die sich – so hört man – von George Soros finanzieren lässt. Und die Grünen sind thematisch nicht wählbar …

Warum?

Weil sie eine reine Verbotspartei sind. Die Grünen halten sich für besondere Demokraten, aber wer nicht ihrer Meinung ist, bekommt zu spüren, wie demokratisch sie sind. Das Traurige an EU- und an Parlamentswahlen ist, dass die SVP immer federführend bei der Konzeption der jeweiligen Wahlgesetze dabei war, die solch absurde Konstellationen möglich machen.

Wie sehr, glauben Sie, berührt die Menschen die bevorstehende EU-Wahl?

Wenn man sich die letzten EU-Wahlen und auch die Wahlbeteiligung …

… von knapp 43 Prozent im Jahr 2014 …

… anschaut, stellt sich heraus, dass immer mehr Bürger nicht mehr an das Projekt EU glauben. Sie finden zwar Europa attraktiv, aber nicht das Projekt EU.

Warum?

Die EU müsste den einzelnen Regionen mehr Gewicht geben. Ich hätte eine Freude, wenn es einen Wahlkreis Bayern-Tirol-Südtirol gäbe. Wenn man die Regionen, die zusammengehören, grenzübergreifend stärkte, würde man die Menschen wieder mehr einbinden und für das EU-Projekt begeistern. Es ist nun einmal so, dass sich das EU-Parlament aus nationalen Vertretern zusammensetzt, aber die Leute denken regional.

Es gibt böse Zungen, die behaupten, die Blauen hätten gar nicht mit der Lega verhandelt? Sie hätten gar nie zu den EU-Wahlen antreten wollen?

Das stimmt nicht. Ich war selbst nicht bei den Verhandlungen dabei, aber es hat sehr wohl Gespräche gegeben. Leider Gottes kam eine Kandidatur nicht zustande.

Es hieß immer, es liefen Verhandlungen mit der Lega. Mit wem hat denn Obmann Andreas Leiter Reber verhandelt?

Das müssen Sie ihn selbst fragen. Er hat mehrere Leute kontaktiert, auch schriftlich. Offensichtlich wollte die Lega nicht. Ich sage: Die Lega hat einen strategischen Fehler gemacht.

Inwiefern?

Die Lega kann nicht hergehen und sagen, sie sei für alle da, denn der Lega fehlt das deutsche Element.

Kann es auch sein, dass der Bozner Koalitionspartner der Lega – die SVP – eine Wahlverbindung zwischen Lega und Blauen verhindert bzw. torpediert hat?

Das möchte ich der SVP nicht unterstellen, denn ich weiß es nicht. Wundern würde es mich nicht, wenn die SVP die Finger im Spiel gehabt hätte oder dass dies Bestandteil der Abmachung zwischen Volkspartei und Lega gewesen sein könnte.

Für die Blauen gab es zur Lega keine Alternative?

Nein! Es war nicht möglich, mit Splittergruppen aus anderen Provinzen ein Wahlabkommen zu machen. Aber wir werden trotzdem ein Ansprechpartner der Lega bleiben. Wir haben thematisch viele Gemeinsamkeiten: Familienpolitik, Zuwanderungspolitik, Sicherheit …

Sie sind also nicht nachtragend?

Nein, ich persönlich sicher nicht. Für mich wird der Draht, den ich zu Salvini und anderen Lega-Politikern habe, aufrecht bleiben. Ich sage nur: Ein gemeinsames Antreten bei der EU-Wahl wäre für die Lega eine Chance gewesen.

Sie bleiben mit der Lega im Gespräch, vielleicht gibt es ja doch eine Wahlempfehlung?

Nein. Wir werden unsere Leuten sagen: Geht’s wählen, schaut euch die Programme der wahlwerbenden Parteien an …

Und die meisten Blauen werden Lega wählen?

Ja, aber ohne dass wir eine Wahlempfehlung abgeben müssen. Lassen Sie mich noch etwas zur Lega sagen: Bei aller Liebe zum Salvini, den ich gut finde, weil er einer ist, der Tacheles redet und in der Einwanderung konkrete Schritte gesetzt hat, aber die vier Leghisti im Landtag sind meilenweit von einem Salvini-Format entfernt …

Ist das eine Kampfansage?

Nein, eine Feststellung. Denn die Leghisti sitzen in der Regierung, wir in der Opposition, also werden wir sie mit Arbeit eindecken. Und: Es gibt nichts zum Nulltarif. Es gibt keine Schonfrist. 

Die Freiheitlichen treten auch bei den Gemeinderatswahlen in Freienfeld und Sarntal nicht an. Wie wollen die Freiheitlichen wieder wachsen, wenn sie an den Urnengängen nicht mehr teilnahmen?

Gut ist es nicht, wenn wir nicht antreten, aber das hängt auch ein bisschen von den Leuten selber ab. Man kann niemanden zu einer Kandidatur zwingen. Es gibt viele, die sagen, sie möchten etwas tun. Aber nicht alle sind dann bereit, sich zu outen und mitzumachen. Ich habe mitgekriegt, dass das Team Köllensperger jetzt in mehreren Gemeinden versucht, Bürgerlisten zu vereinnahmen. Eines muss klar sein: Wenn es Freiheitliche gibt, die bei diesen Listen mitmachen, dann sind wir der primäre Ansprechpartner.

Ist das Team Köllensperger jetzt der große Gegner der Blauen?

Nein. Köllensperger versucht natürlich, den Aufwind, den er durch die Landtagswahlen bekommen hat, zu nutzen, um andere Listen zu verhindern. Aber das Team Köllensperger muss erst zeigen, für was es steht. Sie sind zu den Landtagswahlen ohne Programm angetreten, ohne dass die Wähler wussten, wofür sie stehen. Dennoch sollten die Menschen wissen, dass das Team Köllensperger sicher keine Mitte-Rechts-Partei ist …

… sondern?

Eine Partei der Beliebigkeit. Das Team Köllensperger ist bislang von den Medien verschont geblieben, es hat noch nie Farbe bekennen müssen. Köllensperger & Co. konnten sich daher positionieren wie gerade der Wind weht.

Sie sprechen von einem Team der Opportunisten?

Diesen Begriff verwende ich nicht. Beliebig ist der richtige Ausdruck. Nehmen wir die Kandidatin Holzeisen. Einerseits möchte sie die Kandidatin der Wirtschaft sein, sie ist aber als Grüne gegen den Flughafen. Die Holzeisen hat bereits einmal für die Grünen für Europa kandidiert. Ich frage mich: Mit wem wird sie das nächste Mal rennen?

Wird es bei den EU-Wahler zum befürchteten bzw. herbeigesehnten Rechtsruck in Europa kommen?

Das ist ein Thema, das man zurechtrücken muss. Es wird nämlich immer ein Bild von Rechtsparteien gezeichnet, die Europa zerstören wollen. Ich bin der Meinung: Wer Europa retten will, muss sich von den Volksparteien verabschieden, die die EU in diese Situation gebracht haben. Es ist zu überdenken, wohin sich Europa entwickeln soll. Nämlich mehr hin zu einem Europa, das nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entscheidet, sondern auf die Menschen eingeht. Das derzeitige Europa ist ein Projekt für die großen Lobbys und weniger ein Europa für die Menschen. Daher müssen wir uns fragen: Welches Europa wollen wir?

Welches Europa wollen Sie?

Kein Europa, in dem die Lobbys und die Banken das Sagen haben, sondern ein Europa, in dem die Bürger im Mittelpunkt stehen.

Interview: Artur Oberhofer

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