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Hat Jesus die Kreuzigung überlebt?

Neue medizinische Erkenntnisse legen nahe, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat, der vermeintlich tödliche Lanzenstoß eines römischen Soldaten hat ihn vorm Ersticken bewahrt. Wo aber kein Tod, da auch keine Auferstehung. So argumentiert der renommierte Historiker Johannes Fried in seinem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ und begibt sich auf die Spurensuche nach dem überlebenden Jesus. Ein Ostergespräch.

Tageszeitung: Herr Fried, in Ihrem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ behaupten Sie etwas für Christenohren Ungeheuerliches, nämlich dass Jesus Christus gar nicht am Kreuz gestorben, sondern nur scheintot gewesen sei. Hat man uns zwei Jahrtausende lang Märchen erzählt? 

Johannes Fried: Scheintot ist der falsche Begriff, der zudem medizinisch sehr schwer zu definieren ist. Meine These ist, dass Jesus unter Kohlendioxidnarkose stand, sodass man ihn für tot hielt, als man ihn vom Kreuz abnahm.  Er war aber nicht tot.

Führt nicht jede Kreuzigung zum Tod? 

Keineswegs. Es gibt aus dem 1. Jahrhundert nach Christus mehrere Berichte, dass Menschen, die gekreuzigt wurden, am Leben geblieben sind.

Sie stützen sich auf den Kreuzigungsbericht im Johannes-Evangelium und neueste medizinische Erkenntnisse. Um welche Erkenntnis handelt es sich dabei?

Laut dem Johannes-Evangelium hing Jesus maximal sechs Stunden am Kreuz, bevor er abgenommen wurde. Das ist sehr kurz und man war offenbar auch sehr verwundert darüber, dass der Tod so schnell kam, weil bei einer Kreuzigung der Sterbeprozess gewöhnlich mehrere Tage dauert. Um sicher zu gehen, dass Jesus tatsächlich tot ist, versetzte ihm ein Soldat mit der Lanze einen Stich in die Pleura, worauf Blut und Wasser aus der Wunde flossen, die von den schweren Verwundungen im Brustbereich durch die Geiselung herrührten.  Blut und Wasser sammeln sich nur in einem ganz bestimmten Bereich des Brustkorbes, im sogenannten Pleuraspalt, der zwischen dem Rippen- und dem Lungenfell liegt. In diesen Spalt hinein dehnt sich die Lunge beim Atmen aus. Wenn dort aber Flüssigkeit eindringt und der Spalt nicht mehr unter Unterdruck steht, werden die Lungenflügel zusammengedrückt, sodass der Betroffene nicht mehr in ausreichendem Maße das Kohlendioxid ausatmen kann. Er fällt in eine tiefe Ohnmacht, eine Art CO2-Narkose, und wenn es länger anhält, erstickt er. Für andere wirkt die Narkose so, als sei er tot. Jesus wurde durch den Lanzenstich von dem Pleuraerguß befreit und hat überlebt. Das bezeugen alle Evangelisten, insofern sie ihn als einen wiederauferstandenen Menschen aus Fleisch und Blut beschreiben.

Der Lanzenstich hat Jesus also nicht getötet, sondern ihm das Leben gerettet.

Der Lanzenstich hätte ihn getötet, wenn er ins Herz gegangen wäre. Der Soldat wollte Jesus mit dem Stich aber nicht das Leben verkürzen, sondern prüfen, ob er tot ist. Der Sinn einer Kreuzigung ist ja die Qual, das Hinauszögern des Todes. Sämtliche Darstellungen der Kreuzigung zeigen, dass der Soldat in die rechte Brustseite gestochen hat, nicht in die Herzseite. Es war ihm sicher nicht bewusst, aber er hat ihm dadurch tatsächlich das Leben gerettet. Wir wissen erst seit einigen Jahrzehnten, dass Blut und Wasser in der Pleurahöhle zu Atemnot führt und dass der Betroffene durch so einen Stich vor dem Erstickungstod gerettet werden kann. In meinem Buch greife ich auf diese jungen Erkenntnisse der Medizin zurück und betrachte die Folgen der Kreuzigung Jesu unter medizinischen Aspekten.

Als Jesus am Kreuz über Durst klagte, hat einer der Soldaten einen Schwamm mit Essig getränkt und ihn an den Mund des sterbenden Christus gehalten. Wieso Essig?

Ein Erstickender versucht durch schnelles Atmen, durch Hecheln, der Atemnot entgegenzutreten. Essig kann dieses Hecheln verstärken, es hilft, mehr CO2 abzuatmen.

Als Nikodemus und Joseph von Arimathia Jesus vom Kreuz abnahmen, hielten sie ihn für tot. 

Ja, wie auch der Soldat. Eine CO2-Narkose ist eine Narkose, sodass Jesus in der Tat wie tot wirkte. Als sie ihn später in die Grabtücher einhüllten, merkten sie, dass er lebt. Ihre Verwunderung muss groß gewesen sein. Und es drohte eine doppelte Gefahr. Einerseits Lebensgefahr für den eben dem Tod Entlaufenen, andererseits für sie selbst, weil sie einem zum Tode verurteilten Mann geholfen hatten. Sie hatten nur die Möglichkeit, Jesus den Römern wieder auszuliefern oder ihm zu helfen unterzutauchen. Wie wir wissen, haben sie sich für die zweite Möglichkeit entschieden.

Nach Ihrer Theorie lässt sich Jesus Überleben der Kreuzigung medizinisch problemlos erklären. Im Glaubensbekenntnis beten wir aber „Jesus Christus … gekreuzigt, gestorben und begraben, … am dritten Tage auferstanden von den Toten …“ Warum erfand man diese wundersame Geschichte der Wiederauferstehung?

Die beiden Helfer mussten, ohne selbst Gefahr zu laufen und Jesus in neue Gefahr zu bringen, verheimlichen, dass er überlebt hat. Die Auferstehungsgeschichte war eine Noterzählung der beiden, die ihn ins Grab gelegt haben. Sie bedienten sich der Worte des Jesaja über die Erhebung der Toten am Ende der Tage. Daraus wurde dann „Auferstehen“. Entscheidend war aber die Geschichte, die später hinzukam. Der Apostel Paulus hat bekanntlich den Auferstandenen nie leibhaftig gesehen, aber er ist ihm in einer Vision auf seinem Weg nach Damaskus erschienen. Eine solche Vision unterstellt er auch allen anderen, die sagten, sie hätten den auferstandenen Jesus gesehen. Weder die Grableger noch Paulus haben also etwas erfunden. Man muss sich vor Augen halten, dass Auferstehung in der damaligen Zeit eine geläufige Vorstellung war. Die römischen Cäsaren fuhren alle gegen Himmel und auch andere haben derartige Vorstellungen. Daran konnte man anknüpfen. Auferstehung war eine Möglichkeit, ein Phänomen einerseits zu erklären und es andererseits zu verstecken, um nicht verfolgt zu werden.

 Was hat Jesus getan, nachdem er die Kreuzigung überlebt hatte und nicht als Auferstandener in den Himmel fuhr? 

Sicher ist, er musste verschwinden. Nicht sicher ist, wohin er verschwand. Es gibt kaum sichere Quellen, sehr wohl aber Hinweise. Die nächste Zone, wo Pilatus nicht zugreifen konnte, lag jenseits des Jordans, in der sogenannten Dekapolis. Der Geschichtsschreiber Eusebius schreibt im frühen vierten Jahrhundert, dass Jesus seinen Anhängern bei Ausbruch des jüdischen Krieges, also im Jahr 66, gesagt haben soll: Kommt nach Pella. Die zweite Möglichkeit wäre Ägypten, auch da gibt es eine Spur in den Evangelien und in den späteren Berichten. Er soll danach zwölf Jahre in Ägypten gelebt haben und dort die Fähigkeit zum Heilen erworben haben.

Im Vorwort Ihre Buches schreiben Sie, dass es Ihnen gewiss „endlosen Widerspruch und Feindschaften einbringen wird“. Hat man Ihnen schon Blasphemie vorgeworfen? 

Nein. Man hat alles möglich gesagt, aber nicht, dass das Buch blasphemisch sei. Die ärgste Kritik lautete: Nonsens.

Was bleibt vom christlichen Glauben, wenn wir die Auferstehungsgeschichte nicht mehr glauben?

Darüber habe ich mich ausführlich mit einem katholischen Theologen unterhalten. Dessen Meinung ist die fast aller Theologen heute: Die Auferstehung ist eine Fiktion. Was übrigbleibt von dem Nazoraer Jesus ist seine Lehre als Wanderprediger, als Thora-Gelehrter und Erneuerer des Thora-Glaubens. Seine Botschaft bleibt. Dieses Fundament ist stabil und wird überdauern.

Sie glauben, wir können auf die „Legende“ der Auferstehung verzichten und die christliche Botschaft lebt unbeschadet weiter. 

Nicht die christliche Botschaft, die Botschaft von Jesus. Die bleibt. Die Lehre des Paulus bleibt hingegen nicht. Die Lehre der Jüngerschaft der 12 und der Maria Magdalena ist in meinen Augen die richtige und die wird unbeschadet der ganzen Diskussion weiterleben. Im Gegenteil: Sie wird durch diese Diskussion sogar noch verstärkt. Das ist eine Tradition, die nicht den Tod und die Auferstehung Jesu lehrt, sondern seine Bedeutung als Lehrer in den Mittelpunkt stellt.

Damit nähern wir uns der muslimischen Auffassung an, wonach Jesus nicht der Sohn Gottes, sondern ein bedeutender Prophet war. 

Im Koran steht tatsächlich, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben ist, sondern Gott hat ihn zu sich geholt. Das Wort von Gottes Sohn ist eine heikle Sache, weil wir in einem gewissen Sinn ja alle Gottes Kinder sind. Paulus dachte den Gottessohn als eine vorgeburtlich existente Größe, die dann Mensch geworden ist, durch den menschlichen Tod hindurchgegangen ist und durch die Auferstehung wieder zurück zu seinem göttlichen Ursprung gekehrt ist. Diese Vorstellung muss gründlich überdacht werden.

Sie sind sehr kritisch gegen Paulus.

Ich wende mich nur gegen den Eindruck vieler Theologen, Paulus sei der eigentliche Gründer des Christentums und nicht Jesus.

Was hat Sie als Mittelalterhistoriker bewogen, sich auf die Spurensuche nach dem überlebenden Jesus zu machen?

Ich bin seit meiner Studienzeit höchst interessiert an der Geschichte des frühen Christentums. Der eigentliche Anlass jedoch war ein Artikel zweier Mediziner in einem Beitrag der Zeitschrift „Biologie in unserer Zeit“. Sie haben die These aufstellt, dass der Lanzenstich des römischen Soldaten wie eine erfolgreiche Pleurapunktion wirkte und Jesus das Leben rettete. Auf diesen Artikel beziehe ich mich in meiner Untersuchung des Johannes-Evangeliums. Mein Beitrag besteht vor allem darin, die Kreuzigungsgeschichte im Lichte neuer medizinischer Erkenntnisse zu lesen und zu bedenken, was aus Jesus geworden ist, nachdem er das Kreuz überlebt hat.

Ich stelle Ihnen die Eingangsfrage noch einmal: Hat man uns 2000 Jahre lang ein Märchen aufgetischt?

Nein. Eine Glaubensüberzeugung des Paulus, die er aufgrund seiner Vision auch anderen unterstellt. Paulus war nie in Jerusalem und er hat Jesus, wie bereits gesagt, nie getroffen. Er habe den Auferstandenen „geschaut“ schreibt er, aber er hat nie überprüft, ob seine Vision mit den Berichten der anderen übereinstimmt. Er interessiert sich dafür gar nicht, obwohl es sehr frühe Berichte gab, die sagen, dass Jesus lebendig sei. Die Zweifel daran, dass es eine Auferstehung aus dem Tod gar nicht gegeben haben kann, tauchen sehr früh auf. Zu Recht. Es gab keine Auferstehung, weil es gar keinen Tod gegeben hat. Nur bei Paulus setzt sich die Auferstehung aus dem Tode durch, um die Theologie des auferstandenen Gottessohnes durchzusetzen.

Interview: Heinrich Schwazer

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Kommentare (8)

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  • pingoballino1955

    Ich frage mich ernsthaft,wie lange man uns noch solchen BLÖDSINN erzählen will! Entbehrt jäglicher Grundlage!

  • george

    „Jesus wurde durch den Lanzenstich von dem Pleuraerguß befreit und hat überlebt.“
    Herr Fried, schreibt das die NTZ so oder haben das Sie ihnen so aufgetischt. Das ist nämlich nicht nur der einzige Stumpfsinn, der hier verpasst wird: Wenn schon, dann müsste es lauten, dass er ihn durch den Pleuraerguss vor dem Ersticken befreit habe und nicht „von dem Pleuraerguß“.
    Aber wer solche Umkehrschlüsse nicht merkt, sollte besser nicht darüber reden.

    • asterix

      Ähh, ich bin kein Arzt george, aber so wie ich es verstehe, hätte der Pleuralerguss das Ersticken verursacht. Durch den Lanzenstich konnte dieser abfließen und anstatt zu ersticken fiel Jesus in eine CO² – Narkose. Es ist schon länger bekannt, dass Verurteilte in ganz seltenen Fällen solche Hinrichtungen überlebt haben.

      • george

        ‚asterix‘, versteh das richtig, der Soldat hat Jesus durch den Lanzenstich nicht „vom Pleuraerguss befreit“, sondern wenn schon, dann vom Druck der Flüssigkeit im Pleuraspalt, sodass diese aus dem Hohlraum ausfloss und nicht mehr übermäßig gegen die Lunge drücken konnte. So wie das hier im Artikel dargestellt wird, ist dies ein Wirrwarr von Darstellungen, die nicht nur unverständlich sind, sondern aich teilweise auch widersprechen.

  • florianegger

    Immerhin hat es dieser Herr, der vor etwa 2000 Jahrengelebt hat geschafft, daß er derzeit laut Statisitk immer hin über zwei Milliarden Likes hat. Das müssen Coca-Cola, Facebook und Co mal erst schaffen.

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